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Raven’s Cry (Action-Adventure) – Ein freches Piratenstück

Das Rollenspiel Raven’s Cry von Reality Pump ist nach mehrmaliger Verschiebung am 30. Januar erschienen. Kann das Abenteuer rund um Christopher Raven den schlechten ersten Eindruck auf lange Sicht wettmachen? Wir haben die Segel gehisst und den Säbel geschwungen. Ob wir mehr Spannung und Spaß als Bugs und Probleme gefunden haben, klärt der Test.

© Reality Pump (vorher Octane Games) / TopWare Interactive / Zuxxez

Jo-ho, Jo-ho, Piraten haben’s gut…

Christopher Raven ist ein echter Pirat. Auf Beutezug für die französische Krone hat er den Auftrag, eine Schiffsladung Waren für den Gouverneur einer karibischen Hafenstadt abzuliefern. Doch wankelmütig wie Freibeuter nun mal so sind, hat Raven scheinbar keine Lust mehr, sich mit Vertretern einer staatlichen Autorität abzugeben. Anders kann ich mir nicht erklären, warum er sich so standhaft weigert, dem Franzosen die Waren auszuhändigen. Auch beim wiederholten Versuch die Quest zu beenden behauptet der Kapitän standhaft, er hätte noch nicht alles zusammen. Scheinbar ist dem eigensinnigen Dreispitz-Träger ein Kaperbrief weniger wert als ein guter Kampf, ein Rum oder ein Besuch im Bordell. Piraten halt.

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Die Kamera in Dialogen wählt oftmals eigenwillige Perspektiven. © 4P/Screenshot

Spaß beiseite: Natürlich gibt es keine Möglichkeit das Raubgut einfach für sich selbst zu behalten. Das wäre ja mit einem gewissen Grad an Aufwand im Dialog- und Spieldesign verbunden gewesen. Und den weist das Piratenabenteuer Raven’s Cry wirklich nirgends auf. Nein, vielmehr handelt es sich hier um einen der zahllosen Bugs, die neben Piraten, Spaniern, Engländern und Franzosen die karibische See bevölkern. Die sind fast noch nerviger als der Geleitschutz von Warenkonvois: Mal können Aufgaben nicht beendet werden, mal verschwinden Gegenstände aus dem Inventar oder die Kamera zeigt in Gesprächen lieber die innenarchitektonischen Kenntnisse der Wirtshausbesitzer statt das Antlitz des Gesprächspartners. Klingt bereits grenzwertig? Ich fange gerade erst an!

Fluch der Karibik vom Grabbeltisch

Raven’s Cry erzählt die unheimlich belanglose Rachegeschichte des unfreiwillig komisch synchronisierten Freibeuters Christopher Raven, der mit seinem Schlafzimmerblick und gekünstelt cooler Aussprache selbst in der Fluch-der-Karibik-Reihe unangenehm aufgefallen wäre. Dem Jack-Sparrow-Verschnitt ist von einem fiesen

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Die Seegefechte sind das optische und spielerische „Highlight“ des Piraten-Abenteuers. © 4P/Screenshot

Finsterling die Familie weggemeuchelt worden und natürlich muss der obercoole Superkapitän auf Rachefeldzug gehen, um seine Ehre wiederherzustellen. Mit dabei: ein Klischee-Mentor, eine dümmliche Crew, eine heiße Nonne und viel zu viele dumme Gespräche in unendlich langen Dialogszenen.

Deren dilettantische Vertonung, unterirdische Textqualität und katastrophale Soundabmischung führen mitunter zu Unterhaltungen, neben denen Filme wie „Die Forke des Todes“ wie Oscar-Kandidaten wirken. Kombiniert mit den staksigen Animationen und quasi nicht vorhandener Mimik werden aus ernsthaften Gesprächen schnell alberne Lachnummern. Immerhin wird das stupide Gebrabbel dank einer nicht vorhandenen Tonregie immer mal wieder von Umgebungsgeräuschen überdeckt. So höre ich beispielsweise in einem Bordell die Ziege draußen lauter blöken, als das leichte Mädchen vor mir reden. Hallo Reality Pump, wer hat das denn durch die Qualitätskontrolle gewunken? Derjenige dürfte dann wohl auch für die Soundaussetzer oder fehlenden Gesichtsanimationen verantwortlich sein, die ihren Weg ins fertige Spiel gefunden haben.

  1. @ Kajetan: Naja, ein Redakteur von Giga erhielt schon auf der Gamescom 2013 die Gelegenheit, einen kurzen Blick auf Raven's Cry zu erhaschen. Seine Eindrücke beschrieb er als grauenhaft:
    https://www.youtube.com/watch?v=hrcb1VYpeTE#t=21m45s
    Nach den 2 Jahren zuvor, in denen Octane daran werkelte, gab es noch nicht einmal ein Kampfsystem - das spricht Bände. Wenige Tage später gab Topware dann auch den Entwicklerwechsel offiziell bekannt (siehe GS News).
    Und bei insgesamt 13 Verschiebungen - 4 allein seit dem letzten Oktober - würde ich nicht unbedingt von Hektik zu sprechen. Wirkt auf mich eher so, als hätte Reality Pump irgendwann das Handtuch geworfen, als sie merkten, dass es - egal wie viel Entwicklungszeit sie auch in das verkorkste Ding reinstecken mochten - kaum besser würde.

  2. Eisenherz hat geschrieben:Vor allem haben sich Topware und der eigentlich fähige Entwickler hier viel Negativ-Publicity eingehandelt.
    Eigentlich nicht. Denn Ravens Cry ist ja nicht so derart heftig untergangen, weil es schlecht ist, sondern weil keine Sau mitbekommen hatte, dass es das Spiel überhaupt gibt. Hätte man da mehr die Werbetrommel gerührt, man hätte tonnenweise mehr Umsätze bekommen als jetzt. Alleine nur von den Leuten, die "Piraten-RPG mit Schiffsschlachten" hören und dann sofort blind zugreifen.

  3. LePie hat geschrieben:Naja, wenn dir dein Vorgänger eine wahre Coderuine hinterlässt, dann kannst du dir selbst als bester Entwickler daran die Zähne ausbeißen.
    Wenn man sich Ravens Cry so ansieht, würde ich das jetzt nicht als Coderuine bezeichnen. Sondern nur als Spiel, dem man anmerkt, dass hier in aller Hektik irgendwelche Assets zusammengeprügelt wurden und sobald das alles irgendwie halbwegs lauffähig war, wurde es veröffentlicht, weil Topware offenbar dringend Geld benötigt.
    Wobei, wenn ein Spiel eine Woche nach Release nicht mal mehr unter den ersten 600 der Steam-Verkaufscharts auftaucht (und es bislang nur auf Steam erschienen ist) ... viel hat Topware dadurch nicht einnehmen können. Um es mal höflich auszudrücken.

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