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Shaun White Snowboarding (Sport) – Shaun White Snowboarding

Wieso gibt es außer dem mittlerweile drei Jahre alten Amped 3 eigentlich keine Snowboard-Titel auf den aktuellen Konsolen? Diese Frage stellte man sich auch bei Ubisoft. Und da man vermutlich keine befriedigende Antwort erhielt, machte sich das bewährte Team von Ubi Montreal unterstützt von Gallions-Figur Shaun White an die Entwicklung einer Abfahrtssause mit enormer Freiheit. Aber das führt zu weiteren Fragen: Gibt es vielleicht einen offensichtlichen Grund für das brach liegende Snowboard-Genre? Und schafft es Ubi möglicherweise, neue Impulse zu setzen?

© Ubisoft / Ubisoft

Zusätzlich hat man bei Ubi Montreal die Zeichen der modernen Tony Hawk’schen Zeiten erkannt und eine Mechanik aus dem Asphalt-Grinder übernommen. Denn das erste Mal in der Geschichte der Snowboard-Spiele dürft ihr das Board bei Stillstand abschnallen und euch zu Fuß weiter bewegen. Das kommt insofern gelegen, wenn man eine der seltenen, aber für die Story-Fortsetzung wichtigen Riesenmünzen findet, aber an ihr vorbei gerast ist. Stoppen, Board abschnallen und ein paar Meter den Berg wieder hochlaufen und versuchen, sich den immer schwerer zu erreichenden Münzen zu stellen – alles kein Problem. Allerdings verwundert eine Sache: Wieso kann jemand, der genügend Beinmuskulatur hat, um sowohl Stürze aus zig Metern abzufedern als auch sich von Rampen etc. enorm hoch abzustoßen, im Schnee per pedes partout nicht springen? Selbst die Hawk-Skater können klettern und hüpfen, mein Snowboarder hingegen ist an den Boden gebunden wie ein

Ihr könnt auch das Board abschnallen, einen Berg erklettern und dann die Aussicht genießen.

Strauß. Das wird besonders dann ärgerlich, wenn man auf die andere Seite eines im Wege liegenden Baumstammes möchte, aber anstatt drüber zu hüpfen, einen größeren Umweg gehen muss. Natürlich kann man sich daran gewöhnen, doch hier zeigt die inhaltliche Fassade erste Risse.

Die Bürde der offenen Welt

Aus den Rissen werden im Laufe der Zeit allerdings sogar massive statische Probleme. Denn so löblich das Prinzip der Offenheit in SWS auch ist, so sehr schienen die Entwickler auf dieses Feature fixiert zu sein und haben sich dementsprechend zu wenig oder zu spät darum gekümmert, diese Welt auch mit spielerischer Seele zu füllen.
Nehmen wir z.B. die Story. Äh, Moment mal. Die paar mit gut lokalisierten Textfragmenten versehenen Zwischensequenzen in denen die Gallionsfigur mit euch interagiert, kann man nicht wirklich als zusammen hängende Geschichte bezeichnen. Hier hätte sich Ubi Montreal durchaus an Amped 3 orientieren dürfen, dessen Story zwar auch nicht bahnbrechend ist, aber mit seinen unterschiedlichen Stilmitteln und einer absoluten Überzeichnung eine Grundmotivation gelegt hat, die neugierig auf die nächsten Zwischensequenzen gemacht hat.

Und wo wir schon beim Vergleich mit dem bisher einzigen HD-Snowboarder sind: Auch hinsichtlich Aufbau und Belohnung für gelöste Herausforderungen fährt SWS auf den unerklärlichen Weg der Beliebigkeit und bleibt hinter Amped 3 zurück. Versteht mich dabei nicht falsch: Hier wie da wird das Rad nicht neu erfunden und zumeist geht es bei beiden nur darum, so viele Trick-Punkte wie möglich in einem bestimmten Zeitraum zu scheffeln. Dass man dabei teils durch Vorgaben wie Beschränkung auf Sprünge, Rails etc. eingeschränkt wird, haben ebenfalls beide gemeinsam.
Und auch Sammelaufgaben unter Zeit- oder Streckendruck ist bei beiden zu finden. Sprich: Beide verlassen sich im Wesentlichen über die gesamte Spieldauer auf Elemente, die in veränderter Form immer wieder auftauchen. Aber: Amped 3 bietet innerhalb der Aufgabenstellung deutlich mehr Varianten und ist in sich konsistenter. Was ich damit sagen will? Nehmen wir das Beispiel der Offline-Rennen gegen die harten und clever agierenden CPU-Gegner: Beim ersten Versuch habe ich einen glorreichen achten Platz von acht Teilnehmern erreicht. Gnadenlos letzter. Dass ich aber mit meiner erreichten Zeit als Letztplatzierter immer noch gut genug war, um eine Auszeichnung zu bekommen und die Herausforderung abzuhaken, war dann doch etwas überraschend – und inkonsistent.

Unterm Radar

Eine Mechanik, die im Gegenzug zum beliebig wirkenden, aber immerhin soliden Missionsdesign nur noch einen enormen Nervfaktor entwickelt, ist das Radar. An sich eine gute Idee, um mir zumindest eine ungefähre Richtungsidee für die verschiedenen Herausforderungen zu vermitteln, ist die Ausführung vollkommen in die Hose gegangen. Wieso man sich hier nicht an der allgemein üblichen Technik orientiert, einen Zielpunkt festzulegen und dann per GPS-System einen Richtungspfeil (von mir aus sogar nur optional) anzugeben, entzieht sich meiner Vorstellungskraft. Die im Übrigen auch den Radar-Designern gefehlt hat, da das System vorne und hinten nicht funktioniert, man sich aber fast immer auf dieses Hilfsmittel zurückfallen lassen muss, wenn man etwas Bestimmtes sucht.

Wo das Problem liegt? Ganz einfach: Auf dem Radar wird komplett alles angezeigt, was auch in der Übersichtskarte zu finden ist – jede Herausforderung, jede Münze, jeder nur erdenkliche Kleinkram. Ungeachtet von der relativen Entfernung oder sonstigem eventuell wichtigen Auswahlkriterium. Da aber der relevante Anzeigebereich des Radars um euch als Figur relativ klein ist und alle nicht in mittelbarer Umgebung liegenden wesentlichen Orte am Radar-Rand quasi nur darauf warten, in eben diesen Einzugsbereich zu kommen, herrscht eine enorme Unübersichtlichkeit. Da man zusätzlich nicht priorisieren und damit bestimmte Sachen ausblenden oder sich eine Entfernung anzeigen lassen kann (von einem Pfeil, ob das Ziel über oder unter euch liegt will ich gar nicht erst anfangen zu träumen), verwirrt der Radar meist mehr, als dass er hilfreich unter die Arme greift.

Die Berge sind vollgestopft mit natürlich und unnatürlichen Hindernissen.

Und wo ich gerade am Meckern bin: Wieso wird eine von mir selbst setzbare Marker-Möglichkeit eingebaut, zu der ich mich jederzeit zurückwarpen kann, aber keine Möglichkeit, eine Herausforderung spontan neu zu starten, wenn ich mit dem bisherigen Verlauf nicht zufrieden bin? Hier bleibt mir nur die Möglichkeit, bis zum Ende durchzuhalten und jetzt einen Neustart zu wählen. Oder aber ich breche die Herausforderung ab, fahre (oder laufe) wieder nach oben und starte dann neu – in jeder Hinsicht unkomfortabel.

Das Burnout-Syndrom

Es ist sehr schade, dass das Team von Ubi Montreal es nicht geschafft hat, beim Design wesentlicher Spielinhalte so geradlinig vorzugehen wie bei der Kulisse, der Steuerung sowie der Online-Anbindung.
Ähnlich wie in Criterions Burnout Paradise habt ihr die Möglichkeit, über Knopfdruck den Berg als Host für die große weite Spielerwelt zu öffnen und nun gemeinsam und damit mit deutlich mehr Spaß als solo die Herausforderungen anzugehen. Allerdings erreicht man auch in diesem Bereich nicht vollends die Qualität des vermeintlichen Vorbilds. Es gibt zwar bestimmte Aufgaben, die nur online erfüllt werden können, doch eigenständige Koop-Aufgaben im großen Stil wie z.B. akkumulierte Trickscores an einer bestimmten Rampe oder „Reitet zusammen X Sekunden oder Minuten auf Rails“ sucht man vergebens.

Dabei gibt sich die eingängige und in den Tutorials gut aber unspektakulär erklärte Steuerung kaum eine Blöße: Mit dem Einsatz des rechten Sticks als Trickauslöser orientiert man sich deutlich an Titeln wie skate oder Amped 2 auf der Xbox, die sich beide bewährt haben und als Referenz in diesem Bereich gelten. Auf Rails und beim Wechseln von einem Grabtrick zum nächsten etc. gibt es zwar von Zeit zu Zeit Probleme, die Balance zu halten oder saubere Übergänge zu schaffen, doch das ist eher der Physik zuzuschreiben, die sich nie wirklich entscheiden kann, ob sie einen simulativen oder arcadigen Ansatz verfolgt. 
Und da sind wir wieder beim Hauptproblem von Shaun White Snowboarding: Haufenweise gute Ideen und bekannte Ansätze, die aber nur selten bis in die letzte Konsequenz durchdacht wurden.