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FIFA 06 (Sport) – FIFA 06

Poldi jubelt, Rooney brüllt und Ronaldinho strahlt. Auf dem Cover von FIFA 06 ist die Fußballwelt noch in Ordnung: Der Ball wurde versenkt, die Stars sind glücklich und das offizielle FIFA-Logo kündet von Originalnamen von Chile bis Australien. Außerdem will EA die „Mission“ der jungen Helden mit eurer „Vision“ zu einem magischen Fußballpaket verschnüren. Hört sich fantastisch an, aber leider sieht es auf dem Platz nüchterner aus.

© EA Sports / Electronic Arts

Zäher Spielaufbau

Die Spieldynamik ist zu träge. Wir haben zig Matches ausgetragen, die einfach zu pomadig abliefen. Man passt sich im Zentrum des Platzes wund und der Ball ist zu schnell verloren – selbst bei einfachen Pässen. Nicht, weil man sich nicht konzentrieren würde, sondern weil zu wenig Bewegung da ist. Natürlich kann man das mit etwas Routine umgehen, aber man muss mittlerweile zu viel umständliche Arbeit in einen Spielaufbau investieren, der einen nicht mit Erfolgserlebnissen und faszinierenden Momenten belohnt. Der Aufbau von der Abwehr ins Mittelfeld ist immer noch zu zäh, weil sich vor allem die offensiven Mittelfeldspieler zu selten freilaufen und in den freien Raum vorstoßen. Toppmöller würde seinem FIFA 06-Team vorwerfen, dass es die Bälle nicht antizipiert. Pässe

Die Kulisse ist prächtig, obwohl auf allen Systemen einige hässliche Pappaufsteller ernüchtern.

müssen im Fußball einfach mal erahnt und im Vorfeld erlaufen werden, damit Leben in die Bude kommt. Symptomatisch für die Lethargie sind die vielen gescheiterten Versuche, hohe Pässe in den freien Raum zu spielen: stattdessen versanden sie meist nach ein paar Metern als klägliche Minilupfer. Natürlich kann man das umgehen, indem man sich an die Außenlinie begibt und den Flankenläufer in die Spitze schickt: dann kommt endlich Rasanz ins Spiel! Aber solche Zuspiele müssen auch öfter aus dem zentralen Mittelfeld heraus klappen, damit man dort die elende Statik der Kurzpässe unterbinden kann.

Sprints & Doppeldeckung

Die Trägheit hat allerdings noch zwei andere Ursachen: Erstens kann man kaum einen Unterschied zwischen normalem Lauf und dem Sprint ausmachen, so dass echte Tempowechsel fehlen. Sicher gibt es Stürmer wie Podolski, die auch mal gut vorbeiziehen können, aber das kann man einfach zu selten umsetzen. Mit ein Grund dafür ist auch, dass die Stars kaum Glanzpunkte mit Einzelaktionen setzen können – selbst die KI hält sich mit Dribblings und überraschenden Pässen vornehm zurück. Zweitens attackiert der zweite Verteidiger bei aktivierter Doppeldeckung viel zu lethargisch den Ball führenden Gegner – da muss mehr Biss rein! So tendiert man dazu, lieber selbst die Verteidigung in die Hand zu nehmen und auf das nicht funktionierende Pressing zu verzichten. Das sind übrigens alles Probleme, die wir schon letztes Jahr deutlich angesprochen haben. Warum tut sich da nichts?

Flugkurve & Abpraller

Die Ballphysik ist befriedigend. Gegenüber 2002 hat sich ja bereits viel an der Beschaffenheit des runden Leders getan, aber

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das reicht einfach nicht im Vergleich mit der japanischen Konkurrenz. Immer noch wirken vor allem Kurzpässe wie an der Schnur gezogen und bei den Tempoverzögerungen klebt der Ball förmlich am Fuß der Profis. Immer noch kann man zu raketenhaft aus dem Stand heraus abziehen. Immer noch wirken vor allem Freistöße und Schlenzer ins Eck in ihrer Flugkurve unrealistisch. Außerdem fehlt dem Ball in FIFA 06 diese Unberechenbarkeit, die immer wieder zu neuen Hinguckern führt: Man beobachtet noch zu selten riskante Abpraller, Kerzen beim Rausbolzen oder verunglückte Spezialmanöver. Das führt dazu, dass sich die Spielsituationen zu häufig wiederholen und man sehr schnell alle Schuss-, Trick-, Torwart- und Kopfballszenen gesehen hat. Der Unterschied ist: Wer eine Saison FIFA 06 gespielt hat, kennt bereits alle Kniffe und Szenen. Wer eine Saison PES4 gespielt hat, kennt vielleicht gerade mal die Hälfte.

Torreichtum

Der Bundesligastart der Bielefelder wird im Karrieremodus natürlich auch vom Kicker überwacht.

Noch etwas senkt die Motivation für Langzeitprofis und Veteranen: Man schießt viele gleiche Tore. Schon in der ersten Saison konnte ich mit einem No-Name-Neuzugang achtzehn (!) Kopfballtore nach Schema F hinlegen: Flanke in die Mitte des 16ers, hochsteigen und in die Mitte einnicken. Wenn das ein Kopfballmonster der Marke Ballack gewesen wäre oder wenn ich mit dem FC Bayern gegen eine Oberligamannschaft gespielt hätte, wäre das ja noch zu verschmerzen gewesen. Aber ich bin auf diese auf Dauer langweilige Weise mit dem MSV Duisburg auf mittlerer Schwierigkeitsstufe sofort aufgestiegen. Solche Durchläufe gibt es bei PES4 einfach nicht. Und so etwas bremst die Langzeitmotivation aus.

Porträts & Fangesänge

Natürlich hat FIFA 06 immer noch den großen Lizenzvorteil gegenüber PES5, wo man noch nicht mal die deutsche Nationalelf im Original auflaufen sieht: Hulkor statt Huth? So etwas gibt’s in EAs Kick nicht. Die Transfers bis zum 24. August 2005 wurden integriert – alle anderen könnt ihr schnell und problemlos nachtragen. Aber wenn man schon alle Lizenzen hat, warum versucht man nicht wenigstens so viele Top-Spieler wie möglich ihren realen Vorbildern anzugleichen? Ronaldinho, Zidane & Co sind zwar sofort zu erkennen, aber bei Spielern wie van der Vaart, Lahm oder Ricken sieht man kaum bis gar keine Ähnlichkeiten.

Und bei kahl rasierten Profis zeigen sich auf allen Systemen hässliche Texturfehler: Sie haben deutliche Lücken in der Frisur, die gerade bei Zeitlupen negativ auffallen – wie schon letztes Jahr. Man müsste diese Fehler in der Portät-Datenbank endlich beheben und sie ordentlich aufstocken.

Im ersten Spiel gibt’s vergebene Chancen en masse…

Immerhin freut man sich über die Atmosphäre im Stadion. Aber trotz der insgesamt guten, sehr stimmungsvollen Fan-Kulisse: Warum muss man seit Jahren (!) immer wieder falsche Gesänge hören? „Ruhrpott“-Rufe in einem Spiel zwischen Fürth und Hamburg oder „Es gibt nur einen Rudi Völler“ in Klinsmann-Zeiten. Warum gibt es nicht aktuellere Schlachtrufe? Damit wäre man viel stärker am Puls der Fußballwelt. Man müsste die Sound-Datenbank von diesen akustischen Fehlern reinigen und konsequent auf frische Gesänge setzen.

Grauenhafte Kommentare

Apropos Akustik: Dieses Jahr sind die Kommentare einfach verdammt schlecht – selbst PES4 ist eine Klasse besser. Nicht unbedingt, was die Aussprache oder Emotionen angeht, sondern das Timing. Okay, man kann Kommentare abschalten, aber sie prägen die Kulisse und sind vor allem für die Karriere im Einzelspielermodus wichtig, denn sie geben Feedback. Das, was das Duo Patrick Wasserzieher und Thomas Hermann da abliefert, ist peinlich: Da ist von „einem Schuss aus 30 Metern“ die Rede, als man gerade im Strafraum zu einem Schlenzer ansetzt. Da wird von „Querpässen“ gesprochen, obwohl es sich eindeutig um Flanken handelt. Da heißt es plötzlich „Das ist ja wie im richtigen Fußball“ – kann man die Illusion einer realistischen Spielwelt besser zerstören? Und den Vogel schießen die beiden im Manager-Modus ab: Ich spiele gegen den Tabellenführer. Ich gewinne. Mein Neuzugang schießt drei Tore. Und wie lautet die Analyse? Während Hermann meine Leistung bejubelt, erzählt Wasserzieher etwas von einer Enttäuschung und davon, dass ich meine Neuzugänge nicht richtig integriert hätte – arggh! Diese sprachlichen Flachpässe rauben FIFA 06 vor allem für Einzelspieler, die Fußball mit all seinem Zauber aufsaugen wollen, sehr viel Atmosphäre.