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Max Payne 3 (Shooter) – Bullet-Time ja, Film Noir nein

Als das Klavier aufspielt, entsteht fast so etwas wie Wehmut. Die traurigen Klänge und Max‘ Stimme versprechen nach all den Jahren endlich wieder einen morbiden Blues der tanzenden Projektile. Als der Mann laut über seine beschissene Situation philosophiert, werden Erinnerungen an einen der besten Shooter aller Zeiten wach.  An einen tragischen Helden, der die schnöde Action mit seinen düsteren Untertönen bereichert hat. Max Payne hatte Ideen, Charakter und vor allem Stil.

© Rockstar Vancouver / Rockstar Games

Gewitter im Großraumbüro

Ich hocke in einer Deckung, die bald keine mehr ist – schon jetzt fliegen mir zig Holz- und Glassplitter um die Ohren, außerdem werde ich von huschenden Schatten flankiert. Das Großraumbüro wird zwar erst seit fünf Minuten gestürmt, aber es sieht bereits aus wie ein Schlachtfeld. Max kann sich neuerdings auf Knopfdruck verschanzen und sowohl gezielt als auch blind aus der geschützten Position heraus feuern, aber die agilen Feinde erlauben keine langen Sitzungen, sondern verlangen spontane Bewegungen. Also raus aus der Hocke, rein in den akrobatischen Hechtsprung und die Bullet Time aktiviert: Die Zeit verlangsamt und ich kann den Zielpunkt vielleicht zwischen den Augen von zwei oder drei Feinden platzieren. Der Analogstick dreht sich, der Revolver kracht, das Blut spritzt – sehr elegant.

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Max Payne war der erste Shooter, der Stilelemente des Film Noir aufgriff – davon ist nicht mehr viel zu spüren © 4P/Screenshot

Mittlerweile allerdings auch sehr bekannt, denn Zeitlupe, Deckung & Co bieten heutzutage fast alle Shooter. Schön ist, dass er nicht beliebig viele Waffen mitnehmen darf, sondern dass er sich für drei entscheiden muss; er hat Platz für zwei Pistolen und ein Gewehr, wobei er Erstere auch doppelt abfeuern kann. Dass sich Max im Sprung und am Boden um 360 Grad drehen und die volle Rundumsicht für die nächste Ladung Schrot nutzen kann, ist eine technische Entwicklung, aber nur eine marginale Ergänzung, die das Spielgefühl nicht wesentlich bereichert – Max fühlt sich fast genauso gut an wie 2001. Die Action in Zeitlupe macht nach all den Jahren und Nachahmern auf Anhieb Laune. Zumal

Multiplayer-Modus für bis zu 16 Spieler:

Neben zig Deathmatch-Arten gibt es auch eine dynamische Team-Variante namens Gang Wars, bei der man die Handlung und Ziele der nächsten Runden beeinflussen kann – die Story greift dabei Ereignisse aus der Kampagne auf; es gibt zwölf Missionsarten von Gefecht über Raubzug bis Attentat. Man kann online im Rang aufsteigen, Waffen & Goodies freischalten sowie in der Lobby gezielt nach Spieltypen suchen und Voreinstellungen wie Zielhilfen filtern. © 4P/Screenshot

heutzutage alles noch realistischer in sich zusammen geschossen wird, vom im Bleihagel zuckenden Gangster bis hin zur berstenden Wandhalterung.

Wenig authentisch reagieren die Feinde allerdings, wenn sie eng beieinander stehen und ich einfach mit genug Bullet Time in sie hinein springe: Dann kann ich sie zu einfach nacheinander ausknocken und erschießen, da gewöhnliche Feinde seinen immer gleichen Nahkampf nicht kontern können – selbst im Tumult hat man alle Zeit der Welt für die Exekution. Die Physik-Engine simuliert Einschüsse ähnlich wie in Killzone 3 an jedem Körperteil anders – man kann auch Helme von Köpfen schießen. Ärgerlich ist, dass es beim Feuern aus der Deckung heraus manchmal Fehler gibt: Man visiert einen Feind mit einem Gewehr klar an, aber in der Animation schießt man nach oben und trifft die Decke? Und warum wird nach einer Zwischensequenz meist die aktive Waffe gewechselt?

Bezahlter Urlaub in Brasilien

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Warum rasiert sich Max eine Glatze? Die Wandlung wird von der Story nicht glaubwürdig inszeniert und lässt keine Charakterentwicklung folgen. © 4P/Screenshot

Es macht immer noch Spaß, mit diesem Mann zu kämpfen, seine Projektile wie Todesküsse abzufeuern. Er trinkt seinen Whiskey pur, er hat das hektische Ballern vor elf Jahren in einen langsamen Blues verwandelt und er hockt mal wieder knietief in der Scheiße. Er fühlt sich dabei nicht wie ein Held, sondern wie ein versoffener Idiot, der schon viel zu lange gelebt hat – darüber sinniert er genau so in inneren Monologen wie anno dazumal. Nur mit einem Unterschied: Nach mehreren Stunden mutiert Max zum zynischen Laberhannes, dessen Sprüche sich einfach abnutzen. Als Charakter erinnert er ein wenig an Bruce Willis in der Rolle von Detectice Jack Mosley in 16 Blocks. Warum ist er jetzt in Südamerika? Der Schmerz über den Verlust seiner Frau und Tochter zerreißt ihn so sehr, dass er sich in New Jersey komplett gehen lässt. Aber ein Ex-Kollege lockt ihn mehr oder weniger nach Brasilien, wo angeblich das leicht verdiente Geld als Bodyguard einer reichen Familie wartet – vielleicht sogar ein Neuanfang.

Natürlich kommt alles anders. Egal ob Hafen, Favelas, Fußballstadion oder Großraumbüro: Leicht ist im Lande des Samba, das hinter Edelnutten, Partys und Koks bald seine hässliche Fratze offenbart, gar nichts. Das liegt weniger daran, dass Max kein Wort Portugiesisch spricht, was die Regie angenehm babylonisch ohne Übersetzungen vermittelt, sondern an der grassierenden Gewalt und der Überzahl feindlicher Projektile. Denn obwohl ich zwei Kopfschüsse platziere und weitere drei Feinde über den Haufen schieße, verliere ich erstens die Energie für die Zeitlupe und zweitens hab ich nur noch ein Schmerzmittel – und meine Lebenspunktefigur ist schon fast bis unter den Hals rot gefärbt. Damit könnte ich Max ein wenig heilen, aber das letzte Schmerzmittel sollte ich aus taktischen Gründen aufbewahren.

  1. Mit dem Lesen der posts kriege wieder Lust auf das Spiel. :D
    Als ich es zum ersten mal auf der Xbox gezockt habe, hat es mir nicht wirklich gefallen, eigentlich ist mir nur der geniale Soundtrack im Kopf geblieben. Ich empfand die Story als zu plump, genau wie nahezu alle Figuren bis auf Max und Stimmung kam bei mir kaum auf und wenn, dann nur wegen des scores. Darüberhinaus war die Steuerung grottig und sowohl Grafik als auch performance konnten nicht überzeugen. Später dann habe ich die PC Version gespielt und zumindest die letzten Kritikpunkte sind da wegegefallen. Über Story und Figuren habe ich mir dann keine Gedanken mehr gemacht und einfach das geniale gunplay und die tolle Inszenierung genossen, denn darin steht der letze Max seinen Vorgängern in nichts nach. Ich finde sogar dass die Ballereien noch besser, da stylischer und dynamischer, geworden sind.
    Beim nächsten Max dann aber bitte wieder etwas mehr Tiefe. :wink:

    DerWaldHerr hat geschrieben:..."Melancholia" Trilogie von Rockstar ...
    Die Theorie gefällt mir. :)

  2. Auch wenn ich scheinbar eine Minderheiten Meinung vertrete:
    Max Payne 3 halte ich für das beste Max Payne und ja, ich habe MP 1 und 2 an ihrem Release Tag gespielt und auch beide für herausragend befunden.
    Max Payne 3 hat in meinen Augen die beste Kampagne aller Max Paynes, Max ist endgültig am Boden, gab es auch im 2en Teil einen Hoffnungsschimmer, ist dieser jetzt verflogen, Max ist endgültig das, was sich im ersten Teil angekündigt hat: ein endgültig depressives Frack.
    Die Story gehört mit zum besten die man im Action Genre findet, es ist mehr eine Charakterstudie über einen hoffnungslosen Säufer der sich versucht aus dem Sog seiner eigenen Verderbniss zu ziehen und dabei jedoch alle in seiner Umgebung in Gewalt stürzt, trotz bester absichten.
    Die Figur Max Payne ist die beste aller bisherigen Spiele, was wohl am Motion Capturing von James McCaffey liegt, der wohl den Charakter des Max Payne über mehrere Jahre soweit verinnerlicht hat, dass er diesen Charakter eine unheimliche Natürlichkeit verleiht.
    Das Gameplay ist besser als in MP 1 und 2, klar, man kann über das Deckungssystem schimpfen, es ist jedoch rein optional, ich habs im Schwierigkeitsgrad "normal" nur in 1-2 Situationen genutzt, mit dem Hechtsprung kommt man normalerweise recht weit. Ich empfinde übrigens auch wegen den natürlichen Bewegungen und der Intelligenz der Gegner das Gameplay am besten.
    Die Inszenierung der Cut Scenes gehört mit zum besten was ich im Action Bereich je gesehen habe.
    Um noch etwas zu dieser Film Noir Diskussion beizutragen:
    Max Payne 3 ist 100% Film Noir, wenn man Ahnung von diesem Genre hätte, würde man mir da zustimmen. "Dunkel und Regen" steht kein bisschen für Film Noir, wenn das so wäre, dürfte Casablanca, Die Lady von Shanghai und Im Zeichen des Bösen keine Film Noir sein, dabei sind es Klassiker ebenjenes Genres. Film Noir bezeichnet eine Melancholisch/depressive Stimmung der Umwelt und der Charaktere, in so weit ist Max Payne 3 theoretisch ein Stück weit mehr "Film Noir"...

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