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Football Manager 2009 (Sport) – Football Manager 2009

Eine Fußball-Mannschaft hat elf Spieler, eine Partie dauert 90 Minuten, am Ende wird der FC
Bayern deutscher Meister und die Manager-Szene wird hierzulande von EAs FM-Serie regiert. Es gibt Regeln im Lieblingssport der Deutschen, die unumstößlich sind. Doch es war nicht immer so. In den 70er und 80er Jahren z.B. machten Gladbach und der HSV den Bajuwaren das Leben schwer. Und bis vor wenigen Jahren sorgte Sports Interactive mit einer visuell spröden, aber inhaltlich ungemein mächtigen Trainersimulation für potente Konkurrenz. 

© Sports Interactive / Sega

Weniger glücklich bin ich allerdings, dass zusammen mit den neuen Rechen-Routinen auch die neuen Fehler in der in den letzten Jahren überzeugenden 2D-Matchengine auftauchen. Dazu gehören z.B. unnatürliche Rudelbildungen, die von Zeit zu Zeit auftreten. Ich für meinen Teil habe selbst bei Spielen in der Pampers-Liga (F-Jugend) nie gesehen, dass sechs Spieler gleichzeitig auf den Ball zustürmen. Auch der zum Goalie zurück gespielte Ball, den er dann eine gefühlte Ewigkeit vor seinen Füßen liegen lässt, bevor er ihn wieder nach vorne schlägt, ist neu im FM-Universum.

Auch neu, aber größtenteils positiv sind die zuschaltbaren Fenster mit weiter führenden Informationen, die über das Spielfeld gelegt werden können. Eine Übersicht der Spielstatistiken gehört z.B. dazu, eine Anzeige über Fitness und derzeitige Note eurer Spieler, ja selbst der momentane Motivationseindruck kann eingeblendet werden.

Infos im Excel-Stil: Die Übersichtlichkeit mag leiden, doch inhaltlich ist der FM 2009 die nach wie vor beste „Trainer-Simulation“ im eigentlichen Sinne.

Einzig das Feedback-Fenster des Co-Trainers gibt Anlass zur Klage, da hier unter Umständen widersprüchliche Aussagen auftreten. So kann es passieren, dass ein Spieler sowohl bei der Bewertung als auch hinsichtlich der Motivation eindeutig positive Eindrücke hinterlässt, euer Co-Trainer aber dennoch der Meinung ist, dass er eigentlich besser ausgewechselt werden sollte.
Doch wie wir ja alle wissen, ist irren menschlich und letztlich trefft ihr und nur ihr alleine die Entscheidungen. Ob ihr euch dabei auf die Aussagen des Co-Trainers verlasst, auf die akkumulierten Statistiken oder auf eure eigenen Augen, die das Spiel und die Akteure beobachtet haben, liegt an euch.

Erschreckend realistisch

Bei all den gerade erwähnten Mankos, darf man allerdings eines nicht vergessen: Das alles ist Jammern auf hohem Niveau. Denn wenn ich einige Spiele aus der umfangreichen Testphase anschaue, ist es sehr beeindruckend, wie realistisch der FM das Geschehen auf dem Platz simuliert.
Nehmen wir z.B. das Match gegen die Werkself aus Leverkusen. Die Mannen von Trainer Labbadia brannten ein wahres Offensiv-Feuerwerk ab, bei dem ich als Coach des HSV nur noch hilflos zusehen konnte, wie Helmes, Kießling und Co. insgesamt zehn Mal in den ersten 20 Spielminuten auf „mein“ Tor schossen. Folgerichtig fiel auch in dieser Phase das erste Tor. Überhaupt blieb die Begegnung weitestgehend einseitig. Leverkusen traf bis Mitte der zweiten Hälfte sogar noch zwei Mal Aluminium. Aber das schöne am Fußball (wie man auch am Beispiel Hoffenheim aktuell sieht) ist die Unberechenbarkeit: Trotz aller Überlegenheit auf Seiten von Bayer 04 konnte meine Mannschaft noch das Unentschieden „erzwingen“.

Auch die taktischen Änderungen, so z.B. nachdem eine Mannschaft durch eine rote Karte einen Mitspieler verloren hat, sich aufrafft, alles noch vorne wirft, dann doch noch den Ausgleich schießt und sich von nun an aufs Beton anrühren konzentriert, werden gut und glaubwürdig dargestellt. Selbst Regeln wie passives Abseits werden akkurat angewendet, so dass die Matchdarstellung trotz der angesprochenen Logikänderungen nach wie vor die glaubwürdigste ihrer Art. Dementsprechend laufen sich die Spieler sogar bei kurzfristigen Einwechslungen erst einmal warm, bevor sie ihre Arbeit auf dem Feld aufnehmen – ein weiteres kleines Detail, das ich angenehm überrascht aufnehme.

Und selbst das Verhalten und die Eigenschaften einiger Spieler hinterlassen einen realistischen Eindruck: Die Geschwindigkeit und die Einsatzfreude eines Ivica Olic haben den Kroaten zu einem Liebling der HSV-Fans gemacht, die über seine technischen Defizite hinweg sehen können. Und genau diese Eigenschaften zeigt er auch im FM: Schnell, immer dabei, wenn es darum geht, den Ball zu erkämpfen, aber manchmal im Abschluss etwas überhastet oder unglückliche Entscheidungen treffend. Und sowohl im Spiel als auch in der Realität (nehmen wir aktuell das Spiel gegen Werder Bremen) überrascht er auf einmal mit einem Hammer, der dem Torwart keine Chance lässt.
Wie schon gesagt: Fußball ist Kopfsache. Aber wenn ein dröges Manager-Spiel es schafft, bei einer zweidimensionalen Darstellung authentische Bilder und Emotionen in meinem Kopf aufzubauen, macht es verdammt viel richtig – selbst wenn die zum Spielgeschehen eingeblendeten Texte sehr rudimentär bleiben und sich nur auf die Nötigsten, weitestgehend neutralen Kommentare beschränken.

Reduzierung auf das Wesentliche

Auch die Entscheidung, den „Manager“ in seinem englischen Sinne und damit als Teamchef und Trainingsleiter zu definieren, war und ist eine gute Wahl. Im Vergleich zu EAs Simulation, in der ihr wahlweise z.B. auch am Stadionausbau oder an der Fanbetreuung etc. beteiligt seid, geht es hier nur um eines: Die Mannschaft.

Das geht sogar so weit, dass über euren Kopf hinweg aus wirtschaftlichen Gründen Spieler verkauft werden – nicht umsonst ist „Der Trainer ist immer ne arme Sau“ eine weitere dieser ominösen Binsenweisheiten, die im Fußball Gültigkeit hat.

Die umfangreichen Pressekonferenzen gehören trotz Wiederholungs-Problemen bei Fragen und Antworten zu den interessantesten Neuerungen der FM-Serie von Sports Interactive.

Das bedeutet allerdings nicht, dass ihr euch im FM 2009 auf die faule Haut legen könnt. Natürlich dürft ihr viele Funktionen von Assistenten erledigen lassen, doch letztlich tragt ihr die Verantwortung. Dementsprechend lohnt es sich, auch in die einfach zu konfigurierende Trainingsgestaltung einzuarbeiten, den Transfermarkt (ggf. den Vorschlägen eurer Scouts entsprechend) zu sondieren und durch gezielte Gespräche mit Presse und Spielern schon im Vorfeld den Gegner und euer Team zu beeinflussen.
Auswahl-Möglichkeiten, Ursache und Wirkung bleiben dabei größtenteils nachvollziehbar. Die größte Ausnahme stellt für mich aber die merkwürdige Verletzungsserie dar, die sich bei mir trotz reduzierten Trainings sowie sonstiger erdenklicher Gegenmaßnahmen über mehrere Saisons verfolgt.

Gelungen sind auch die Pressekonferenzen, die nicht nur deutlich umfangreicher ausfallen, als die sporadischen Einzel- oder Doppelfragen der Konkurrenz. Denn auch hier gilt das Ursache-Wirkung-Prinzip und wenn ihr vollmundig versprecht, offensiv zu spielen, werdet ihr auch daran gemessen. Es kann sogar passieren, dass ihr vollkommen unerwartet mit Fragen zu früheren Aussagen von euch konfrontiert werdet. Und falls man nicht aufpasst und einem Pressevertreter die Kompetenz hinsichtlich der Einordnung bestimmter Spieler abspricht, kann der Schuss auch nach hinten losgehen. Wenn ihr gefragt werdet, ob „XY“ der Spieler der gegnerischen Mannschaft ist, der am meisten Gefahr für euch bedeutet, müsst ihr sogar doppelt vorsichtig sein. Stimmt ihr zu und XY ist nicht die größte Gefahr, leidet eure Kompetenz. Und falls ihr dem Reporter widersprecht, solltet ihr tunlichst eine fundierte Antwort parat und den nächsten Gegner eindringlich studiert haben, wenn ihr nicht als Trainer-Trottel dastehen wollt.
Ein Wermutstropfen bei den Pressekonferenzen ist allerdings die Wiederholungsanfälligkeit vieler Fragen und Antworten. Auf spitzfindige Spielanalysen oder Kommentare im Stile eines Christoph Daum, Jürgen Klopp oder Martin Jol muss leider verzichtet werden.