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Rise of Nations: Rise of Legends (Taktik & Strategie) – Rise of Nations: Rise of Legends

93%. Platin-Award. Strategiespiel des Jahres 2003. Das ist die Erfolgstory von Rise of Nations. Jetzt ist nach drei Jahren Entwicklung der Nachfolger da und alle Welt ist gespannt, ob Designer Brian Reynolds die Faszination seiner innovativen Feldzüge fortsetzen kann. Das Team von Big Huge Games hat den Pfad der Historie verlassen, um der Fantasie in einem zauberhaften Szenario freien Lauf zu lassen: Wissenschaft trifft auf Magie, Roboter auf Fabelwesen, eine hohe Erwartung auf Ernüchterung?

© Big Huge Games / Microsoft Game Studios

Risiko mit Zwischensequenzen

Damals hatte man eine riesige Welt mit Kontinenten und Meeren, die man frei erobern konnte – allerdings ohne Story, was viele kritisiert haben. Jetzt hat man diesem nackten Brettspielprinzip das Korsett einer Kampagne in drei Akten angelegt, um es erzählerisch attraktiver zu gestalten. Worum geht’s? Ganz kurz: Um Rache, einen Tyrannen, das Böse und eine

Welcher Held soll euch begleiten? Jeder hat eigene Stärken und Schwächen, jeder kann individuell verbessert werden.

Weltbedrohung – konnte Big Huge Games beim Szenario noch mit Fantasie auftrumpfen, bleibt man in Sachen Story sehr konservativ und im Genrevergleich nur durchschnittlich. Giacomos Feldzug ins Ungewisse, der ihn von seiner Heimat in die Wüste der Alin und dann in den Dschungel der Cuotl treibt, wird zwar von einigen bösen Überraschungen gewürzt, aber kann in Sachen Dramaturgie und Charakterzeichnung nicht begeistern. Einige Rollen werden gut aufgebaut, einige Dialoge gut geführt, aber Spiele wie AoM haben eine wesentlich spannendere Geschichte erzählt. Die Story lebt von schönen Filmen als Überleitung, aber es gibt sehr viele Klischees und seltsame Übergänge, die den roten Faden vermissen lassen: Obwohl der Doge als Figur in einem anderen Land platziert ist, taucht er plötzlich im Kampf auf. 

Man will die Kampagne weiter spielen, um noch mehr Kreaturen zu sehen, aber nicht unbedingt um Giacomos Schicksal zu verfolgen: RoL spielt sich quasi wie Risiko mit Zwischensequenzen. Denn auf der einen Seite hat man Ziele auf der Weltkarte, kann aber auf der anderen Seite den Weg dorthin selbst bestimmen und sein Reich ganz nach eigenem Ermessen ausbauen – was je nach erobertem Land nicht nur andere Filme oder Figuren präsentiert, sondern auch Fähigkeiten und Forschungen. Greift man lieber das schwache Monte Laguna an, das einem die Fähigkeit der Notvorräte sowie dei Erfahrungspunkte verschafft oder direkt das schwer gerüstete Corbanile, wo man wesentlich bessere Beute machen kann?

Keine freie Welteroberung

In den ersten Stunden ist genau diese Freiheit auf der Weltkarte das faszinierende Element, das Strategen ins angenehme Grübeln bringt. Aber bald zeichnet sich ab, dass es letztlich doch in eine ausgewogene Richtung gehen muss, zumal Abweichungen von der

Welches Land soll erobert werden? Ganz à la Risiko habt ihr in der Kampagne mehrere Möglichkeiten.

vorgegeben Diplomatie kaum möglich sind. Wählt man den Weg der gezielten Aufrüstung und lässt sich Zeit mit dem Hauptziel, wird auch der Gegner mit seinen Armeen über die Karte ziehen und Territorien belagern. Wählt man den Weg der schnellen Erfüllung des Hauptziels, ist man eventuell zu schwach für die finale Schlacht – hier wird man sogar gewarnt, dass man vielleicht erst schwächere Regionen attackieren sollte. Also ist man immer gezwungen, einen Mittelweg zu wählen, der sogar von kleineren Nebenzielen vorgegeben wird.

Und genau das ist die Krux dieses Systems: Das erzählerische Korsett raubt dem alten Risikostil die Freiheit, denn trotz theoretisch vieler Eroberungsziele gibt es doch immer einen vorgegebenen Pfad. Das liegt auch daran, dass die Weltkarten der Kampagnen zu klein sind und die große Weite vermissen lassen. Schade ist auch, dass die drei Akte nicht auf einer Weltkarte stattfinden, sondern auf separaten. Das führt zu einer gewissen Monotonie im Spielprinzip. Neuer Akt heißt: Man muss immer wieder vorne mit einem oder wenig Ländern anfangen, verliert immer die Einheiten des letzten Aktes (sogar die eigene Stamm-Armee wird einfach aufgelöst), spielt leider immer genau das Volk, das auch der Feind spielt und hat ein großes Endziel – nämlich die Hauptstadt mit der finalen Schlacht.

Im Multiplayer begeistern die Dominanzen: Weil ich als Erster acht Truppen gebaut habe, darf ich dem Gegner eine Armee steheln.

Natürlich ist dieser Modus mit all seinen Nachschub- und Ausbaumöglichkeiten taktisch immer noch dreimal interessanter als das, was man in HdR: SuM erlebt. Aber durch die Zerstückelung der Weltkarte und die vorgegebenen Hauptziele, die erzählerisch natürlich zwingend notwendig sind, raubt man dem Spieler die Freiheit. Besonders schade ist deshalb, dass es nach der etwa 15-stündigen Kampagne keinen freien Welteroberungsmodus gibt, wo man sich Volk und Startland aussuchen kann. Warum hat man darauf verzichtet? So kann man abseits der Online-Duelle nur im Skirmish spielen. Der eignet sich vornehmlich als Spiel- und Probierplatz für spätere Internetduelle, weil die Gegner sich hier sehr passiv verhalten. Ideal, um Völker zu testen; weniger gut, um die eigenen Fähigkeiten zu verbessern. Dafür besticht der Multiplayer mit interessanten Modi abseits vom Zerstöre-Alles-Prinzip: Ihr könnt z.B. im Blitzkrieg einstellen, dass der gewinnt, der die erste Stadt erobert.

Missionen & Taktik

Das Geschehen in der Kampagne und den Online-Arenen unterhält ohnehin auf hohem Niveau, was Missionen und Taktik betrifft. Gefangene retten, Wunderwaffen zerstören, Städte halten, Teleskope erobern, Piraten bestechen. Schön ist, dass es in den Schlachten auf der Karte sehr abwechslungsreich zur Sache geht; und die Möglichkeit der Diplomatie mit neutralen Parteien bereichert das Spiel – auch wenn es keine komplexen Verhandlungen, sondern meist nur Allianzen für Rohstoffaustausch gibt. Interessant ist, dass oftmals mehrere Wege zum Ziel führen: Mal helfen kurze Attacken mehrerer Truppen auf Versorgungseinrichtungen, mal gezielte Landungen mit Lufttransportern, um ewig lange Schlachten abzukürzen. Wer sich auf der Karte umschaut und auf die Tipps achtet, kann oftmals viel schneller und klüger gewinnen als mit der langwierigen „Ich-zerstöre-das-Hauptquartier-Methode“. Neben dem Hauptziel könnt ihr immer weitere Bonusziele freischalten, dessen Beute euch wiederum bei der Entwicklung hilft. Außerdem braucht ihr nicht stupide jeden Gegner auf der Karte zu vernichten, damit es weitergeht. Sobald die Ziele erreicht sind, geht es weiter.

Die drei großen Stärken von RoL

Von der Massenvergiftung bis zum Erdbeben ist alles möglich: So mancher Spezialangriff kann eine Schlacht entscheiden.

heißen Variation, Forschung und Spielbalance. Die Völker spielen sich komplett unterschiedlich und zeigen nur wenige Überschneidungen, wobei die Vinci ideal für Einsteiger sind und die Alin sowie vor allem die Cuotl etwas mehr Einarbeitungszeit benötigen – Letztere ernten eine ganz eigene Energie. Während die Vinci fast schon konventionell mit Robotern, Dampfpanzern, schwerer Artillerie und Bombern zu Werke gehen und gleich zu Beginn eine Gefahr darstellen, brauchen die Cuotl etwas mehr Zeit, um ihre mächtigen mythischen Waffen ins Feld zu führen. Der Trumpf der Alin ist ihre Luft- und Turmhoheit, denn sie können im Gegensatz zu den Vinci nicht nur Türme gegen Bodenziele, sondern auch welche gegen Luft- und sogar welche gegen beide Gegnerziele bauen. Das macht sie auf der einen Seite sehr stark in der Defensive und auf der anderen Seite ideal für schnelle Attacken gegen die etwas behäbigeren, aber kampfstärkeren Vinci. Kurzum: Man kann mit jedem Volk jedes andere gezielt auskontern.

Alle drei führen nicht nur viele kleine Truppen mit Spezialangriffen wie Netz, Sturm oder Betäubung ins Feld, sondern auch riesige Ungetüme: Die Vinci bauen eine bewegte Landfestung, die sich wie eine Spinne über das Land bewegt und einen Vernichtungsstrahl abfeuert; die Alin beschwören einen riesigen Glasdrachen, der sich selbst heilt und in seiner Raserei tausende Splitter auf den Feind regnen lässt; die Cuotl setzen auf eine Gift speiende Todeskugel, die Schäden absorbiert und sich sogar unsichtbar machen kann.