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Gangs of London (Action-Adventure) – Gangs of London

War Sony neidisch auf Rockstar Games? Die haben mit zweimal Grand Theft Auto schon zweimal fett auf dem Handheld gepunktet. Ob den Entwicklern einfach ein Ableger des hauseigenen Getaway in den Fingern juckte oder der potentielle Gewinn lockte: Mit Gangs of London schielt Sony Europa ganz offensichtlich in Richtung GTA und haucht dem eigenen The Getaway neues Leben ein, bevor Teil drei in Next Generation-Sphären vorstoßen soll – ein Ableger für zwischendurch sozusagen.

© SCEE London / Sony

Es hilft nix!

Es hilft auch nichts, dass ihr zu Beginn zwischen fünf Gangs wählen dürft, die sich mit Werten für Geschwindigkeit, Aggression, Durchhaltevermögen und Treffsicherheit voneinander unterscheiden. Außerdem fahrt ihr z.B. als Mitglied der chinesischen Water Dragon-Triade schneller Auto als die Jamaikaner der EC2-Crew. Warum die Asiaten das Gaspedal stärker durchtreten als die Gangster aus der Karibik ist mir ebenfalls ein Rätsel, aber sei’s drum. Schwerer wiegt die Tatsache, dass es vollkommen egal ist, für wen ihr unterwegs seid: Die Aufträge sind die gleichen und lassen einen roten Faden vermissen, der sie in irgendeiner Form sinnvoll verbindet. Das fängt schon beim Intro an, wo nicht mehr passiert, als dass sich die Gangs in einer Hand voll Bildern vorstellen. Diese und die Comic-Strips vor jeder Mission werden zwar von professionellen Sprechern begleitet und sehen schick aus, sind aber so austauschbar wie Erdnussflips aus verschiedenen Supermärkten.

Nicht einmal die Weltstadt selbst kann überzeugen: Dass sich London grau in grau zeigt hätte ich unter Berücksichtigung der Klischeekiste mit einem Augenzwinkern verkraftet. Aber dass fast jede Straße der nächsten gleicht, 

Fesselndes Minispiel: Die Gangschlacht fordert taktische Könner in einer kniffligen Risiko-Variante.

reißt mich aus der Atmosphäre raus. Da sind schon sämtliche Sehenswürdigkeiten in dem virtuellen Replikat enthalten und ich fahre trotzdem wie ein blindes Huhn an dem monotonen

Einheitsbrei vorbei. Gangs of London sieht gut aus und leidet nicht unter dem späten Einblenden von Objekten sowie Fahrzeugen wie Liberty City Stories. Es sieht aber auch fast überall gleich aus.

Und es klingt grausig. Wer im Stadtzentrum Stimmgewirr, Verkehrslärm, eine plätschernde Themse oder Ähnliches erwartet, spitzt die Ohren vergeblich. Es gibt ein leise rauschendes Etwas (Verkehr), Sirenen von Polizeiwagen und das Summen eures eigenen Motors. Das war’s aber auch schon. Während der Missionen hört ihr übrigens keine Sprachausgabe, sondern lest spröde Textfenster. Nicht, dass in den Aufträgen spannende oder gar überraschende Entwicklungen stattfinden würden – es hätte der Atmosphäre trotzdem gut getan. Dank des belanglosen Gedudels im Hintergrund enttäuscht auch die Musik. Radiosender, Britpop, lizenzierter Soundtrack, GTA? Fehlanzeige.

Erst schlecht, dann gut?

Ich werde Gangs of London meiden, wo es nur geht. Die wahllos aneinander gereihten, zusammenhangslosen, spielerisch wertlosen Aufträge sind selbst die kurzen Ladezeit nicht wert. Nur: Wieso krame ich dann doch immer wieder die PSP hervor und schmeiße die UMD ins Laufwerk? Schizophrenes Verhalten? Nicht bei mir! Denn Schuld haben die Entwickler, die neben das völlig belanglose Spiel einen ansehnlichen Stapel unterhaltsamer Minispiele packen – einschließlich acht Versionen der Freien Fahrt durch London, einem Pub mit Kegelbahn, Billardtischen (britisches oder amerikanisches 8-Ball), Dartscheibe und Spielautomat sowie der taktischen Gangschlacht.

Letztere macht euch zum Bandenchef und lässt euch auf einem in mehr als 30 Bezirke unterteilten Stadtplan Gangster anheuern und so über die Karte schieben, dass ihr euch Runde um Runde zum Boss von London aufschwingt. Jeweils drei Züge habt ihr pro Runde frei – dazwischen kauft ihr Rekruten und spezielle Karten, mit denen ihr z.B. feindliche Truppen-Bewegungen oder die Anzahl gegnerischer Gangster reduzieren könnt. Klingt völlig banal,

Eine entspannte Runde Billard gefällig? An einer PSP dürft ihr sogar zu zweit einlochen.

spielt sich aber flott und ist dank drei Schwierigkeitsgraden sowie einstellbaren Siegbedingungen sogar richtig anspruchsvoll. Risiko in London – ich find’s klasse.

Bullseye!

Ebenso cool sind die Minispiele im Pub, wo ihr jeweils Schussrichtung und -stärke vorgebt, um den Dartpfeil ins Zentrum zu schießen, möglichst viele Kegel abzuräumen sowie Billard-Kugeln zu versenken. An dem Spielautomaten erwartet euch hingegen eine Variante des Oldies Snake. Wahlweise dürft ihr überall zu zweit antreten – allerdings nur an einem Handheld. Wer gerne über WiFi zockt, guckt leider in die Röhre. Dafür haben sich die Entwickler für Snake etwas Witziges einfallen lassen: Spieler eins greift die PSP an der rechten Seite, Spieler zwei an der linken, so dass der eine die Richtungstasten nutzt und der andere die Buttons. OK, es ist Snake und damit nicht mehr zeitgemäß; trotzdem macht es für ein paar Minuten Laune. Die einzige Möglichkeit, über WiFi zu kommunizieren, habt ihr übrigens mit der Game Sharing-Demo: Diese erzeugt einen Level in einer U-Bahn-Station, wo für jeden, dem ihr das Spiel schickt, eine andere Mission – abhängig von der Seriennummer seiner PSP – erstellt wird. Die Idee ist cool, aber letztlich spielen sich die Aufträge grundsätzlich gleich und wer hat schon mehr als zwei Handhelds parat, um daraus einen echten Nutzen zu schlagen?

Auch in der Freien Fahrt verging die Zeit schneller als mir lieb war, denn dort seid ihr entweder ohne Ziel in London unterwegs und dürft sowohl Verkehrsaufkommen als auch Polizeipräsenz sowie Fußgänger-Anzahl einstellen oder ihr klappert im Taxi Wegpunkte ab, sammelt mit dem Zerstören öffentlichen Eigentums Punkte, flieht vor den Cops, knipst als Tourist (im Hawaiihemd) Sehenswürdigkeiten, dürft einige Minuten lang die zulässige Mindestgeschwindigkeit nicht unterschreiten und müsst in „Vier Wochen Später“ die Stadt von Zombies säubern. Offensichtlich haben die Entwickler wenigstens Sinn für Humor – den haben sie bei den zu erwartenden Reaktionen auf ihr Werk aber auch dringend nötig.