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Kinectimals (Geschicklichkeit) – Kinectimals

Auf der E3 stellte Microsoft die Kinectimals erstmals einem größeren Publikum vor – und konnte zumindest hinsichtlich des zuckersüßen Artdesigns einige „Ooohs“ und „Aaahs“ verbuchen. Jetzt, mit dem Release von Kinect, ist es Zeit zu beweisen, dass die Verantwortlichen um David „Elite“ Braben bei Frontier Games nicht nur die Grafikmuskeln spielen lassen können.

© Frontier / Microsoft

Insel-Idylle

Wieso es einen auf die Insel Lemuria verschlagen hat, bleibt unklar – und letztlich ist es auch vollkommen egal. Was wichtig ist, sind die Mitbewohner, die sich im Wald, auf den Lichtungen oder am Strand herumtreiben: Schnurrende Fellknäuel verschiedener Gattungen, die mit einem Freundschaft schließen und spielen möchten. Ein schwarzer Panther z.B., ein

So süß ist es normalerweise nur beim Zuckerwatte-Shop auf dem Jahrmarkt: Die Katzenbabys sind unheimlich niedlich, sehr sympatisch und dank der Fellstruktur immer ein Hingucker.
afrikanischer Löwe oder ein sibirischer Tiger. Diese haben jedoch ungeachtet der Rassenunterschiede einige Gemeinsamkeiten, darunter ein immenser Spieltrieb und immer ein verspieltes Lächeln auf den Lefzen. Nicht zu vergessen den besserwissenden Lemurenkobold Hummel im Schlepptau, der sich sowohl als sinnvoller Ratgeber als auch Nervbolzen par excellence erweist.

Starker Anfang, starkes Nachlassen

Alles fängt verheißungsvoll an: Man wird auf Lemuria begrüßt, in die vollkommen vernachlässigbare Hintergrundgeschichte eingeführt und bevor man sich versieht, findet man sich im so genannten Freundschaftskreis wieder und hat einige Großkätzchen vor sich, von denen man sich für eine entscheiden muss. Nachdem man in ihre großen Knuddelaugen gestarrt, mit einfachen Handbewegungen ihr in der Sonne glänzendes Fell virtuell gezaust und (am besten aus der 5.1-Anlage) das tief dröhnenden Schnurren vernommen hat, dass dieses Streicheln auslöste, kann es losgehen. Schnell noch über die Spracherkennung dem Fellknäuel, das vor allem bei weiblichen Zuschauern/Spielern immer wieder einen „Ach ist das niiiiiiiiiedlich“-Reflex auslöst, einen Namen geben und schon kann es mit dem Abenteuer losgehen.

Leider gestaltet sich der Rest von Kinectimals herkömmlicher als es am Anfang den Eindruck macht. Großartigen Freiraum beim Wandern über die Insel hat man nicht. Zwar kann man auf einer übersichtlichen Karte neue Standorte auswählen, zu denen man transportiert wird, um sich entweder mit seinem jederzeit überzeugend und verdammt süß animierten Katzenbaby zu beschäftigen oder um Minispiel-Herausforderungen zu bewältigen. Doch freies Umherstreifen gehört nicht zum üblichen Verhalten auf Lemuria.

Schema F

 
Diesen Augen kann man nicht widerstehen. Leider versteckt sich hinter der ganzen Katzen-Spielerei nur eine visuell opulente Minispiel-Sammlung.
Und zwischen den „Reisen“ läuft alles weitestgehend nach Schema F: Man spielt mit seinem schnurrenden Krallenträger, bringt ihm ein paar einfache Tricks wie hinsetzen, hinlegen oder springen bei und bekommt nach und nach Zugriff auf mehr Spielzeug. Mit jedem Griff in die Kiste, der manchmal auch von der Katze erledigt wird und jedem zu Tage geförderten Gegenstand gibt es auch kleinere Aufgaben zu erledigen, die „Aktivitätspunkte“ bringen. Hat man genügend gesammelt, werden besondere Herausforderungen freigeschaltet, zu denen man mit seinem Knuddelvieh wandert – alles wie gehabt in vorgefertigten Szenen. In diesen Minispielen kann man nicht nur eine Medaille, sondern auch bare Münze gewinnen, die wiederum im Shop für neue Gimmicks ausgegeben werden kann. Und damit schließt sich der Kreis, der sich durch das ganze Abenteuer zieht und das Potenzial der ultrasüßen Schnurrer zu einer Minispielsammlung degradiert. Wesentlich ältere Spiele wie so manche Ponyhofsimulation und vor allem Nintendogs für den DS sind deutlich intelligenter designt, was Lernverhalten, Freiraum und Ziele angeht. Es ist schade, dass Kinect innerhalb der Tierspiele eher ein Rückschritt ist.

Schachtelmenüs und gelungene Interaktion

Immerhin muss man Frontier zu Gute halten, dass innerhalb der Aktivitäten und Minispiele die Sensor-Steuerung zumeist gut ein- und umgesetzt wurde. Das Lag wurde dabei weitestgehend minimiert;  und in den Momenten, in denen es spürbar ist, hat es keine Auswirkungen auf das Spielgefühl.

Eine Ausnahme gibt es allerdings: Sobald man aufgefordert wird, etwas zu werfen -vornehmlich Bälle, aber das Problem zeigt sich auch beim Frisbee- wird die Erkennung ungenau und das Ergebnis sind mitunter vollkommen aus der Hand gleitende und damit verspringende Bälle und waghalsige Frisbee-Kurven. Im Gegenzug jedoch ist z.B. das Hin- und Herpritschen von Volley- oder Strandbällen sowohl hinsichtlich der Bewegungserfassung als auch im Bezug auf die
Zum umfangreichen Spielzeug-Repertoire gehören auch mehrere ferngesteuerte Autos!
Umsetzung und die Reaktion des Katzenbabys gelungen. Auch die Reaktion auf Sprache hinterlässt einen guten Eindruck. So kann man den Kinectimals nicht nur Namen geben, sondern auch mit gesprochenen Befehlen dafür sorgen, dass Tricks ausgeführt werden.

Bei den Menüstrukturen jedoch verlässt man sich zu sehr auf die Technik des „Seitwärts-Wischens“. Bis man das entsprechende Spielzeug, die Nahrung oder auch nur die Pflege für sein Viech (man kann es waschen, bürsten, streicheln etc.) gefunden hat, muss man sich umständlich durch Schiebe-Menüs rudern – vielleicht wäre eine Mischung aus klassischer und Radial-Menü-Struktur sinnvoller gewesen.

Und wo wir gerade bei Wünschen sind: Es hätte nicht geschadet, den verschiedenen Großkatzenarten variantenreichere Verhaltensmuster zu spendieren. Denn so ist es unter dem Strich letztlich egal, mit wem man loszieht. Dass bei Nacht alle Katzen grau sind, ist bekannt. Dass auf Lemuria alle Katzen ebenfalls bis auf die Fell-Einfärbung kaum Unterschiede vorweisen, schadet in diesem Fall dem Wiederspielwert.