Dugas und DeMarle erweitern das Konzept aber nicht in der Breite, wie es fast jede Fortsetzung macht. Sie spinnen nicht einen noch längeren roten Faden an noch mehr exotischen Schauplätzen. Vielmehr spielt Mankind Divided fast durchgehend in Prag, nachdem Jensen zuletzt eine Insel vor Shanghai sowie die Arktis besuchte. Nur für kurze Aufträge verlässt der Agent die Stadt.
Eine offene Welt ist Prag dabei nicht. Zum einen teilen Ladebildschirme den zentralen Schauplatz in zwei Hälften, zum anderen haben die begehbaren Viertel ohnehin nicht die Größe der realen Metropole. Tatsächlich wirkt das zweite moderne Deus Ex im Umfang kleiner als sein Vorgänger…
Wie liest man einen interaktiven Roman?
… in der Tiefe dafür umso beeindruckender. Schon die Straßen wirken lebendiger als zuvor, auch weil es keine Ladeunterbrechungen beim Betreten von Gebäuden oder angrenzender Areale gibt. Passanten unterhalten sich angeregter, häufiger und beziehen sich viel öfter auf aktuelle Ereignisse. Bemerkenswert ist die Präsenz zahlreicher Polizisten: Bullige Einsatzwagen parken auf großen Plätzen, Patrouillen kontrollieren fast alle Straßen und Jensen
wird Zeuge gleich mehrerer Verhaftungen. Es gibt keinen Tag/Nacht-Wechsel und die Bewohner gehen keinen wechselnden Beschäftigungen nach – ein waschechtes Rollenspiel ist Deus Ex eben nach wie vor nicht. In jenem Augenblick, in dem Jensen an einem Menschen vorüber geht, ist dieser aber mehr als zuletzt ein glaubwürdiger Akteur des Moments.
Vor allem aber ist die Stadt selbst als Spielwiese gewachsen, auf der man die Welt der mechanischen Apartheid kennenlernt. Wer den Menschen zuhört, ihre E-Mails liest, ihnen Gefallen tut und nach Geheimnissen gräbt, der schaut tief in die nahe Zukunft des Jahres 2029. Das interaktive Prag ist wie ein Roman, in dem man quer blättern kann, ohne den roten Faden zu verlieren. Das war im Detroit und Hengsha des Vorgängers schon so, ist diesmal aber ein noch dichteres, enger zusammenhängendes Geflecht. Bücher, Zeitungsartikel und Personen nehmen Bezug aufeinander, jede noch so kleine Geschichte ist irgendwie an das große Ganze gebunden. Man lernt Gebäudekomplexe und ihre Bewohner kennen, anstatt durch hübsche, aber bedeutungslose Kulissen zu sprinten. Man kann mitunter sogar die richtigen Schlussfolgerungen ziehen, ohne sie in den optionalen Aufgaben einer Mission zu erspielen. Dieses vielschichtige Ineinandergreifen des freien Erkundens sowie der einfallsreichen Aufgaben macht das augenscheinlich kleine Prag zu einem großen Schauplatz!
Ich hatte es mir bereits vor längerer Zeit günstig gekauft.