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Lost – Das Spiel (Action-Adventure) – Lost – Das Spiel

Wusstet ihr, dass Ende des Jahres eine erste deutsche Lost Convention stattfindet? Okay, alles im kleinen Rahmen: In einer Lagerhalle. In Osnabrück. Muss man nicht hin. Aber schon wieder ist aus einer amerikanischen TV-Serie eine Art Kult geworden: Die Serienjünger fiebern jeder neuen Folge wie einer heiligen Botschaft entgegen. Auch Ubisoft möchte sich an der religiösen Ergriffenheit beteiligen.

© Ubisoft Montreal / Ubisoft

Gekettet an die Serie

Absturz auf die Insel: Das Spiel beginnt exakt da, wo auch die Serie anfängt – irgendwo auf einem scheinbar einsamen Eiland.

Ja, ich bin auch ein Junkie. Ja, ich kenne Lost in- und auswendig. Nach Twin Peaks ist das die erste TV-Serie, die mich so lange, so regelmäßig an die Fernsehkiste ketten kann. Dahinter steckt der amerikanische Drehbuchautor J.J. Abrams, der zuvor Armageddon und Alias gemacht und kürzlich Cloverfield produziert hat. Auch wenn er den Bogen der Möglichkeiten in der letzten Staffel etwas überspannt hat und den Faden zu verlieren scheint, kann ich mich der Magie seiner Inselhäppchen kaum entziehen.

Es sind vor allem die markanten Charaktere, die auf mysteriöse Art und Weise miteinander verbunden scheinen sowie die vielen schmackhaften Köder aus Geheimnissen, Sektiererei, Religiösität und Schicksal, die einem im Wochentakt vor der Nase baumeln. Kann Ubisoft diese Faszination auf ein Spiel übertragen, so dass Serienmuffel neugierig werden, die Lost bisher nicht kannten? Nein. Dieses Abenteuer verlangt so viel Vorwissen und ist dazu noch so schnell, so oberflächlich erzählt, was die Natur der Insel und die zwischenmenschlichen Beziehungen angeht, dass man als Neuling immer wieder in Löcher stürzt, in die auch noch fremde Gesichter schauen.

Ihr erkundet zunächst den Strand in der Schulterperspektive: Die Kulisse kann sich sehen lassen, bietet schöne Schatten, idyllisches Licht und bewegte Flora.

Warum versperrt mir der blöde Arzt den Weg? Und warum ist er plötzlich der Chef? Wer zur Hölle sind „die Anderen“? Plötzlich sind sie da und verpassen einem eine Spritze. Was sollen diese Zahlen? Plötzlich muss ich sie drücken. Gar keine Frage: Wer dieses Spiel einschmeißt, wird uns Serienjunkies nicht verstehen und das Spiel stirnrunzelnd in die Ecke feuern. Kann Ubsioft wenigstens für Kenner mehr anbieten als einen voll lizenzierten Kommerzhappen? Ja. Was die Entwickler servieren ist eine Art nostalgisches Heimatgefühl, ein kurzes, aber befriedigendes Coming home für alle, die die Serie lieben. Und wenn Locke jedes von mir gespielte Kapitel vor dem Start des nächsten noch mal mit dem vertrauten „Bisher bei Lost…“ Revue passieren lässt, kommt richtig Freude auf: Ich sehe quasi in einer Art Trailer die Höhepunkte dessen, was ich bisher gespielt habe. Das wäre auch eine gute Idee für so manches 50-Stunden-Rollenspiel!

Coming home

Wen man da nicht alles wieder trifft: Hey, das steht ja Sommersprosse! Wer? Sorry, das ist der Spitzname von Katherine Austen. So wird sie in der TV-Serie von Sawyer genannt. Und sie sieht nicht nur aus wie Kate, sie spricht auch so – freut euch auf einen hohen Wiedererkennungswert und die deutschen Synchronsprecher, die mit ihrer klasse Leistung für viel Atmosphäre sorgen. Gerade diese vertrauten Stimmen sind es, die einen als Kenner sofort ansprechen und heimisch fühlen lassen: Da hinten, da meckert sogar Sawyer rum! Der bärbeißige James funkelt mich an und serviert mir sofort einen seiner liebenswürdigen Sprüche, wenn ich ihn anspreche. Übrigens: Die Mimik kommt zwar nicht an ein Mass Effect heran, aber sie zeigt sehr gut, wann ein Gesprächspartner sauer oder fröhlich gestimmt ist.

Das ist der neue Charakter Elliot. Er sieht aus wie eine Mischung aus Frank West und Sam Fisher. Seine Story wird über Flashbacks erzählt.

Die Gesichter sind bis auf Jack und Desmond fast allesamt hervorragend modelliert, selbst Strand, Dschungel & Co sehen überraschend gut aus – man fühlt sich für einen kleinen Moment sogar an die Wildnis aus Uncharted erinnert: Da bewegen sich Farn und Gräser, wenn ich hindurch stapfe, Licht bricht idyllisch durch die Baumriesen und das Grün scheint unendlich. Die tropische Kulisse ist ebenso ansprechend wie der musikalische Rahmen: Die Klavieranschläge, die Molltöne, das sonore Summen in der Wildnis – die mysteriösen Klänge der TV-Serie sorgen auch hier für angenehm unterlegte Wanderungen.

Wer Lizenztrash befürchtet hat, wird technisch schnell eines Besseren belehrt. Ja, es gibt etwas Tearing, aber unterm Strich hat man vor allem den Dschungel sehr gut inszeniert. Man spürt sogar einen Hauch von Havok, wenn sich Lianen von meiner Schulter bewegen lassen. Aber sobald man frei losziehen will, stößt man im wahrsten Sinne des Wortes an die Grenzen der Spielwelt – der Strand ist streng abgeriegelt, die Szenarien sind klein und werden nachgeladen.