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The Sun and Moon (Logik & Kreativität) – Unterhaltsame Schwerkraft-Knobeleien?

Beim Ludum Dare 29, einem internationalen GameJam, wurde The Sun and Moon von Daniel Linssen als Gewinner ausgezeichnet. Hat die minimalistisch präsentierte Mischung aus einem Plattformer und Knobeleinlagen das Zeug zum Hit? Wir haben uns in die abstrakten Welten gestürzt, kleine Punkte eingesammelt und mit den Auswirkungen der Schwerkraft experimentiert…

© Daniel Linssen / Digerati Distribution

Einfaches Prinzip, schwer zu meistern

Das grundlegende Konzept hinter The Sun and Moon ist sehr simpel: Man dirigiert eine Art Wurm durch die teils mehrere Bildschirm großen 2D-Level und hat dabei die Aufgabe, drei kleine Punkte aufzusammeln, denn erst dann öffnet sich der Ausgang. Soweit, so bekannt – und irgendwie schrecklich gewöhnlich. Und genau deshalb hat sich Linssen einen besonderen Clou ausgedacht: Jeder Level besteht quasi aus zwei Ebenen, die innerhalb des spartanischen Retro-Looks farblich voneinander abgesetzt werden. In der einen Ebene herrschen normale physikalische Gesetze, doch in der anderen wird die Schwerkraft umgedreht. Taucht man z.B. in den Boden einer zweiten Ebene ein, indem man zuerst die Sprung-Taste und dann den „Umkehr-Knopf“ drückt, wird man anschließend mit der gleichen Kraft wieder aus ihm heraus geschleudert. Durch das clevere Leveldesign ergeben sich dadurch zahlreiche Möglichkeiten, zunächst unerreichbar scheinende Punkte einzusammeln – man muss sie nur erst erkennen.

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Auf der Flucht vor dem Boss-Verfolger. © 4P/Screenshot

Doch das Austüfteln der Möglichkeiten ist nicht die einzige Herausforderung, mit der man konfrontiert wird: In den Abschnitten finden sich oft zahlreiche und / oder fies positionierte Hindernisse, die schon bei der kleinsten Berührung die Spielfigur zerfetzen. Später kommen auch noch verschwindende Plattformen und ein regelmäßiger Wechsel von Ebenen innerhalb der Level hinzu, so dass bei den Aktionen das richtige Timing immer wichtiger wird, will man nicht ins Bodenlose stürzen. Und das passiert hier häufig. Sehr häufig. Entsprechend steigt auch der Frust, wenn man ständig Bekanntschaft mit den tödlichen Sternen macht, den richtigen Zeitpunkt verpasst oder nach einem Sprung zu schnell in die untere Ebene eintaucht und deshalb durch den Boden hindurch ins Nichts fällt.

Die Uhr tickt

Und als ob das alles nicht schon fordernd genug wäre, kommt mit dem Zeitfaktor auch noch eine gehörige Portion Hektik mit ins Spiel. Pro Level kann man drei Auszeichnungen ergattern: Einen sichelförmigen Mond, einen Vollmond oder eine Sonne – je nachdem, ob man die jeweilige Ziel-Zeitvorgabe unterbietet. Und meine Güte, ist das heftig! Oft war ich froh, überhaupt die Mindestzeit zu knacken – und stellte mir gleichzeitig die Frage, wie man manche Level sogar noch zehn oder mehr Sekunden schneller lösen könnte. Der Trick liegt darin, dass es oft mehr als einen Weg zum Ziel gibt. Doch selbst wenn man die ideale Route zum Aufsammeln und Ausgang endlich durch viel Trial & Error herausgefunden hat, ist der Weg zur Sonne immer noch eine große Herausforderung und erfordert eine nahezu perfekte Ausführung. Ja, das kann motivierend sein – vor allem auch in Hinblick auf die Bestenliste. Ich habe mich oft selbst dabei ertappt, immer und immer wieder einen neuen Versuch zu starten, um zumindest den Vollmond abzugreifen oder es tatsächlich doch mal bis zur Sonne zu schaffen.

Allerdings lässt die Motivation schnell nach. Weniger durch den Frust der gefühlt tausend Tode oder die teilweise extrem knappen Zeitlimits, sondern viel mehr dadurch, weil sich das Spielprinzip rund um die beiden Schwerkraft-Ebenen zu schnell abnutzt. Zwar wird es durch vereinzelte Bosskämpfe angenehm aufgebrochen, in denen man zusätzlich zur Sammelaufgabe vor einem Verfolger flüchten muss. Doch ansonsten bleiben Variationen entweder aus oder kommen einfach viel zu spät – wie z.B. im Fall der wechselnden Ebenen. Hinzu kommt eine extrem nervige Hintergrundmelodie – und das sage ich als jemand, der Chip-Klänge eigentlich zu schätzen weiß. Doch hier möchte ich das belanglose Gedüdel möglichst schnell aus meinen Gehörgängen verbannen und habe ungewöhnlich schnell von der Stumm-Schaltung in den Audio-Optionen Gebrauch gemacht. Dabei ist die Musik gar nicht das große

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Level gibt es mehr als genug – aber an der Abwechslung hapert es. © 4P/Screenshot

Problem. Über ein paar Level hinweg hätte ich das Stück durchaus ertragen. Dass ich aber über 40 und mehr Level die gleichen Klänge hören muss, kann ich höchstens Ohrwürmern bei Klassikern wie Tetris oder Bubble Bobble verzeihen. Hier nicht.   

Ausbaufähiges Spieldesign

Für ein „Ein-Mann-Projekt“ ist The Sun and Moon durchaus eine solide Leistung und auch dem visuellen Retro-Stil kann ich im Gegensatz zur Musik durchaus etwas abgewinnen. Aber Linssen konzentriert sich zu sehr auf diese eine zentrale Idee, anstatt sie mit zusätzlichen Elementen weiter auszubauen. Ich hätte mir z.B. noch eine weitere Ebene vorstellen können, in der nur horizontale Kräfte von Bedeutung sind. Oder Wind als Faktor, der die Flugbahn bei hohen Sprüngen beeinflussen würde. Oder den Einbau von Trampolin-Plattformen sowie Koop- oder Versus-Herausforderungen. Es gäbe noch viele Möglichkeiten, der aufkommenden Langeweile und Abnutzung entgegenzuwirken.

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