Wankelmütiges Writing
Die traute Zweisamkeit mit den sympathischen, aufgrund der kurzen Spiellänge von rund zehn Stunden aber recht eindimensionalen Figuren fühlt sich an wie ein Metronom am Anschlag und springt zwischen herzerwärmend und fremdschamerregend hin und her. Emotionale Gespräche wechseln sich mit Situationskomik ab, und trotz aller Klischees überrascht mich das Spiel regelmäßig damit, dass man sich in Sachen Absurdität doch noch steigern kann: Wenn mir Min von den freundschaftlichen Raufereien ihres ehemaligen Laufteams erzählt, dann aber in der nächsten Sequenz stolpert und mit ihrer Hand in meinem Schritt landet, entlockt mir Eternights ab und an ein Lachen, genauso häufig aber ein genervtes Kopfschütteln.
Es ist der typische Fanservice, den vor allem Anime-Fans und Manga-Leser aus anzüglichen Romantikkomödien, gemeinhin auch als Ecchi bezeichnet, kennen dürften: Immer wieder gerät der (meist männliche) Protagonist in Situationen, bei denen die weiblichen Charaktere sich unabsichtlich entblößen oder Körperkontakt herstellen und die, wenn denn irgendeine Handlungsabsicht und nicht reine Tollpatschigkeit dahinterstecken würde, als Annäherungsversuch gedeutet werden könnten. Auch Eternights bedient sich dieser abgenutzten und degradierenden Mischung aus Humor und Erotik, vermischt die aber mit einer Dauergeilheit, die sich wohl nur als durch und durch pubertär bezeichnen lässt.
Da bringt mein bester Freund während des Weltuntergangs nicht etwa Essen, Trinken oder eine Taschenlampe mit in den sicheren Bunker, sondern einen Haufen Pornomagazine, und natürlich hilft gegen eine giftige Chemikalie, mit der sich Min während eines wissenschaftlichen Experiments bekleckert, nur die heilende Spucke des Helden. Die deutsche Übersetzung setzt dem ohnehin schon zwischen unreif und humorvoll schwankendem Ton die Krone auf: Auch wenn hier kein Kapitän Haddock seine Scharade an Schimpfwörtern herunterrasselt, werden Charaktere schon mal als „Wichser“ oder „Hundesöhne“ bezeichnet und das männliche Genital wortgewandt als „Schlong“ umschrieben.
Als Parodie lässt sich Eternights zwar nicht bezeichnen, trotzdem nimmt es sich in solchen Momenten offenkundig alles andere als ernst. Wer es genauso hält, der bekommt insgesamt also ein Writing von wechselhafter Qualität geboten, denn die generische Geschichte wird von den absurd-unterhaltsamen Dialogen definitiv getragen. Und nur lächerlich macht sich das Spiel dann auch nicht: Funkt es zwischen euch und einer der anderen Figuren, serviert Eternights tatsächlich auch mal Szenen, bei denen einem ob der Romantik so richtig warm ums Herz wird. Wer einen dummen Spruch oder ein gefühlvoll gehauchtes Liebesbekenntnis verpasst hat oder nochmal hören will, kann die dank Dialogverlauf einfach erneut abspielen – ein unterschätztes Visual Novel-Feature, das jedes Mal lobende Worte verdient hat.
Ist das Kampfsystem erst routiniert, spielts sich völlig ungeniert
Liebe gilt zwar gemeinhin als die stärkste Macht der Welt, trotzdem muss ich im Kampf gegen die Endzeitmonster die Fäuste beziehungsweise das Schwert sprechen lassen, in das ich meinen leuchtenden Arm verwandeln kann. Hier kristalliert sich auch einer der größten Unterschiede zur Inspiration heraus, denn im Gegensatz zu Persona setzt Eternights nicht auf ein rundenbasiertes, sondern auf ein Echtzeit-Kampfsystem. In simpler Hack-and-Slash-Manier haue ich die Mutanten mit wiederholtem Drücken derselben Taste aus ihren angefressenen Latschen und betätige die Ausweichrolle, wenn ein durch ein Audio-Signal und rotes Leuchten markierter Gegenangriff erfolgt. Stimmt mein Timing , werde ich wie bei Bayonetta oder Final Fantasy 16 mit einem Zeitlupeneffekt belohnt.
Weil Minibosse und Endgegner über einen lästigen Schild verfügen, muss ich sie mit Elementarangriffen erst verwundbar machen, bevor meine normalen Schwertschläge Wirkung zeigen. Durch wiederholte Attacken und perfekte Ausweichmanöver lädt sich die dafür zuständige Leiste auf, sodass ich mein Gegenüber mit einem von vier Elementaroffensiven unter Beschuss nehmen kann, für deren gelungene Ausführung ich wiederum ein paar Quick-Time-Events absolvieren muss. Dazu kommen freischaltbare Spezialangriffe und Unterstützungs-Zauber meiner Begleiterinnen, die sich jeweils aus ihrer eigenen Leiste speisen und die sonst stumpfe Kampfroutine immerhin ein bisschen auflockern.
Tiefgang bieten die Auseinandersetzungen trotzdem nicht. Es gibt keine Heilitems oder andere Gegenstände und das Elementarsystem ist genauso unterkomplex wie die Handvoll Spezialattacken, mit denen sich normale Gegner spielend leicht ausschalten lassen. Dass Eternights selbst auf der normalen Schwierigkeitsstufe überraschend knackig sein kann, liegt daran, dass ihr mit Yunas Zaubern lediglich eine Möglichkeit zum Heilen besitzt und euch deshalb nur wenige Fehler leisten könnt. Derweil punkten die Apokalypse-Zombies zwar mit abgefahrenem Kreaturen-Design, verlassen sich aber leider auf die immer gleichen Angriffsmuster. Und auch die extrem lineare Levelstruktur mit einigen wenigen Rätseln dazwischen trägt nicht dazu bei, die Dungeon-Monotonie zu unterbrechen.
Trotz all der Kritik gelang es den Kämpfen, mich in einen befriedigenden Sog zu ziehen. Keiner, wie er bei Spielen wie Vampire Survivors häufig aufgeführt und dann unpassend mit diversen Drogensüchten verglichen wird, sondern ein harmloser, zum Kopf abschalten. Das Ausführen einer perfekten Ausweichrolle mit anschließender Zeitlupe ist nun mal einfach ein Spaßgarant! Für eine zusätzliche Prise Motivation sorgt der simple Talentbaum, bei dem ich Fähigkeiten mit schwarzer (bekommt ihr in den Dungeons und von besiegten Minibossen) und weißer Essenz (erhaltet ihr durch Trainingsübungen und nächtliche Botengänge mit euren Begleitern) freischalte, und der dank virtueller Möhre vor der Nase ein geringfügiges, aber nichtsdestotrotz angenehmes Fortschrittsgefühl entfaltet.
Wenn ich mir deinen Kommentar so durchlese, muss ich das mit der Spielzeit wohl missverständlich formuliert haben. Die ist nämlich keineswegs als solche ein Kritikpunkt gewesen, ganz im Gegenteil. Im Fazit schreibe ich ja, dass das Spiel gut daran getan hat, nicht länger gewesen zu sein, sonst wäre das Gameplay wohl auf Dauer zu monoton geworden. Und die beiden Erwähnungen im Text sollten eigentlich reine kontextuelle Einordnungen sein: Einmal zu den Figuren, die angesichts der Spiellänge nunmal nicht mehr Raum zur Charakterentwicklung bekommen konnten. Und einmal zu den schicken Standbildern, von denen ich mir mehr gewünscht hätte, die aber bei einer kürzeren Spiellänge eben auch nicht im Dauerfeuer erfolgen sollen, damit sie nicht ihre "Besonderheit" verlieren. Nur nochmal als zusätzliche Einordnung, da das aus dem Test offenbar nicht klar genug hervorgegangen ist. Hätte ich die Spielzeit wirklich als zu kurz empfunden, wäre das auch als Contra-Punkt in der Liste aufgetaucht, aber ich habe da eine ganz ähnliche Meinung wie...
69 ist doch nicht negativ. Ein Befriedigend das nah am Gut ist. Passt doch zu so einem spiel von einem kleinen Studio mit begrenzten Mitteln. Kann man jetzt kaum Wertungen vergeben die an Persona ranreichen
Kann diesen Test, wie auch generell die recht negativen Wertungen nicht nachvollziehen. Fand das Spiel vom 1. Kontakt auf Steam vor paar Wochen extrem poliert und sehr gut ausbalanciert. Gerade die Spielzeit als Kritikpunkt kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Wieder ein klassischer Fall, warum viele Spiele so ätzend gestreckt werden, weil es sonst offensichtlich sofort ne dicke Abwertung gibt.
Das Verhältnis von Metawertungen zu Userwertungen passt hier auch vorne und hinten mal wieder nicht zusammen. Scheint nach Spielen wie KDCD oder Alien: Isolation wohl mal wieder ein kollektives Opfer der Magazine zu werden, während es von den Spielern gefeiert wird. Zeigt mir leider nur abermals, das ich Kaufentscheidungen wirklich nicht mehr anhand von Tests oder gar Wertungen treffen brauche.
Btw. kostet es ja auch gerade mal 30€ zum Release. Irgendwelche 80€ Releases kriegen auch mal annähernd 90er Wertungen, obwohl sie nicht mal ansatzweise so gut poliert waren. Und gerade wenn ich in dem Bereich von AAA Titeln wieder gucke, wie viel davon in den letzten Jahren einfach künstlich auf 20 oder 30 Stunden gestreckt wurde, empfinde ich das schon als beleidigend, denn das macht die Spiele nicht besser, sondern sogar erheblich schlechter. Diesen Kritikpunkt solltet ihr wirklich dringend auf den Prüfstand schicken.
Danke für den Test. Eigentlich passt das Spiel zu meinem Beuteschema aber leider ist es dem Persona Fan nicht soo gut gelungen, dass Spiel zu "kopieren".
Vielleicht irgendwann mal für einen 10er reinschnuppern