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Haze (Shooter) – Haze

Obwohl die PlayStation 3 mittlerweile gut eineinhalb Jahre in Europa erhältlich ist, hält sich das Angebot an Shootern in deutlichen Grenzen – exklusive Titel sind noch viel seltener zu finden. Doch das britische Team von Free Radical (TimeSplitters-Serie) schafft Abhilfe. Wie schlägt sich das vermeintliche Anti-Kriegsspiel, das euch in einen Konflikt in gar nicht all zu ferner Zukunft wirft?

© Free Radical / Ubisoft

Die ganzen Spielereien und Ideen rund um Nektar sowie dessen Vor- und Nachteile wären nur dann sinnvoll, wenn die KI dementsprechend ausgerichtet wäre. Wobei hier von Intelligenz zu sprechen, schon sehr vermessen ist. Denn selbst unter normalen Nektareinfluss sind die Mantel-Soldaten weit von dem Status des Übersoldaten entfernt, den ihr in den ersten Missionen verkörpert habt.
So verkommen selbst Elitetruppen in späteren Abschnitten zu bloßem Kanonenfutter, wenn sie wie aufgereiht auf den Spieler zulaufen und dann mit wenigen Schüssen erledigt werden können.
Einzig die Rebellen-Fähigkeit, sich tot zu stellen, ist einigermaßen interessant: Da die permanent unter Drogen stehenden Soldaten Leichen nicht wahrnehmen können, hat man als Rebell die Möglichkeit, sich vor dem Ableben durch theatralisches „Zu-Boden-Gehen“ zu schützen. Mit etwas Glück und gutem Timing könnt ihr jetzt schnell wieder aufstehen, die Gegner überraschen und von hinten ausschalten.

Symphonie in Grün-Grau: Die Engine von Free Radical läuft schnell und flüssig, hat aber große Probleme im Texturdetail.

Doch abgesehen davon bietet Haze trotz aller interessanten Ideen und Ansätze herzlich wenig, um sich vom plumpen Shooter-Alltag abzugrenzen. Auch die Möglichkeit, Granaten zu vergraben und so als Minen zum Einsatz zu bringen, ist nur auf den ersten Blick interessant. Denn zum einen dauert es teils erstaunlich lange, bis Shane das Objekt der Begierde eingebuddelt hat – doch das alleine ist nicht mal das Problem. Viel schwer wiegender ist, dass man ungeachtet des Untergrundes die Granaten vergraben kann. Ob Granit oder Stahl: Für Shane mit seinen Wunderklauen stellt das kein Hindernis dar. Und so klein dieses Detail auch scheinen mag, ist dies exemplarisch für viele Spielmechaniken sowie die Welt an sich: Haze beraubt sich seiner Glaubwürdigkeit.

Haze ist für alle da

Dass die Geschichte insgesamt nicht so sehr in Gang kommen mag, liegt vielleicht auch daran, dass der Fokus auf Shane Carpenter als Hauptfigur im kooperativen Kampagnen-Modus etwas verwässert wird.
Hier könnt ihr wahlweise per Splitscreen an zwei Geräten im LAN oder online zu viert Jagd die Story spielen und so zumindest die KI-Schnitzer wegfallen, die euren mit euch mitlaufenden und nicht befehlbaren Gefährten unterlaufen.

Dadurch wird die Erzählstruktur insgesamt zwar nicht besser, aber frei nach dem Motto „geteiltes Leid ist halbes Leid“ kann man sich nach dem gemeinsamen Haze-Erlebnis auf die Schulter klopfen und sich gegenseitig ein Lob aussprechen.

Natürlich finden sich auch Spielmodi, die bis zu 16 Mann in Schlachten von Mantel-Soldaten und Rebellen schicken. Jenseits von Ranglisten-Duellen können sogar noch Bots aktiviert werden, um fehlende Spieler aufzufüllen – was wir angesichts der spärlichen KI-Routinen jedoch nicht empfehlen würden.
Doch egal ob Deathmatch, Team-Deathmatch oder den rudimentär in die Haupthandlung eingebundenen Teamangriff, in dem Missionen erfüllt werden müssen: Das Balancing gibt sich redlich Mühe, den schnell entstehenden Spaß der flotten Duelle im Keim zu ersticken – zumeist erfolgreich.
Denn auch hier wird schnell deutlich, dass Nektar mehr ein Gimmick als eine spielerisch notwendige Ergänzung ist. Obwohl die Droge vom Konzept her das Allheilmittel ist, um die Waage zu Gunsten von Mantel ausschlagen zu lassen, sind die Rebellen im Normalfall immer überlegen – dem Totstellen sei Dank.
Dennoch: Wer sich davon nicht abschrecken lässt, kann das eine oder andere spannende Match erleben. An Kaliber eines Resistance oder Unreal Tournament 3 reicht Haze aber bei weitem nicht heran.

PS2-Relikt?

Ja: Die von Free Radical entwickelte Engine ist schnell und flüssig – auch im Mehrspielermodus. Das ist einiges wert. Aber das ist auch das Mindeste. Denn abgesehen davon hinterlässt sie nur selten einen Eindruck, der PS3-würdig ist. Es ist kaum zu glauben, dass ein Spiel, das gut 18 Monate nach Titeln wie Resistance oder ein halbes Jahr nach Uncharted erscheint, technisch so weit hinterher hinkt. Über Animationen, die hin und wieder unnatürlich aussehen, will ich mich gar nicht

Wenn der Gegner so auf euch zu kommt, ist die Überlebenschance dennoch groß – der suboptimalen KI sei Dank!

aufregen – das kann passieren. Sollte nicht, kann aber… Auch die spröden Explosionen und die spärlichen Partikeleffekte stören mich nicht übermäßig, da ich im Gegenzug von einigen ansehnlichen Bildschirmverzerrungen und Farbfiltern bei Nektareinsatz entschädigt werde.
Und selbst den an die 90er Jahre erinnernden Feuereffekt, der besonders scheußlich beim Rebellen-Flammenwerfer zu sehen ist, kann ich mit vier zugedrückten Augen ignorieren – oder zumindest drauf verzichten, indem ich das gute Stück nicht nutze.

Aber was sich Free Radical im Jahr 2008 hinsichtlich eines Großteils der Texturen leistet, ist schlichtweg unverzeihlich. Weichgezeichnet, strukturlos, flackernd, leblos, teilweise schlimmer als zu besten PS2-Zeiten.
Dabei sind die Abschnitte trotz unverkennbarer Linearität an sich gut designt und teilweise erstaunlich groß. Da zudem nur am Spielstart und beim Neustart nach Ableben geladen wird, entsteht der Eindruck einer umfangreichen Spielwelt.
Doch was nützt mir eine große umfangreiche Umgebung, wenn ich mir eben diese Welt nicht im Detail anschauen kann – selbst wenn ich es gern würde?

Man kann über die Zeichnung der Figuren geteilter Meinung sein, doch die Sprecher sowohl im englischen Original als auch in der deutschen Lokalisierung geben sich reichlich Mühe, die Stereotypen mit Leben zu füllen. Das Ergebnis muss man nicht unbedingt mögen, aber die technische Qualität ist in dieser Hinsicht nicht abzustreiten.
Auch die brachialen Waffeneffekte wissen zu gefallen – etwas, das die dynamisch angelegte Musikuntermalung nur eingeschränkt zu schaffen versteht.