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Fallout 76 (Rollenspiel) – Postapokalyptischer Super-GAU

Fallout hat sich bei Bethesda von einem Taktik-Spektakel vor dem Hintergrund einer Postapokalypse zu einem der Rollenspiel-Schwergewichte schlechthin gemausert – offline wohlgemerkt. Doch mit dem überraschend  im Frühjahr angekündigten Fallout 76 verabreicht man dem Ödland eine Online-Kur und hat sich wie seinerzeit bei The Elder Scrolls Online erst einmal den Groll der Community zugezogen. Im ersten Teil unseres Tests verraten wir, welchen Eindruck wir nach 15 Stunden im nuklear verseuchten Virginia haben.

© Bethesda Game Studios / Bethesda

Da ich aber nicht auf irgendeiner wichtigen Mission mit Spielerangriffen rechnen wollte, brauchte ich einen anderen Spieler, die mich ohne Gegenwehr töten würde. Abgesehen davon, dass die Emoji-Auswahl diese Aufforderung nicht hergibt, hat es beim ersten Versuch ebenfalls nicht funktioniert. Nach dem durch den Spieler herbeigeführten Tod wurde ich mit dem Gesucht-Status wiederbelebt. Was zum…? Und da es sich mitunter echt ziehen kann, bis man andere Spieler trifft, hat es unverhältnismäßig lange gedauert, bis ich endlich jemanden gefunden hat, der effektiv den Status entfernen konnte. Eventuell hätte Bethesda hier auch ein System finden können, bei dem nach X Stunden ohne Verfehlungen das Kopfgeld entfernt wird. Doch sei es drum. So dachte ich zumindest bis zu dem Punkt, an dem ich ebenfalls eher per Zufall in die Jagd auf einen Gesuchten eingebunden wurde. Denn er wurde von einem zweiten Spieler beschützt. Rein technisch/mechanisch läuft ja alles richtig: Ich greife den Gesuchten an und eröffne damit die Möglichkeit, auch selber zu Freiwild zu werden. Dass allerdings der Bodyguard, der augenscheinlich nicht den Gesuchten, sondern mich angreift und sich damit als Komplize outet, nicht ebenfalls als „Gesucht“ markiert wird, ist ein fieser Exploit, der auch stellvertretend für viele andere nicht konsistent arbeitende Spielsysteme steht, die mir in den letzten zwölf bis 14 Stunden die Laune verhagelt hat und die Bethesda sehr bald in den Griff bekommen muss, wenn man mich auch nur mittelfristig in dieser Spielwelt halten möchte. Ich gebe unumwunden zu, dass ich momentan viel lieber in den Wilden Westen von New Hannover, die griechische Antike oder das südamerikanische Solís abtauchen würde, als in diesen Appalachen auf Spielspaß-Suche gehen zu müssen.

Summe an Kleinigkeiten und der Super-GAU


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Dank zu kleinen Inventars sowie eingeschränktem Lagerplatz im Camp wird die Rohstoff- und Munitions-Sammlung zu einer logistischen Herausforderung © 4P/Screenshot

Dass die persönliche Lagerkiste, auf die man auch von einigen anderen Stationen in der Welt Zugriff hat, mit einer Beschränkung von 400 Pfund auskommen muss, ist das eine und nervig genug, da dadurch das Spiel irgendwann zu einem Logistik-Manager verkommt, wenn man Munition, Stimpaks und Nahrung hin und her schiebt oder tatsächlich wegschmeißt. Dass dies durch technische Beschränkungen erklärt wird, kann ich nicht akzeptieren. Die Behältnisse in der Spielwelt werden doch ohnehin immer wieder aufgefüllt. Also kommt mir doch nicht damit, dass ihr beachten müsst, was ausgeschüttet wurde! Wieso kann mein Lagerplatz nicht unendlich sein? Oder dass die Perks, die bei meiner Figur dafür sorgen, dass dies oder jenes weniger wiegt, auch auf den Lagerplatz angewendet wird. So kann etwas, das im Figureninventar nur gut 40 Pfund wiegt, in der Box auf 120 anwachsen und sämtliche Logistik-Planungen zunichte machen. Oder ermöglicht mir zumindest 400 Gegenstände bzw- Stapel mit Rohstoffen als diesen faulen Kompromiss zu bieten, der zusätzlich aufzeigt, wie unfertig Fallout 76 ist. Im Offline-Fallout hatte ich mir die Freiheit genommen, für nahezu jede Kategorie wie Waffen, Rüstungen, Drogen, Nahrung etc. eigene Lagerkisten aufzustellen. Und hier darf ich in meinem Allzwecklager nicht mal alles unterbringen, was ich habe. Dass zudem die Ökonomie im Spiel fehlerhaft ist und im Gegensatz zu den Offline-Apokalpysen, ein fairer Tausch mit den Händlern nicht möglich ist, nervt ebenfalls. Ich kaufe von dem Handelsroboter ein Pack Aluminium für 180 Kronkorken. Er hat drei davon vorrätig. Theoretisch würde ich erwarten, dass der Preis für das nächste Pack ansteigt. Tut es nicht, ok. Dass allerdings von den 180 Kronkorken, die ich gezahlt habe, nur 35 bei ihm in der Kasse auftauchen und damit meine Optionen, mein Zeug bei ihm zu verkaufen, massiv einschränken, ist pure Inkonsistenz.

Doch ganz ehrlich: Bis hierhin hatte ich trotz aller Defizite immer noch einen gewissen Spaß an Fallout 76. Das kehrte sich jedoch in einem Moment in maximalen Frust. Nachdem ich einen Dungeon verlassen und zu meinem Lager zurückteleportieren wollte, musste ich feststellen, dass mein Camp weg war. Weg. Verschwunden von der Karte. Wo eigentlich ein Zelt den Fixpunkt meines Fallout-Lebens markieren sollte, war nichts. Okay, dachte ich. Vielleicht hat ein Spieler in den 20

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Doch das ist nichts gegen die Erkenntnis, dass das mühsam aufgebaute und mit allerlei Zusätzen versehene Lager von der Karte radiert wurde – und zudem auch alle Bauten nicht eingelagert sind und daher kosten- sowie zeitintensiv neu errichtet werden müssen. Vielen Dank für nix. © 4P/Screenshot

Minuten, in denen ich im Dungeon war, mein Lager angegriffen und sich an den sechs Geschütztürmen vorbeigemogelt, die meine Werkbänke, meine Felder oder meine Wasser-Reinigungsanlage bewachten. Für den Fall hätte ich allerdings gerne eine Bildschirmanzeige, auf der mir gesagt wird, dass mein Lager angegriffen wird. Vielleicht gibt es die auch, auf jeden Fall wurde nichts angezeigt. Und ein Blick auf die Karte zeigte mir, dass auch kein Spieler mit Gesucht-Status unterwegs ist, der vielleicht bei einem Amoklauf mein Lager dem Erdboden gleich gemacht hat. Einen Angriff durch Monster schließe ich aus – das Lager wurde bewusst in einem Gebiet gewählt, in dem die sechs Geschütztürme mit allen Gegnern in der Umgebung (mit Ausnahme eines wild fliegenden Brandbiests) fertig werden könnten. Na gut, baue ich das Lager wieder auf. Immerhin werden ja z.B. bei einem Verlegen alle bereits hergestellten Werkbänke, Generatoren etc. eingelagert. Doch ein Blick in den „Gelagert“-Reiter zeigte mir… Gähnende Leere. Alles war weg. Alles. Stunden, in denen ich Rohstoffen hinterher jagte – alles umsonst. Vielen Dank für gar nix, Bethesda. Vielen Dank. Jetzt habe ich kein vernünftiges Lager mehr, nicht einmal ansatzweise genug Rohstoffe, um die Basics wieder aufzubauen (bei mir herrscht notorische Aluminium- und Klebstoff-Knappheit) und unter dem Strich auch keine Lust mehr, nochmal so viel Zeit zu investieren. Fallout 76 ist extrem kurz davor, mein Interesse komplett zu verlieren. Da spiele ich momentan lieber nochmal Fallout 4. Wenn der für heute angekündigte Patch nicht einige wesentliche Mankos behebt, wird Fallout 76 nicht mehr aus dem Ausreichend-Bereich rutschen, in den es sich gut eine Woche nach Release mit seinen fehlerhaften Inhalten manövriert hat. Eine Art Kompensation für das verschwundene Lager (da Serverdaten abgelegt werden, müssten derartige Unregelmäßigkeiten in meiner idealistischen Welt doch irgendwo in einem Logfile aufschlagen?) halte ich ohnehin für unrealistisch…

Vorläufiges Fazit vom 19.11.2018



Ich möchte wirklich Spaß mit diesem Fallout-Ableger haben, der sich als Online-Shooter mit Rollenspiel-Unterbau präsentiert. Und theoretisch kann ich Spaß in vielen Bereichen vom Lager-Bau bis hin zu teilweise richtig guten Missionen sowie der Jagd nach stets besserer Ausrüstung finden. Dem stehen jedoch teilweise gravierende sowie aus der Beta bekannte Bugs u.a. bei Missionen sowie Inkonsistenzen gegenüber, die deutlich machen, dass Fallout 76 in dieser Verfassung eigentlich nicht hätte veröffentlicht werden dürfen. Bildratenprobleme? Check, aber darüber könnte ich hinweg sehen. Lags? Check, allerdings nicht so leicht zu ignorieren, da im Zweifelsfall die Gegner einen Vorteil daraus ziehen. Das Strafsystem für asoziales Spielerverhalten? Eigentlich cool, aber in dieser Form einerseits zu unflexibel, andererseits sehr leicht aushebelbar, wenn sich ein Freund als Bodyguard bereithält, der keinen „Gesucht“-Status trägt und ihn auch nicht nachträglich erhält. Unregelmäßigkeiten mit der Ökonomie und dem Inventar-Gewicht nerven ebenfalls, können aber durch diszipliniertes hin und her schieben noch einigermaßen minimiert werden. Das alles hätte bei mir in der Summe für ein Absinken der bisherigen Einschätzung von „gerade noch Gut“ (also 75% oder 76%)  auf ein „solides unteres Befriedigend“, (60 bis 62%) gesorgt – mit Option, dass der heute (19.11.) erscheinende Patch einige der Mankos aus der Welt schafft. Doch nachdem mein Lager nach der Rückkehr aus einem Dungeon komplett mit allem bisher Gebauten verschwunden war und vor allem auch nicht in der Einlagerung für den Wiederaufbau zur Verfügung stand, hat meine Motivation einen gewaltigen Dämpfer bekommen. So weit, dass ich fast schon keine Lust mehr habe. Daher kann davon ausgegangen werden, dass der Test noch gegen Ende der Woche finalisiert wird – es sei denn, Bethesda zieht irgendein As aus dem Ärmel, um den Turbolader für die Lust auf das Spiel zu zünden.

  1. Ist das Spiel mittlerweile eigentlich geheilt von seinen Problemen. Ich hab auch was gelesen, dass es mal ein Update geben sollte, wo man es ermöglichen wollte, die welt dann doch alleine zu begehen und npc's mit quest einzuführen.... Wäre cool, wenn mir dazu jemand was sagen könnte. Wäre es mittlerweile ein richtiges Fallout, würde ich es gerne spielen.

  2. rainynight hat geschrieben: 12.12.2018 12:35 @casanoffi
    Ich dachte ich hätte es klar ausgedrückt, worum es mir geht.
    Es geht nicht um Solidarität (im Prinzip könnt ihr von mir aus ja alle machen, was ihr wollt), sondern um unser aller Spielezukunft.
    Sobald Publisher mit so nem Scheiß durchkommen und diese "Qualität" Akzeptanz bei den Käufern findet, werden die sich zukünftig genau überlegen, ob sie noch soviel Zeit und Mühe in ihre Spiele stecken.
    Wenn man sich gegen etwas auflehnt, was einen persönlich nicht betrifft oder stört (aber man es unterm Strich natürlich nicht in Ordnung findet), dann ist das in meinen Augen ganz eindeutig Solidarität.
    Die Grenze verschwimmt hier natürlich, keine Frage.
    Aber deswegen schrieb ich ja auch - für diejenigen, für die die Bugs nicht ins Gewicht fallen, für die werden sie auch in Zukunft nicht schwer wiegen.
    Natürlich ist es jedem lieber, die Qualität ist besser. Aber den Geldbeutel stecken zu lassen (was die einzige wirksame Methode gegen gewisse Geschäftspraktiken ist), wenn man mit der gegebenen Qualität leben kann, ist halt viel verlangt.
    Ich sage nicht, dass das ok ist - ich sage nur, dass es eben für manche zu viel verlangt ist :)

  3. @casanoffi
    Ich dachte ich hätte es klar ausgedrückt, worum es mir geht.
    Es geht nicht um Solidarität (im Prinzip könnt ihr von mir aus ja alle machen, was ihr wollt), sondern um unser aller Spielezukunft.
    Sobald Publisher mit so nem Scheiß durchkommen und diese "Qualität" Akzeptanz bei den Käufern findet, werden die sich zukünftig genau überlegen, ob sie noch soviel Zeit und Mühe in ihre Spiele stecken.
    Würde ich auch nicht anders machen.
    Oder was würdest du tun? Verkaufe ein ausgereiftes Produkt, in welches viel Zeit und Geld geflossen ist, für 60 EUR.
    Oder verkaufe ein nicht ausgereiftes, halb fertiges Produkt und bekomme dafür auch 60 EUR.
    Und das in einer Zeit, wo man genau merkt, das die Publisher austesten, wie weit die Akzeptanz des Kunden geht.
    Jetzt kann man noch ein Zeichen setzen. Wenn diese "Testphase" erstmal vorbei ist und wir nen neuen Qualitätsstandard am Markt haben, isses vorbei. Mehr will ich nicht zu denken geben.

  4. rainynight hat geschrieben: 10.12.2018 14:15Ein Kauf zum Vollpreis und dem damit einhergehenden akzeptieren des Zustands des Endprodukts kann nicht die Lösung sein.
    Das setzt ein falsches Zeichen. Wir wollen doch, dass die Qualität der Endprodukte hoch bleibt und man nicht Vollpreis zahlt, um als Betatester herzuhalten und dann erst in einigen Monaten mal ein ansatzweise einwandfreies Produkt zu erhalten.
    Da geht es jetzt nicht darum, ob man irgendwie noch etwas Spaß rausquetschen kann, sondern einfach ums Prinzip.
    Mit sowas dürfen Entwickler nicht durchkommen.
    Wenn sie das tun, stellt man damit vielleicht gleichzeitig die Weichen für das, was uns mit dem nächsten TES oder Fallout erwartet.
    Aus Prinzip und aus Solidarität zu denen, die sich daran stören, soll man das Produkt nicht zum Vollpreis kaufen.
    Da verlangst Du aber viel :D
    Ich meine, prinzipiell hast Du natürlich vollkommen Recht.
    Aber diejenigen, für die die Bugs nicht ins Gewicht fallen, für die werden sie auch in Zukunft nicht schwer wiegen.
    So hart das auch ist, aber so viel Solidarität wird man kaum verlangen können...
    Ist im Prinzip das gleiche, wie mit MTAs.
    Man kann es den Leuten einfach nicht vorschreiben, diese nicht zu konsumieren, auch wenn viele Spieler diese MTAs als die Wurzel des Übels erkennen...
    edit: ich weiß, dass mein Vergleich mit den MTAs hinkt, weil man theoretisch für das Geld einen Gegenwert erhält.
    Für technische Fehler kann man sich sozusagen nichts kaufen ^^

  5. PixelMurder hat geschrieben: 10.12.2018 05:43 Will ich damit Leuten den Spass verderben? Nein. Ihr solltet euch fragen, ob dieses Game wirklich das darstellt, was ihr von einem neuen Game zum Vollpreis erwartet. Ein Rollenspiel, indem man ein paar Stunden Spass mit seinen Buddies haben kann? Ein Game von Bethesda mit einer Note um die 50? Technisch so kaputt, dass es selbst für Bugthesda einzigartig ist? Es geht eben nicht immer nur um den kurzfristigen Spass, in dem Fall geht es um die Politik eines ehemals geschätzen Entiwcklers, der gerade unterwegs zur dunklen Seite der Macht ist und Fallout 76 ist sein Todesstern. Mit netten Worten oder auch bösen erreicht man nichts, der sieht nur noch Zahlen..
    Sehr schön geschrieben.
    Ehe ich mich jetzt wieder rechtfertige, was genau ich mit "schön reden" meine (wo scheinbar eh jeder seine eigene Definition zu haben scheint), verweise ich auf diesen Kommentar.
    Ein Kauf zum Vollpreis und dem damit einhergehenden akzeptieren des Zustands des Endprodukts kann nicht die Lösung sein.
    Das setzt ein falsches Zeichen. Wir wollen doch, dass die Qualität der Endprodukte hoch bleibt und man nicht Vollpreis zahlt, um als Betatester herzuhalten und dann erst in einigen Monaten mal ein ansatzweise einwandfreies Produkt zu erhalten.
    Da geht es jetzt nicht darum, ob man irgendwie noch etwas Spaß rausquetschen kann, sondern einfach ums Prinzip.
    Mit sowas dürfen Entwickler nicht durchkommen.
    Wenn sie das tun, stellt man damit vielleicht gleichzeitig die Weichen für das, was uns mit dem nächsten TES oder Fallout erwartet.

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