Es braucht sicher keiner Erwähnung, dass Return of the Obra Dinn schon auf den ersten Blick heraussticht. Der Zeichenstil erinnert an den grafischen Minimalismus früherer Computer und tatsächlich kann man sich bei der dualen Farbgebung zwischen der alter Macintosh- oder IBM-PCs sowie anderer Rechner entscheiden. Der Rest ist modern; das gilt sowohl für die Steuerung als auch für die von Alleinentwickler Lucas Pope selbst geschriebene Musik. Sein Soundtrack fängt die frische Brise der früheren Seefahrt ebenso treffsicher ein wie Grafik und Ton – beides ebenfalls aus seiner Feder. Abstriche müsst ihr dabei weder auf Xbox One noch auf Switch befürchten: Das Spiel läuft selbst auch der technisch schwächsten Konsole sowohl im Handheld-Modus als auch stationär einwandfrei. Die PS4-Fassung stand uns leider nicht zur Verfügung.
Lucas Pope? Wer bei dem Namen hellhörig wird, hat vielleicht noch Papers, Please im Kopf, mit dem Pope vor einigen Jahren schon Preise einheimste. Und tatsächlich sticht sein aktueller Titel erneut heraus, denn ganz ähnlich wie Papers, Please hat er es spielerisch in sich!
Schnappschüsse der Vergangenheit
Grundsätzlich ist Return of Obra Dinn ein einfaches Spiel: Man bewegt sich frei auf dem gesamten Schiff, erkennt die Orte, an denen Mitglieder der Besatzung gestorben sind und hält dort eine Art magische Taschenuhr über die Leiche. Aktiviert man die Uhr, sieht man eine dreidimensionale Momentaufnahme vom Zeitpunkt des Todes einschließlich aller Anwesenden der nahen Umgebung. So beobachtet man, kombiniert das Gesehene und trägt in einem großen Buch schließlich den Namen und die Todesursache jeder Leiche ein. Denn das sind die Daten, die die Versicherung benötigt.
Das scheinbar simple Mordkomplott entpuppt sich dabei schnell als viel mehr, doch das will ich nicht vorwegnehmen. Die eigentlichen Schicksale einzelner Charaktere spielen hier zwar keine große Rolle, die Episoden, an deren Ende sie dem Tod ins Auge sehen, sind für sich genommen aber clever konstruiert.
Kombiniere, Watson…
Der Teufel steckt selbstverständlich im Detail. Denn während man im Tutorial noch deutlich erkennt, wie der Kapitän den ersten Offizier erschießt, sieht man andere Personen vielleicht sterben, kann die Ursache aber nicht erkennen. Dann könnte man in der Momentaufnahme eines anderen Todes suchen: Geschieht hinter einer Wand womöglich etwas, das auf den ersten Blick verborgen ist? Oder kann man den Aufzeichnungen der kurzen Unterhaltungen wichtige Informationen entnehmen? Was bedeutet eine auffällige Zahl? Wie hängen verschiedene Ereignisse zusammen? Bald schaut man nicht nur genau hin, sondern muss ganz unterschiedliche Hinweise auch logisch zusammenführen.
Und genau das gelingt Pope so hervorragend: Er zeigt nicht auf die Lösung und selbst wenn man einen Fakt richtig kombiniert, ist das lediglich ein theoretisches Konstrukt, weil nach dem Eintragen der entsprechenden Daten kein Achievement klingelt, das den Erfolg bestätigt. Nur wenn man jeweils drei Tode endgültig aufgeklärt hat, werden diese Fälle quasi abgeschlossen und entsprechend markiert, sodass man sich auf lange Sicht nicht ziellos verläuft.
Manche finden es bestimmt besser und manche auch noch schlechter. Von daher.
Zusammen mit der 80 für "Alan Wake" ist das hier einer Eurer Allzeit-Review-Tiefpunkte.
Bitte spielt diesen Titel. Er ist einzigartig.