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Lost Judgment (Action-Adventure) – Yakuza trifft Persona 5

Yakuza heißt jetzt Judgment – bzw. Lost Judgment, wenn man den Nachfolger meint, der inhaltlich dort weiter macht, wo Teil eins aufhörte. Ganz offiziell setzt Sega die Yakuza-Serie als Rollenspiel mit Rundenkämpfen fort. Rein spielerisch ist Lost Judgment allerdings viel näher an dem dran, was das Mafiadrama einst ausmachte. Und wie gut diese Tradition diesmal fortgeführt wird, haben wir im Test herausgefunden.

© Ryu Ga Gotoku Studio / SEGA

Zurück auf die Schulbank

Takayuki Yagami schnüffelt wieder. Nachdem der Privatdetektiv und gelernte Anwalt bereits in Teil eins das übernahm, was Kazuma Kiryu kurz zuvor aufgegeben hatte (Bösewichte in martialischer Manier verprügeln, um guten Menschen tausend Gefallen zu tun), beginnt auch sein zweites Abenteuer in Tokios Vergnügungsviertel Kamurocho, bevor er nach Yokohama kommt, genauer gesagt den Stadtteil Isezaki Ijincho. Kommt euch bekannt vor? Sollte es. Denn das ist der Ort, an dem Yakuza: Like a Dragon spielt. Sega nutzt seine virtuellen Sets also weiterhin als beständige Kulissen, anstatt komplett neue zu entwickeln – auch wenn in Lost Judgment jetzt eine Schule dort steht, wo sich Like a Dragon noch ein sehr unscheinbares Gebäude befand. Yakuza-Rollenspieler dürften in Lost Judgment daher vom Start weg alle Wege kennen.

Doch warum ausgerechnet eine Schule? Für gewöhnlich ist das ja nicht gerade das Milieu, in dem die unter Gangstern aufgewachsenen Charaktere zugange sind. Ganz einfach: Takayuki will befreundeten Ermittlern einen Gefallen tun und greift ihnen deshalb bei einem Fall unter die Arme, in dem es um Mobbing zu gehen scheint. Schon bald stellt er deshalb Untersuchungen in besagter Schule an, wofür er als eine Art Erzieher einspringt. Um die gewünschten Informationen zu erhalten, leitet er also verschiedene Clubs und macht die Bekanntschaft mit Schülern, denen er je nach Ausgangslage unter die Arme greift oder eine Lektion erteilt.

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Lost Judgment spricht mit Mobbing ein ernstes Thema an und beleuchtet es teils recht ausführlich… © 4P/Screenshot

Keine Angst: Natürlich geht es in Lost Judgment nicht darum, dass die Anke dem Peter sein Frühstücksbrot gemopst hat. Vielmehr wird schnell klar, dass die Ereignisse in der Schule mit einem Mord verbunden sind, dessen genauer Hergang sich einmal mehr hinter einem vielschichtigen Gebilde zahlreicher Motive und Geschehnisse verbirgt. Deshalb ermittelt Takayuki nicht nur in Yokohama, sondern auch in Kamurocho und reist meist frei zwischen beiden Schauplätzen hin und her.

Richtige Idee, falsches Spiel

Dass Lost Judgment dabei nicht nur den großen Fall Ernst nimmt, sondern sich auch lange und eindringlich mit Ursachen und  Auswirkungen von Mobbing beschäftigt, rechne ich ihm hoch an. Das Thema zieht sich als roter Faden durch einen längeren Teil der Geschichte und serientypisch erklärt die Erzählung viele der damit verbundenen Probleme, was der Geschichte nicht nur mehr Substanz verleiht; es erdet sie auch auf eine Art, wie es einem Plot im Gangstermilieu sonst schwer fällt.

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… wenn auch auf eine Art und Weise, die dem Thema bei aller Liebe für japanische Quirligkeit nicht wirklich angemessen ist. © 4P/Screenshot

Und trotzdem bin ich über das Einbinden dieses Stoffs nicht wirklich glücklich, denn in meinen Augen ist ein Lost Judgment dieser Bauart ein denkbar ungünstiges Spiel, um sich auf sinnvolle Art der Thematik zu nähern. Das liegt an zwei Dingen: Zum einen kennt es nur Problemlösungen, die dem Problem nicht angemessen sind und zum anderen ist Takayuki nicht der richtige Protagonist, um in diesem Umfeld zu agieren.

Ersteres wird gleich bei seinen ersten Schritten in der Schule deutlich, wenn er und seine Kollegen eine Mobbing-Situation durch einen blödsinnigen Trick lösen, der weder besonders unterhaltsam noch in irgendeiner Form glaubwürdig ist – auf gar keinen Fall aber der Realität gerecht wird, mit der sich Mobbingopfer und Beobachter konfrontiert sehen. Das Ansinnen ist ein lobenswertes, die Ausführung aber dennoch hirnrissig.