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Mord im Orient-Express (Adventure) – Mord im Orient-Express

Unsere Wahl für das Adventure 2006 ist gefallen: Geheimakte Tunguska. Doch mit Agatha Christie: Mord im Orient-Express gibt es jetzt ein weiteres Krimi-Point&Click, das im Vorfeld viel Beachtung fand. Mit einem klassischen Mordfall in einer luxuriösen Umgebung will es euch ködern. Haben wir hier den ersten großen Favoriten für das Adventure 2007 vor uns?

© AWE Games / JoWooD

Reise aus dem Orient

Zugegeben: Ich war etwas verwundert, als ich mich zu Beginn des Abenteuers vor dem prächtigen Istanbuler Bahnhof wiederfand. Denn ich ging davon aus, dass dieser die Endstation des legendären

Auf dem Vorplatz des Bahnhofs gehen die Verwicklungen schon los. Ihr wollt nur vorbei, aber die Leute wollen etwas von euch haben…

Zuges markierte. Allerdings war dieses Missverständnis mein Fehler, denn das Spiel hält sich akribisch an den Fahrplan des Kriminalromans, der in den 30er-Jahren auf der Fahrt von Istanbul nach Calais spielt. Einen Unterschied gibt es jedoch: Ihr spielt nicht Hercules Poirot, sondern eine junge Dame. Diese assistiert dem belgischen Detektiv, der leider das Bett hüten muss. Auch die Auflösung des Falles ist eine andere, da es sonst für Kenner der Vorlage zu langweilig wäre.

Bevor ihr den Zug allerdings besteigen dürft, beginnen die Probleme: Auf dem Vorplatz des Bahnhofs wird die französische Anstellte der Eisenbahn, die ihr spielt, immer wieder durch verschiedene Leute aufgehalten. Da sind die zwei Herren, die über türkische Kachelmuster fachsimplen. Sie fragen euch, welche die schöneren sind? Na ja, wenn man sonst nichts zu tun hat! Oder die russische Fürstin, die mitten in der kalten Jahreszeit ihren kostbaren Sonnenschirm sucht. Nur ein paar der Mini-Aufgaben, die euch überflüssigerweise Zeit kosten. Denn eigentlich seid ihr Poirot auf den Fersen, der immer wieder entwischt, ohne es aber selbst zu merken.

Mord im Luxuszug

Schließlich schafft ihr es irgendwann doch in den Zug, wo euch der berühmte Detektiv unter seine Fittiche nimmt. Nachdem ihr ihm euer Abteil überlassen habt, ist er euch auf ewig verbunden. Ihr seid

Der Detektiv in seinem lästerlichen Element macht einem Waschweib alle Ehre. Allerdings einem mit Stil.

sozusagen sein weiblicher Azubi, der die Laufarbeit übernimmt, die Hinweise einsammelt und die Zeugen befragt. Bereits am ersten Abend spielt ihr mit Poirot ein Spielchen, bei dem es um die Einschätzung der Leute im Zug geht. Vom amerikanischen Industriellen über ein britisches Liebespaar bis zur schwedischen Erzieherin ist alles vertreten, wie Poirot natürlich genüsslich ausbreitet.

Im Kurswagen an die Kanalküste wird auf jugoslawischem Gebiet plötzlich ein Mann umgebracht, den viele an Bord nicht leiden konnten. Verdächtige gibt es daher genug. Der Zug wird daraufhin im Gebirge vom Schnee eingeschlossen, so dass alle Passagiere an Bord bleiben müssen – auch der Mörder! Das ist eure Chance, das Verbrechen im nachhinein aufzuklären, ohne dass euch der Täter durch die Lappen gehen kann. Auch die Zeugen bleiben hübsch in Reichweite, so dass ihr sie jederzeit ausquetschen könnt. Andererseits könnt ihr nicht einfach die Polizei holen. Die Story bleibt dabei allerdings harmlos und könnte so auch im Kinderprogramm laufen.

Üppige Dialoge

Die Gespräche -insbesondere mit eurem belgischen Mentor- sind teils recht ausufernd, tragen aber auch zur Erhellung bei. Per Multiple Choice könnt ihr die nächste Frage wählen, am Ende müsst ihr

Der eiskalte Mr. Ratchett ist nicht gerade beliebt an Bord, weshalb er ins Gras beißen muss.

aber immer alles fragen. Auswirkung hat es daher nicht, was ihr wann fragt. Der Vorteil daran ist, dass ihr euch so nicht unbeliebt machen könnt. Der Nachteil ist aber, dass alles recht eingefahren läuft und nach einiger Zeit die Motivation durchhängt. Das gilt insbesondere für diejenigen, die schon das Buch kennen.

Erfreulich ist allerdings, dass alle Gespräche professionell auf Deutsch vertont wurden, auch wenn ganz bekannte Stimmen fehlen. Poirot hat eine vorwitzige, leicht näselnde Stimme bekommen, die gut passt. Er streut ohnehin den einen oder anderen Brocken Französisch ein, obwohl er natürlich darauf besteht, Belgier zu sein. Die Protagonistin hat eine angenehme Stimme, die ein wenig behäbig klingt aber nicht nervt. Betulich ist das richtige Adjektiv für viele andere Sprecher, was aber wiederum zum Thema passt. Ganz im Gegensatz zum unfreiwilligen Humor, den die eine oder andere Stimme wie etwa die des Lokführers bietet.