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Far Cry 2 (Shooter) – Far Cry 2

Müde drückt sich ein dunkles Gelb hinter dem Horizont empor. Noch bevor es seine trägen Finger gen Himmel strecken kann, wird es von den Blättern einer dünnen Baumkrone in tausend Stücke zerbrochen. Nur als schmale, lange Scherben erreichen sie ihr Ziel – wo sie ein hungriges Buschfeuer leidenschaftslos verschlingt. Krieg wütet in der afrikanischen Idylle: ein Kampf um Macht, um Waffen, um Menschenleben. Ein Kampf mit der Zerrissenheit zwischen einer fabelhaften Welt und ihren seelenlosen Einwohnern…

© Ubisoft Montreal / Ubisoft

Schlauberger

„Meine Munition wird knapp. Muss noch mal zum letzten Stützpunkt. Sieht so aus, als wäre ich nie hier gewesen. Schon wieder stehen überall Wachen, von den Toten keine Spur. Was soll’s. Diesmal schleiche ich mich auf leisen Sohlen heran, erwische einen der Kerle mit der Machete – woher wissen die anderen plötzlich, dass ich hier bin? Ein, zwei Salven mit der Schrotflinte und das Problem ist gegessen. Endlich nachladen, Erste Hilfe-Kisten einpacken und weiter!“

Das einzige, was Far Cry 2 so gut wie überhaupt nicht zulässt, ist das leise Anschleichen – heimliche Sam Fishers oder Solid Snakes kommen in dem fiktionalen Afrika zu kurz. Keine Frage: Die heißen Feuergefechte sind ungemein befriedigend! Es ist aber schade, dass es keine spielerischen Unterschiede zwischen Tag und Nacht gibt. So wird zudem das manuelle Vordrehen der Zeit in den Verstecken entwertet. Abgesehen davon sind die UFLL- und APR-Soldaten auch nicht auf leises Vorgehen eingestellt sind. Die Schlauberger entdecken nämlich jede aus der Deckung geworfene Granate noch bevor sie explodiert.

Schlimmer noch: Sollte es euch gelingen, eine Wache lautlos mit einem Finisher zu erdolchen – schlägt der Rest der Bande trotzdem Alarm. 

Und zwar nicht erst dann, wenn sie die Leiche finden.

Lautloses Vorgehen bringt leider kaum etwas.

Solche Momente stehen im krassen Gegensatz zur gelungenen Action. Ihr dürft nicht einmal mit coolen Nahkampfangriffen attackieren – das lapidare Schwingen der Machete ist hier das höchste der Gefühle.

„Vorletzter Checkpunkt! Eine Hand voll Soldaten, ein Feuerwechsel, ein Magazin später geht’s weiter.“

Letzte Rettung

Immerhin sollten euch die Widersacher wie erwähnt keine allzu große Hürde sein. Zumal sie nicht zu den cleversten ihrer Art gehören. Sie gehen zwar in Deckung, umgehen vor allem im späteren Verlauf geschickt eure Position und sind verdammt gute Schützen. So lange ihr euch jedoch umsichtig vortastet und erst dann eure Deckung verlasst, wenn ihr das Gebiet im Nahkampf kontrollieren könnt, geratet ihr selten in Schwierigkeiten. Passt nur auf, dass benutzte Waffen nicht plötzlich klemmen; Ladehemmung sorgen für unnötig stressige – und ungemein coole! – Momente, wenn ihr den Knopf zum Nachladen malträtieren müsst, damit das Schießeisen endlich wieder mitspielt!

Solltet ihr einer Übermacht unterlegen sein, kommt euch übrigens euer zweitbester Kumpel zu Hilfe. Ihr seht dann, wie er oder sie euch stützt, in Sicherheit bringt und eine neue Waffe in die Hand drückt. Schade, dass die Sequenz komplett automatisch abläuft, so dass die Buddys schon mal direkt auf einen Felsen ballern, obwohl hinter ihnen ein Gegner wartet. Abgesehen davon ist es aber eine ausgesprochen elegante Methode, um ein frustrierendes und auf Konsole langwieriges Laden des Spielstands zu vermeiden. Immerhin dürft ihr auf PS3 und 360 nur in bestimmten Gebäuden speichern – was den Ablauf bremsen kann, wenn ihr vor einem Missionsziel auf Nummer sicher gehen wollt… Für die Eskalationen der Gewalt gilt letztendlich, was auch für die Spielewelt zählt: Es sind vor allem die Schauwerte, mit denen Far Cry 2 von sich reden macht.

„Checkpunkt. Soldaten. Jeep. Granaten. Magazin. Weiter, weiter, weiter!“

Nicht schon wieder – jetzt halt‘ doch endlich mal den Rand!

Intermezzi

„Aber ich kann nicht!“

Wieso denn? Du musst dich doch nicht ständig selbst zitieren.

„Ich zitiere nicht mich, ich zitiere das Spiel.“

Aber ich versuche dieses Spiel zu genießen –

die knirschenden Kiesel unter 

meinen Stiefeln, die tief in den Fels eingeschnitten Flussbetten, das Rattern der Kanonen. Und das

geht nicht, 

Fahren, Checkpunkte überfallen, Weiterfahren – mehr hat Far Cry 2 über weite Strecken leider nicht zu bieten.

wenn mich deine ständig wieder kehrenden Checkpunkt-Soldaten immer wieder aus der Illusion reißen.

„Ach!“

Ach?

„Ach – na, was denkst du wie’s mir geht? Ich wünschte, dieses Land wäre eine lebendige Welt. Eine Welt, in der mein Tun irgendetwas bewirkt. Eine offene Welt, die wenigstens so tut, als würde ich nicht nur durch eine virtuelle Tech-Demo rasen.“

So schlimm?

„So schlimm. Oft ist Far Cry 2 grandios – gelegentlich treibt es mich in den Wahnsinn. Man kann zwar, oberflächlich gesehen, tun und lassen, was man will: Kehrt man nach drei Minuten oder nach einem Kilometer aber wieder um – weil man was vergessen hat oder den falschen Weg genommen hat oder von einem Auftrag heimkehrt – steht die Welt auf ‚bevor du hier warst‘. Es interessiert nicht mal, ob du ganze Forts, Dörfer oder Schrottplätze ausräucherst; die kommen alle wieder.“

Das ist ja extrem unglaubwürdig.

„Ach.“

Schade. Solche Inkonsequenzen ziehen sich also wie ein roter Faden durch das gesamte Spiel. So könnt ihr euch z.B. dafür entscheiden, eure schwer verwundeten Kumpels einfach zurückzulassen oder sogar zu erschießen. Das geschah in einer dramatischen Szene, die mir beim ersten Mal die Luft zum Atmen nahm! Warren weiß, wie es um ihn steht, hält sich meine Pistole an seinen Hals – und ich drücke ab. Nachdem die Tat vollbracht war, rauschte nur noch der Wind durch die Wipfel der hohen Bäume. Ich hatte meinen besten Kumpel erschossen und blieb einsam mit meiner Schuld zurück…