Glücksrad
Es dauert nur eine ganze lange Weile, bis man das alles auch in vollen Zügen genießen kann. Denn Rage 2 kommt erstaunlich spät zur Sache. Es liegt daran, dass man ausgesprochen lange damit beschäftigt ist, grundlegende Fertigkeiten überhaupt erst zu erlernen, von ihrem kompletten Ausbau ganz zu schweigen. Doch dazu später mehr, denn PC-Spieler müssen zunächst einmal eine ganz andere Hürde nehmen, wenn sie mit Maus und Tastatur ins Ödland wollen: Sie bekommen es mit einer Steuerung zu tun, die komplett für Gamepad-Akrobaten entworfen und denkbar schlecht übertragen wurde.
Nun bin ich auch mit Controller kein Fan des im ersten Teil der Stick-Bewegung recht trägen, später viel zu rasanten Umsehens. Das automatische Drehen der Kamera in Fahrtrichtung, wenn man eine Kurve fährt, gefällt mir ebenso wenig. Beides ist jedoch verschmerzbar. Mit Maus und Tastatur kämpfe ich hingegen auch nach ein paar Dutzend Stunden noch um das Gelingen einzelner Aktionen; für Details werft einen Blick auf den blauen Kasten hier am Rand.
Mir ist klar, dass es sich dabei um Kleinigkeiten handelt, die schnell behoben sein könnten. Aber wenn man einen vermeintlich großen Shooter am PC partout nicht so spielen kann, wie es aus guten Gründen längst etabliert ist, dann ist das nun mal spätestens dann ein Problem, wenn man nach etlichen Stunden noch ständig auf die falschen Waffen wechselt. Tatsächlich habe ich Rage 2 nur deshalb nicht auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad gespielt, weil das haptisch einfach keinen Spaß macht. Jammerschade, dass Avalanche an diesem Punkt nicht sorgfältig gearbeitet hat!
Das ist die Fliegenklatsche nicht wert
Es ist ja nicht das Einzige, das nicht stimmt. Denn so gut die Action für sich genommen ist, so leblos ist die offene Welt. Ja, es gibt vorbeifahrende Konvois, die man in unterhaltsamen Verfolgungsjagden ausschalten kann. Man könnte außerdem Rennfahrer erwähnen, die man zum Duell herausfordert, sowie wiederkehrende Kopfgeldaufträge oder Straßensperren und ein paar weitere Ereignisse. Damit erschöpft sich das Thema lebendige offene Welt aber schon, zumal es sich sowohl bei den Straßensperren als auch den Kopfgeldern um extrem schnell erledigten Kleinkram handelt, der das Herausholen der Fliegenklatsche kaum wert ist.
Der Rest sind eine Vielzahl kleiner Banditen- und anderer Lager, in denen man für ein bisschen Beute ein paar Minuten lang wütet. Der Rest sind weiterhin schrecklich langweiliges Zerschießen von Geschütztürmen der Authority, minutenlanges Verteidigen kleiner Kraftwerke sowie das immer gleiche Beseitigen von Gegnern an vielen anderen Orten. Wenig dreht sich im Ödland um das Aufspüren versteckter Geheimnisse oder das Entdecken erzählerisch interessanter Orte. Als Belohnung winken fast ausschließlich ein paar Ressourcen, aber nie ein geheimes Versteck, eine witzige Anektode oder etwas sonst irgendwie Interessantes. Man darf zum Vergleich gar nicht an die dynamischen Kontrollpunkte sowie die eigenständig zwischen ihnen agierenden Freunde und Feinde in The Division 2 denken…
Rein funktional statt lebendige Dynamik
Die starr auf der Karte verteilten Aktionspunkte stechen auch deshalb ins Auge, weil die Action so sehr auf Nahkampf getrimmt wurde. Man fährt (oder besser: fliegt) deshalb stets unbehelligt umher, bis man aussteigt, kämpft, weiterzieht usw. Es gibt keine fließenden Übergänge wie z.B. in den Far Crys, deren Welt ähnlich strukturiert ist, wo man aber auch unterwegs attackiert wird und schon aus der Entfernung angreifen kann. Sind dort besonders die großen Lager interessant, weil man sowohl aus der Distanz heraus mit Gegnern spielt oder sie gar schleichend ausschaltet, gibt es hier nur den direkten Weg vors Lager, um schon deshalb stets das gleiche Feuer zu eröffnen, weil die verschiedenen Schauplätze auch in Sachen Leveldesign wenig Abwechslung bieten.
Zugegeben, ich liebe beides. Einerseits ein TLOU2 und andererseits blutrünstige Spiele wie Rage oder Doom. Oder eben die Vermengung von beidem: God of War.
Ich liebe es in dramatische Spiele einzutauchen und die Story aufzusaugen. Dann sind mir manche Gameplayelemente sogar gar nicht so wichtig. Zuletzt habe ich auch gerne zu Walking-Simulatoren gegriffen. Auch weil diese mitunter eine recht kompakte Spiellänger haben. Andererseits spiele ich dann aber auch MP-Spiele, die ja (fast) nur auf Gameplay ausgelegt sind. Was mich in dieser Hinsicht übrigens immer fasziniert hat ist Metal Gear Solid. Das Spiel war immer sehr videogamey, hat es aber trotzdem geschafft eine ernste Story zu erzählen.
Ansonsten fühl dich gedrückt, heute ist ein trauriger Tag.
Und zusätzlich Subjektivität und so, aber das beantwortest du dir ja auch selbst. Nur mal so zum Vergleich, 4players bewertet gar besser als der UserScore bei meta.
Hab doch einfach Spaß am Spiel. Nimmt dir keiner weg.