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Sonic Unleashed (Plattformer) – Sonic Unleashed

Endlich! Die schnellste Galionsfigur der Welt besinnt sich auf ihre Stärken und rast wieder mit einem Affenzahn über knifflige Hindernisse, springt fiesen Robotern wie nebenbei auf den Kopf und sammelt mehr Ringe pro Sekunde als ein polygamer Heiratsschwindler im Jahr. So gelingt dem flinken Igel nach seinem verstolperten Einstieg in die aktuelle Konsolengeneration wieder der Sprung in die Oberklasse der Jump&Run-Szene – mit dem 2006 erschienenen Sonic und die geheimen Ringe. Davon kann das dieser Tage erschienene Sonic Unleashed nur träumen…

© Sonic Team / Sega

Trial&Error&Error&Error

Richtig gelesen: zäh. Was nicht nur an dem öden Gespenster-Nachschub, sondern auch an der schwammigen Steuerung liegt. Sonic reagiert nämlich nur zögerlich auf Eingaben des Analogsticks. Muss er vertrackte Kletterpartien bestehen, wird’s sogar noch schlimmer. Daran ist nicht nur Tatsache Schuld, dass sich Sonic nur dann an Vorsprüngen festhält, wenn man dafür eine spezielle Taste drückt. Es liegt vor allem daran, dass er nur dann nach einer Kante greift, wenn eine entsprechende Anzeige aufblinkt. Das passiert allerdings nicht immer, wenn er geradeaus auf den Vorsprung schaut. Ich suche die

Herausforderung und ich liebe Klettereien, bei denen es in großer Höhe im Magen kribbelt. Aber ich hasse jeden Absturz, der mich hier nur wegen der bockigen Steuerung ein Leben kostet!

Trial&Error ist eine prima Sache – wenn man die eigenen Fehler sofort erkennt. Wenn man sieht, dass es nach den Regeln der Fairness funktionieren kann. Wenn mich aber eine Programmschwäche eins meiner begrenzten Leben kostet, wird aus Motivation Abneigung. Und damit kennt sich Sonic Team offenbar aus. Sie runden den müden Brei jedenfalls mit Rücksetzpunkten ab, die teilweise einige Spielmeilen von der jeweils letzten Szene entfernt sind. Wer langwieriges Kistenschieben 

Technisch schwächer, haben die Wii- und PS2-Fassungen die spielerische Nase vorn.

gerne drei- oder viermal erledigt, weil er am Levelausgang drei Arenakämpfe, eine Kletterpartie und zwei versteckte Extras weiter scheitert, der ist hier goldrichtig! Alle anderen greifen zur Wii- bzw. PS2-Version, denn dort prügelt sich Sonic durch vollkommen andere Abschnitte.

Schwache Brust, starkes Herz?

Szenario, Handlung und Filmsequenzen bleiben dabei natürlich dieselben, so dass der Blaumann auch hier die von Eggman in sechs Teile gespaltene Erde reparieren muss. Allerdings fehlen auf Wii und PS2 viele Levels. Auf den ersten Blick gönnt Sega den technisch schwächeren Konsolen daher nur eine ungeliebte Umsetzung: Wer die Xbox-Fassung kennt, wundert sich zumindest, wie schnell die Handlung mitunter voranschreitet, weil viele Spielszenen einfach fehlen. Dafür dauern viele Abschnitte länger, werden aber von Ladepausen unterbrochen (Werigel-Levels) und bestehen zum Teil aus Wiederholungen bzw. alternativen Routen (Igel-Levels).  Auf Wii darf ich mich zudem zwischen Classic Controller, GameCube-Pad oder Remote und Nunchuk entscheiden, wobei das Schwingen der zwei bewegungssensitiven Controller die zwei Angriffstasten ersetzt. Weil der Nintendo-Konsole eine Schultertaste „fehlt“, funktioniert der flotte Seitwärtsschritt des Igels außerdem nur durch gedrückte B-Taste plus Analogstick – eine unkomfortable Lösung im Vergleich zu den restlichen Controllern.

Das Wichtigste ist jedoch: Die Wii- und PS2-Levels sind nicht nur abwechslungsreicher, die Steuerung ist auch direkter und das Klettern längst nicht so frustrierend. Spielerische Höhepunkte erwarten euch auch hier nicht – aber das immer noch einfältige Mittelmaß tötet weniger Nerven. Ebenfalls bemerkenswert: Die schnellen Jump&Run-Szenen werden auf Wii zu ideenreichen Hindernis-Parcours‘, während mich ihre 360-Pendants irgendwann kalt gelassen haben. Auf Microsofts Zugpferd gibt es nämlich zu viele Momente, in denen Trial&Error zu oft zum Error führt, während die schwammige Steuerung auch hier an meiner Toleranzgrenze knabbert – die Faszination der Trailer und des ersten Levels war leider viel zu schnell erloschen. Die Versionen für die „kleinen“ Systeme bieten mir hingegen

knifflige Herausforderungen, bei denen die spielerische Rasanz und nicht meine persönliche Toleranz im Vordergrund steht.

Braucht kein Mensch!

Nicht zuletzt verzichten die Umsetzungen auch auf das mühselige Abgrasen der Städte, von denen aus Sonic in den nächsten Level startet. Wo der 360-Igel nur deshalb durch 

spielerisch belanglose Ortschaften trabt, um ebenso belanglose Gespräche zu führen, reicht auf Wii und PS2 nämlich ein Klick auf die im Menü gelisteten Gespräche. Hat man alle Personen abgehakt, öffnet sich das Tor zur nächsten Mission. Weil das genau so unaufregend ist wie es klingt, ist mir die technische Notlösung für die schwächeren Systeme

Wegen der schwammigen Steuerung verkommen einige Kletterpassagen leider zur Glückssache.
einfach lieber. Da verzichte ich auch gerne darauf, die aufgelesenen Goldringe bei einem Händler gegen Videos, Bilder oder Musikstücke einzutauschen. Immerhin finde ich ähnliche Extras auch in den Wii- und PS2-Levels. Nur das manuelle Verbessern von Sonics Fähigkeiten fehlt dort, denn das Erlernen neuer Angriffstechniken findet automatisch statt. Auf 360 darf ich hingegen Geschwindigkeit, Schlagstärke, Gesundheit usw. nach Belieben aufwerten. Ich kann auch die Dauer des titelgebenden Unleashed-Bonus‘ steigern, denn sobald Sonic eine bestimmte Anzahl Geister in das Reich der Toten (zurück)geschickt hat, kann er für kurze Zeit schneller laufen und mächtiger zuschlagen. Unglück im Glück: Oft habe ich den Unleashed-Bonus nur ausgelöst, um das dröge Verhauen endlich zu beenden.

An jedem Ort darf ich übrigens auch wählen, ob ich mit Igel oder Werigel unterwegs sein will – per Knopfdruck wird die Nacht zum Tag und umgekehrt. Entsprechend unterschiedliche Aufgaben erwarten mich dann, wenn ich unter Zeitdruck einen bereits erledigten Abschnitt noch einmal bewältigen oder eine bestimmte Anzahl Ringe sammeln muss. Aber wer will schon dorthin zurück, wo man kaum sieht, wohin Sonic eigentlich springen oder schlagen wird. Will man auf 360 die Perspektive per Hand justieren (Wii- und PS2-Besitzer profitieren von festgelegten Blickwinkeln), zeigt der Bildschirm dann sogar gerne nur eine Wand. Nein, so lange Sonic dermaßen lieblos über den Planeten gescheucht wird, kann die Erde froh sein, wenn sie überhaupt gerettet wird. Alles Weitere braucht kein Mensch – auf 360 noch weniger als auf PS2 und Wii.