Oops, they did it again!
In nicht allzu entfernter Zukunft hat sich die Menschheit fast selbst vernichtet. Wer oder was den Ausschlag für die alles zerstörenden atomaren Angriffe gab, ist dem Story-Erfinder egal, der fiktive Ist-Zustand zählt: Sämtliche Errungenschaften der einst so glorreichen Zivilisation sind passé. Der blaue Planet ist eine trostlose Wüste, trotzdem gibt es eine Hand voll unerschrockene Helden, die versuchen eine neue bessere Welt zu erschaffen…
Steinzeit-Kulisse
Nicht nur die Menschheit bombte sich in die Steinzeit zurück, auch das technische Grundgerüst von Ground Zero: Genesis of a New World orientiert sich an der prähistorischen Epoche. Schon die Charakter-Erstellung lässt Böses erahnen, da ihr euren Helden aus drei eckigen und grobkörnigen Körperteilen zusammenschustert und das Gesamtkunstwerk zu guter Letzt mit einem hässlichen Quadratschädel vollendet. Mit der Hoffnung den unansehnlichen
Protagonisten nicht mehr in der Nahansicht wieder sehen zu müssen, beginnt das jämmerliche Spektakel – und ja, ihr müsst ihn weiter ertragen.In der postapokalyptischen Einöde werden erstmal neue Leute rekrutiert und ja: An die braun/sandige Farbkulisse müsst ihr euch gewöhnen.
Zumindest die postapokalyptische Stimmung haben die Entwickler gut eingefangen, schließlich sind alle Objekte auf der Karte trist und bestehen nur aus den nötigsten Polygonen und Grafikfehlern (bei Wettereffekten wie Regen). Die Häuser, Kisten und Gegenstände sehen sowieso alle identisch aus und wiederholen sich gleich mehrfach auf der ersten Karte. Durch diese öde und vollkommen von liebenswerten Feinheiten befreite Landschaft staksen (das Wort „laufen“ passt angesichts der dürftigen Animationen nicht mehr) eure Protagonisten. Sogar die isometrische Grafik bei Fallout 2 oder Jagged Alliance 2 sieht an vielen Stellen besser aus als Ground Zero, während Soldiers of Anarchy fast ein ganzes Jahrzehnt mehr Grafikpracht bietet.
Helden aus der Zweiten Reihe
Wie im unzureichenden Tutorial gelernt, rekrutiert ihr im ersten Dorf einige Leute für euer Team aus den Berufsklassen „Söldner“, „Techniker“, „Doktor“, „Sammler“ oder „Jäger“ und durchstöbert die Gegend nach Kisten, weil alle Gegenstände werden in der postapokalyptischen Zukunft in Kisten aufbewahrt – die ihren Inhalt bereits von weitem dem Mauszeiger offenbaren. Warenhäuser sind sowieso leer und andere [GUI_SPIELLINKS(align=right,SPIELID=4762)]Bauwerke könnt ihr erst gar nicht interaktiv betreten. Geht ihr beispielsweise in das Arzthaus, erscheint prompt ein extrem hässlicher und verwaschener 3D-Hintergrund, der eine „Praxis“ darstellen soll und in der Mitte klebt ein Dialog-Fenster, um mit dem Doktor belanglose Sätze zu wechseln.
Generell müsst ihr euch um die Nahrungs- und Wasserproduktion in den Städten kümmern und mit euren Helden solche High-Tech-Dinge wie „Echsenfallen“ oder „Wasserpumpen“ im Lager „aufstellen“, um die lebenswichtigen Rohstoffe zu beschaffen, ohne die eure Leute regelmäßig das Zeitliche segnen – gleiches passiert bei einer Überdosis an Radioaktivität. Um die Zutaten für die Echsenfallen zu bekommen, müsst ihr im Regelfall die Umgebung nach Kisten absuchen und bastelt die Teile dann zusammen oder besorgt euch Einzelkomponenten im Tauschhandelsprinzip und legt sie in euer wunderbar Deutsch übersetztes „Inventory“ ab – immerhin lässt sich das (viel zu kleine) Inventar am linken Bildschirmrand simpel bedienen. Die Nahrungsproduktion müsst ihr
übrigens in rund 20 Städten (inklusive Reiserouten zwischen den Dörfern) aufbauen, aufrechterhalten und gegen feindliche Übergriffe beschützen, wobei manche Städte von Anfang an in der Hand von irgendwelchen bösartigen Gruppen sind. Auf der Sektorkarte bewegt ihr euch zwischen den Lagern hin und her.
Kampfsystem
Richtig übel wird es erst, wenn ein Kampf entbrennt. Die komplett in Echtzeit ablaufenden Prügel- oder Schießereien lassen so gut wie jeglichen taktischen Tiefgang vermissen, weil es schlichtweg an Optionen und Handlungsmöglichkeiten fehlt; abgesehen von wenigen Fallen der Techniker. Eure Kämpfer können sich nicht mal auf den Boden legen oder eine Deckung gescheit nutzen – keine Panik, die Feinde können ebenfalls nichts. Ein Fernangriff mit einer AK47 überredete beispielsweise den unbewaffneten Gegner in den Nahkampf zu gehen und nicht sinnvollerweise wegzulaufen.
Tritt ein Charakter gegen einen computergesteuerten Gegner an, kann das Duell halbwegs gut kontrolliert werden. Sobald mehrere Leute am Kämpfen sind, enden die Schlachten in einer heillosen Echtzeit-Hektik (und mit haufenweise über den Köpfen der Soldaten aufblitzenden verlorenen Trefferpunkten), in der ihr keinesfalls den Über- oder Durchblick behaltet. Zumindest gewinnen die Charaktere an Erfahrung und verbessern sich, aber ansonsten ist das Kampfsystem so ziemlich das Miesteste und Undurchdachteste, was ich in den letzten Jahren gesehen habe.Video zu Ground Zero
Video: Gameplay-Trailer (Laufzeit: 3:02 min)
Die "Entwickler" hätten das Spiel gleich als Burntime 2006 publizieren können. Denn genau das ist es. Das Anheuern von Mannen mit Futter, beinahe alle Berufsgruppen, sicher auch diverse Baupläne, ne Menge Items, das Reisesystem, das Einnehmen von Orten, die Wassergewinnung, Nahrungsgewinnung ... Ich könnte ewig weitermachen.
Nur etwas hat man hier vergessen zu kopieren: Flair, Charme und Stimmung. Ground Zero schafft in keinster Weise die bedrückende Atmosphäre des Endzeit-Amigaklassikers Burntime aus dem Jahre 1993 einzufangen.
Grafisch bietet das Spiel wie schon im Test gesagt nur altbackene Grafiken. Die aufziehenden Sandwindchen ab und an sind mal ne nette Abwechslung in dem sonst monotonen grafischen Tiefschlag.
Ein ganz großer Lacher und eine Spielebox mehr, die vor sich hin vegetiert. Schade.
Fazit: Ideenklau mit sehr schlechter Umsetzung. Wirklich keine Meisterleistung. Somit der Test und die Prozente absolut gerechtfertigt.