Zum einen weil das toll designte Gelände letztlich zu wenig Auswirkungen auf die eigene Taktik hat. Ja, es beeinflusst die Marschweite der Truppen – man kommt deutlich weiter auf Straßen. Ja, von Hügeln herab und in Wäldern bekommt man als Angreifer oder Vertediger spezielle Boni. Außerdem darf man nicht einfach so in die Kontrollzone eines Feindes, denn dann muss man mit Annäherungsfeuer leben. Aber weder spielen Versorgung im Rückraum noch Sichtlinien ins Vorfeld, forcierte Gewaltmärsche, Hinterhalte oder gewählte Formationen eine Rolle. Ohne einen Nebel des Krieges sieht also jeder sofort jede Truppe, auch wenn sie sich hinter einem Hügel annähert; hier hätte man sich vielleicht am Überraschungsprinzip der „Block Wargames“ à la Julius Caesar orientieren sollen, die den Typ sowie die Stärke des Gegners erst bei Kontakt offenbaren. Natürlich widerspricht das dem Kalenderprinzip, indem man alle Einheiten der kommenden Stunden einsehen kann, aber das hätte man entsprechend anpassen oder in einem separaten Spielmodus anbieten können – General Lee wusste auch nicht zu jeder Zeit, wer wann erscheint.
Bewegt man eine Einheit, werden erreichbare Punkte angezeigt, wo sich die stilisierten Icons der vier Truppentypen (Infanterie, Kavallerie, Artillerie, Pferde-Artillerie) dann voll automatisch ausrichten. Meist nachvollziehbar, aber leider nicht immer ganz plausibel z.B. als defensiver Kreis, obwohl der Gegner lediglich auf einer Seite sichtbar ist und man die Linie bevorzugen würde. Außerdem erweist sich gerade beim Aufmarsch die relativ kleine regionale Karte als hinderlich: Obwohl man auf Seiten der Konföderierten z.B. gerne über den Südwesten auf Gettysburg marschieren würde, ist das aufgrund des künstlichen Kartenendes nicht möglich – hier hätte nur etwas mehr Größe für mehr strategische Freiheit sorgen können. Und wenn man bedenkt, dass jetzt primär für PC designt wurde, wirken sowohl die Benutzeroberfläche als auch Kameraführung alles andere als optimal; wenn neue Truppen erscheinen, muss man stets nachjustieren und man vermisst auch Kleinigkeiten wie intuitiv eingeblendete Schussreichweiten; für die Streuung der Artillerie muss ich zusätzlich drücken.
Zufall entscheidet über Manöver
Warum stören hier Dinge, die bei Desert Fox und Co nicht so ins Gewicht fielen? Gerade weil die dargestellte Topographie so viel geländetaktisches Potenzial anbietet, ist man angesichts der bescheidenen praktischen Möglichkeiten letztlich ernüchtert.
Außerdem weicht auch das eigentlich kreative Zufallsprinzip von jenem im Zweiten Weltkrieg ab. Zwar darf man wie gewohnt in einem Kalender nachschlagen, zu welcher Zeit man selbst sowie der Gegner mit welchen Verstärkungen rechnen kann, so dass man durchaus vorausschauend planen kann. Aber sowohl Spieler als auch KI dürfen pro Zug, der jeweils eine Stunde simuliert, nur eine spezielle Auswahl an Einheiten bewegen – also nicht alle sichtbaren, sondern die jeweils ausgewürfelten. Auch der Angriffsbefehl muss quasi als Würfel fallen.
Diese Ungewissheit sollte theoretisch für mehr Spannung sorgen, denn man muss sich je nach Ergebnis umorientieren. Allerdings wirkt das hier viel strenger als noch in Desert Fox, wo ich mich in meinem Zug aus einem gewählten Gebiet heraus alle Truppen bewegen und quasi immer kämpfen konnte – so hatte man deutlich mehr Flexibilität und Freiheit sowie klarere geostrategische Optionen. Hier kann man über mehrere Runden einfach Pech haben und die Kavallerie steht still oder eine klar mögliche Umzingelung oder Flankierung scheitert an nicht aktivierten Truppen. Immerhin wird das etwas ausgeglichen, indem man immer ein ganzes nach römischen Zahlen geordnetes Regiment zufällig bewegen darf, das wiederum aus mehreren Einheiten bestehen kann. So kann man dann mehrere Marsch- oder Angriffsbefehle in freier Reihenfolge erteilen. Interessant ist auch, dass der Angreifende drei Vorteile hat: Er kann sich freiwillig zurückziehen, er kann im Vorfeld die Kanonen sprechen lassen und er kann nach einem Sieg in das Feld nachsetzen. All das sollte man bei seinen Überlegungen in der Offensive genauso berücksichtigen wie die Aufteilung der Kräfte, falls man von mehreren Seiten umringt wird – dann verliert man an Schlagkraft. Wie laufen die Kämpfe ab?
Spartanische Gefechte
Die Abwicklung der Gefechte ist traditionell extrem spartanisch, denn bis auf etwas Qualm, Geschrei und Verlustanzeigen sieht man nichts. Ich meine damit natürlich kein animiertes Handgemenge, sondern plausible taktische Gewinn- und Verlustanzeigen, so
dass man das Ergebnis besser nachvollziehen kann – das haben die Shenandoah Studios in The Battle of the Bulge mit dem „Combat Preview“ wesentlich besser gelöst, der schon im Vorfeld eine schematische Gegenüberstellung der Kräfte bot, so dass man ins angenehme Grübeln kam; hier kann man lediglich die Ergebnisse in einer sterilen Anzeigen mit Prozentangabe aufklappen. Auch die aktuelle Zahl der Siegpunkte wird nicht elegant in jeden Zug integriert, sondern in ein externes Menü verlagert.
Es gibt natürlich statistische Unterschiede innerhalb der Truppen von Neulingen bis zu Veteranen und Elite, also Erfahrung in sechs Stufen, außerdem hinsichtlich der Schlagkraft, aber selbst diese wenigen Feinheiten gehen irgendwie unter. Überhaupt hat man mitunter Probleme mit den ausgewürfelten Auswirkungen, denn die Artillerie feuert manchmal aus nächster Nähe mehrmals ins Leere und so manche Flucht aufgrund von Moralverlust wirkt angesichts der sichtbaren Verstärkung nicht nachvollziehbar. Oder anders: Man fühlt sich weitgehend wie der Beobachter eines automatisierten Geschehens. Was natürlich nicht stimmt, denn man
Schade ist, dass man lediglich drei sterile KI-Stufen wählen kann, die sich zwar durchaus in ihrem Anspruch unterscheiden, aber das geänderte truppentaktische Verhalten über feindliche Generäle hat mir in früheren Spielen deutlich besser gefallen. Online ist so gut wie nie etwas los und ich konnte bisher keine vernünftige Partei spielen, zumal man auch kein eigenes Spiel mit unterschiedlichen Parametern aufsetzen kann, sondern lediglich in vorhandene einsteigen bzw. einladen kann. Übrigens gibt es unter „More“ und „History“ eine historische Einbettung dieser berühmten Schlacht samt seiner Generäle Lee und Meade. Aber auch das wirkt im Vergleich zu den bisherigen Titeln etwas lieblos.
Also ich finde dieser Test tut Slitherine ein bisschen Unrecht und erwähnt auch überhaupt nicht daß Shenandoah bereits Pleite gegangen war.
Hier mal eine Zusammenfassung von Iain McNeil von Slitherine (letzter Post):
http://steamcommunity.com/app/365560/di ... 860598597/
Dann besser ab zu "Ultimate Generals: Civil War (Oder das ältere Gettysburg)"
Überhaupt, wo bleibt der test zu UG:CW, dieses wunderbare Juwel ist nun schon ein paar Wochen aus der EA Phase draussen.
Sehr, sehr schade. Mit Ballte of the Bulge hatte ich seinerzeit richtig viel Spaß. Die Nachfolger konnte ich dann leider mangels iPad nicht mehr spielen. Hatte immer gehofft, dass es noch irgendwann mal Android Umsetzungen gibt. Diese kann ich mir jetzt wohl entgültig aus dem Kopf schlagen.
Schade. Nicht, dass ich darauf gewartet hätte, hab das erste mal davon gehört, aber das hätte was werden können. Andererseits wird man darüber auch nicht unbedingt arm. In einem schwachen Moment werde ich wohl trotzdem zugreifen.