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Harveys Neue Augen (Adventure) – Harveys Neue Augen

Drei Jahre nach dem urkomischen Überraschungshit Edna bricht aus widmet sich die Hamburger Adventure-Schmiede Daedalic erneut dem skurrilen Humor: Diesmal bremsen weder umweltpolitische Botschaften noch romantisch verschnörkelte Kulissen die Gags von Hausautor Jan „Poki“ Müller-Michaelis aus: Es gibt ungeklärte Todesfälle, Zensur-Gnome, transzendentale Ausflüge ins Unterbewusstsein – und eine brave Klosterschülerin, die mehr mit dem Chaos zu tun hat, als ihr lieb ist.

© Daedalic / Rondomedia

Er ist bööööööseee!

Als Edna davon hört, dass ein Psychologe erzieherische „Persönlichkeitsveränderungen“ an den aufsässigen Schülern vornehmen soll, vermutet sie sofort ihren alten Erzfeind, den Anstaltsleiter Dr. Marcel, hinter der Aktion. Also macht sie das, was alle furchtlose Schulrabauken in dieser Situation täten: Sie verkriecht sich schnurstracks unter der Bettdecke und lässt Lilli die Drecksarbeit erledigen.

Gespräche werden mit kleinen Symbolen vertieft oder verlassen. Auch ein paar Dialog-Rätsel müssen gelöst werden.

Gespräche werden mit kleinen Symbolen vertieft oder verlassen. Auch ein paar Dialog-Rätsel müssen gelöst werden.


  Vor der Ankunft des Doktors schlurfe ich mit Lilli über das Grundstück und versuche, alle Beweise für Ednas Anwesenheit verschwinden zu lassen: Dabei handelt es sich um verlorene Knallfrösche, einen in harte Baumrinde geritzten Freundschaftsschwur und weiteren Kleinkram. Um an die Beweise zu gelangen, häuft Lilli zunächst einmal jede Menge Gegenstände in ihrem Inventar an; bis zu 21 Dinge passen hinein. Alles Eingesammelte erfüllt diesmal auch eine Funktion: Wenn etwas nicht zusammen passt, teilt der Sprecher mir das mit und gibt meist zusätzlich einen süffisanten Gag zum Besten. Es gibt also viel weniger Möglichkeiten, sich in eine Sackgasse zu verrennen. Der Experimentierfreude werden dadurch natürlich engere Grenzen gesetzt, aber Fans großer Areale kommen trotzdem auf ihre Kosten: Ich grase gemütlich das Klosterschulgrundstück ab, entdecke hier und da etwas Neues und löse nach und nach immer mehr Inventarrätsel.

Dezente Hinweise

In diesem Spiel gibt es jede Menge davon – so dass ich insgesamt rund zwölf Stunden bis zum Abspann brauchte. Je nach Erfahrung kann es aber auch einige Zeit mehr oder weniger dauern. Wenn ich einmal feststecke, hilft es meist, das Inventar näher unter die Lupe zu nehmen oder andere Personen in Gespräche zu verwickeln. Sie geben fast immer dezente aber wertvolle Tipps. Ein Hilfesystem habe ich daher nicht vermisst. Es gibt zwar einige knackige und äußerst abgedrehte Rätsel, mit etwas Geduld und Kombinationsgabe kommt man aber fast immer ans Ziel.

Eine besondere Design-Entscheidung ist der intensive Einsatz des Erzählers: Lilli ist von Haus aus introvertiert, doch selbst wenn sie sich einmal mitteilen möchte, kommt sie nie zu Wort. Entweder die Oberin schimpft vorher mit ihr, Edna nimmt ihr einen Gedanken aus dem Mund oder ihr Gesprächspartner findet eine anderen Weg, ihr nach nur einer gesprochenen Silbe über den Mund zu fahren. Im Endeffekt kommt sie im kompletten Spiel nie richtig zu Wort, auch wenn sie – wie im Unterricht – noch so rührend den Finger in die Luft reckt. Da natürlich trotzdem allerlei Gedanken in ihrem Kopf herumschwirren, übernimmt der Erzähler die Aufgabe, sie dem Spieler mitzuteilen.

Schadenfreude ist die schönste Freude!

Der trashige Zeichenstil passt prima zum Humor. In den sehr schlicht geratenen Nahaufnahmen ist Daedalic aber übers Ziel hinausgeschossen.

Der trashige Zeichenstil passt prima zum Humor. In den sehr schlicht geratenen Nahaufnahmen ist Daedalic aber übers Ziel hinausgeschossen.

Die ausgiebigen Sprecher-Monologe sind ein echter Glücksgriff: Die besten Witze ergeben sich durch die Situationskomik. An jeden noch so unbedeutenden Nebensatz hängt der Erzähler zum Abschluss einen trockenen Kommentar. Natürlich lässt er es sich nicht nehmen, vorher eine kleine Atempause einzulegen: „Lilli fand Ednas Selbstportrait sehr gelungen. Sie hätte ihren rechten Arm dafür gegeben, auch so zeichnen zu können. Leider war sie nicht stark genug, um durch den Knochen zu kommen.“ Besonders unterhaltsam sind jene Szenen, in denen Lillis sklavisches Festhalten an der Etikette mit den Rachefantasien ihres Unterbewusstseins aneinander gerät. Es ziemt sich schließlich nicht, jemanden zu wünschen, dass eine Tarantel Eier in seine Augenhöhlen legt. Da kann er noch so gemein sein, ein braves Mädchen denkt so etwas nicht.

Rührend auch, wie selbstlos Lilli sich um das Wohlergehen ihres Schwarms kümmert. Und das, obwohl der vergötterte Mitschüler ihr gerade einen Liebesbrief an eine hübsche, aber extrem dümmliche Nebenbuhlerin in die Hand gedrückt hat: „Lilli wollte das junge Glück nicht stören. Bald würden sie sich anfangen zu hassen. Und vor lauter Kummer würden Shys Haare ausfallen.“ In solchen Szenen merkt man, dass Götz Otto der perfekte Mann für die Rolle des Erzählers ist.  „Es waren wohl doch keine Milzbrand-Erreger in dem Brief gewesen.“ erzählt er mit ruhiger Stimme, und fügt mit einer Mischung aus Ironie und Resignation hinzu: „Welch ein Glück!“ Auch die übrigen Sprecher erledigen ihren Job um einiges besser als im Vorgänger, auch wenn nicht so viele bekannte Namen engagiert wurden wie z.B. in The Book of Unwritten Tales.

  1. Diabolus-Dark hat geschrieben:
    Die Enden fand ich allerdings richtig schlecht und sie hatten auch ein paar Logiklöcher:
    Spoiler
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    Woher wusste Lilli von Edna wenn sie ihr nie begegnet war? Woher wusste sie von den Geheimgängen im Kloster wenn niemand ihr diese gezeigt hat? Wo kam der Ballon mit Ednas Gesicht her wenn sie nicht existiert? Wer hat das Tagebuch geschrieben? Die Schnitzerei im Baum? Woher kamen die Nachrichten die Edna hinterlassen hat? Wieso wusste Lilli das Edna und Harvey sich kennen? (Das Harvey am Ende mit Lilli gesprochen hat wäre ja dadurch erklärt das Lilli ihn sich auch nur einbildet. Hab mich in dem Moment auch gefragt wie sie mit ihm sprechen kann wenn er doch nur in Ednas Kopf lebt und wieso sie ihn sich genauso vorstellt wie Edna es tut). Wieso wusste sie wie sie die Blockaden wieder aufheben kann?
    Spoiler
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    Schonmal überlegt, dass sie sich auch die ganzen Beweise eingebildet hat? ;)
    Edit: Fällt mir gerade auf, dass es Unsinn is, sie jagt damit ja die Taube hoch :D
    Ganz, ganz großes Spiel, bereue den Kauf in keinster Weise. Werd mir als nächstes The Whispered World reinfahren.

  2. S3bish hat geschrieben: Frage: Kommt es bei Steam? Habe keine Lust auf Lieferung und Verpackungen ;).
    Zum Glück ist Daedalic oder Rondomedia (wohl eher letzteres weil Puplisher?) zumindest bei Harvey noch nicht dazu übergegangen ihre Seele an Steam zu verkaufen und bringen es ohne Pestbeulen auf den Markt.
    Wäre echt schade gewesen wenn ich es nicht hätte spielen können. Auch wenn es nicht der Knaller war, verpasst hätte ich wohl was.

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