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Untold Legends: Dark Kingdom (Rollenspiel) – Untold Legends: Dark Kingdom

Wenn man wollte, könnte man Untold Legends: Dark Kingdom als Action-Rollenspiel vom Reißbrett abtun, dem es an Spannung, taktischer Tiefe und einfallsreicher Charakterentwicklung fehlt. Wenn man wollte. Man könnte aber auch gespannt fragen, ob sich Sony Online tatsächlich nur auf Konventionen verlässt oder vielleicht zu ganz anderen Horizonten schielt. Und dann müsste man fragen: Seid ihr Rollenspieler oder Action-Fan?

© Sony Online Entertainment / Electronic Arts

Platzangst in Levelschläuchen?

Was erwartet ihr? Eine epische Geschichte mit kontrastreicher Charakterzeichnung und ungewöhnlichen Wendungen? Dann sitzt ihr bei Dark Kingdom im falschen Kino. Oder ist euch nach einer packenden Runde in der Spielhalle zumute? Dann lohnt sich das Kleingeld! Zumal der Sitz am Automaten bequemer als der seiner Konkurrenten ist, denn Dark Kingdom fordert keine Fingerakrobatik, um ans Ziel zu kommen. Das fängt bei der ordentlich sortierten Übersicht eures Charakters an und hört bei den zahlreichen Fähigkeiten auf, denen ihr ohne Umweg ins Menü eine Taste zuweisen könnt – ein Druck aufs Digipad zum Auswählen und das Bestimmen des gewünschten Buttons reicht. Solange ihr im Kampf ohne Zaubersprüche auskommt, setzt ihr die zwei üblichen Hiebe ein: den schnellen leichten sowie den langsamen schweren. Ebenso bekannt: Ihr dürft die

Gelungene Ausnahmen: Die meisten Monster verblassen allerdings neben den fantasievoll gezeichneten Helden.

beiden Attacken variieren, um besonders großen Schaden anzurichten. Sobald ihr einen Schlag ausführt, zeigt euch Untold Legends dann, mit welcher folgenden Taste ihr eine Kombination startet. Kopf frei für die tollen Manöver und Ring frei für die ganze Action – eine exzellente Idee! Zumal jeder der drei Helden sein eigenes Repertoire an Kombos mitbringt.

Noch einfacher wird es für Abenteurer, die gerne Fern- und Nahangriff verbinden. Eure Figur entscheidet nämlich aufgrund der Entfernung zum Gegner, mit welchen Mitteln sie das Duell führt – und wieder ein Knopfdruck (zum Wechseln der Waffe) weniger. Ihr habt Freude am Sparen? Dann lasst auch den Weg zum Händler in Zukunft einfach bleiben. Wo die Kämpfer im vergangenen Untold Legends nämlich ihre Form für kurze Zeit verändern konnten, entziehen eure Mitglieder der Eliteeinheit The Dragon’s Shade ihren gefallenen Widersachern Essenz. Doch was hat das mit An- und Verkauf zu tun? Ganz einfach: Ihr wandelt auch gefundene Gegenstände, wann immer ihr wollt, in Essenz um und sobald ihr einen der vielen Speicherpunkte erreicht, erschafft ihr davon Waffen, Rüstungen oder Edelsteine zum Unterstützen eurer Fähigkeiten. Außerdem dürft ihr dort sowohl Gesundheit als auch Mana-Vorrat füllen. Die Zeiten, in denen ihr Dutzende Tränke mit in die Schlacht nehmen musstet, sind nämlich vorbei. Stattdessen stärkt ihr euch an Speicherpunkten, speziellen Urnen oder entzieht toten Monstern einen Spritzer Lebenssaft. Willkommener Nebeneffekt: Dadurch fordert euch Dark Kingdom stärker als seine Vorgänger. Denn die Entwickler wissen, wie viel Energie ihr wo findet und konnten die vier Schwierigkeitsgrade deshalb genau an die gewünschte Herausforderung anpassen. Gemütliche Erforscher ahnen allerdings längst: Am Wegesrand versteckte Schatzkisten sind der Gipfel der freien Erkundung. Untold Legends schleust euch in seinem dritten Auftritt ebenso geradlinig durch das Fantasy-Reich wie es sein Vorgänger tat.

Das Crescendo der Karpman

Viel Zeit zum Herumstrolchen bleibt der Dragon’s Shade aber ohnehin nicht, weil sie der anfängliche Aufruhr barbarischer Rebellen schnell zum Herz des Übels führt: ihrem eigenen König. Nach dem, was am ehesten an Orks erinnert, schlagt ihr euch deshalb bald mit Zombies, Skeletten oder solchen Wesen herum, die der griechischen Mythologie entsprungen scheinen. Wobei Dark Kingdom dem Unheil, genau wie sein Ahne, auch einen Anstrich von Industrieller Revolution verpasst. Ein Hauch von Evolution weht hingegen durch das Abenteuer, wenn ihr entzündbare Fässer ansteckt, um euren Feinden quasi großkalibrig die Leviten zu lesen. Einen ähnlichen Effekt hat das Anstecken von Kanonen – weniger wirkungsvoll, dafür zielgerichteter ist das Werfen von Fässern, Kisten oder Felsbrocken. Ihr findet überall Möglichkeiten, euch die Physik zunutze zu machen, wobei es mir fragwürdig scheint, dass mein Krieger von einem großen Felsbrocken genauso weit zurückgeworfen wird wie von dessen kleinen Bruchstücken. Eine echte

Zala stand mir im Online-Abenteuer lange bei.

Berechnung der Zusammenhänge gibt es offenbar nicht. Stattdessen kokettiert Dark Kingdom mit vorgegebenen Routinen – nach denen auf modernem Parkett kein Hahn mehr kräht.

Mit seinen visuellen Reizen braucht es sogar nicht erst auf die Tanzfläche treten, denn die brachialen Kampfszenen der fantasievoll und schön gezeichneten Helden gehen zwischen groben Kulissen, spät auftauchenden Objekten und ausdruckslosen Monstern unter. Was immer noch kein Vergleich zu der unterirdischen Kameraführung ist! Ihr könnt die Ansicht zwar drehen, doch zum einen dürft ihr weder herein- noch herauszoomen und zum anderen wählt sie vor Mauern oder Felswänden buchstäblich den Weg des geringsten Widerstandes: Sie fährt an Hindernissen einfach hoch, um euren Charakter direkt von oben zu zeigen – in engen Ecken gerne auch mit zackigen Schwenks in alle Richtungen. Einmal, zweimal, dreimal hätte ich das wegstecken können, aber Sony Online hat die Kamera schlicht und ergreifend nicht im Griff. Das raubt die Übersicht, wirkt unprofessionell, nervt.

Unprofessionell – das ist auch eine Tugend, welche die Soundtracks der zwei bisherigen Untold Legends‘ zuerst mehr, dann spürbar weniger durchschimmern ließ. Und tatsächlich gibt es erneut Momente, in denen mich Laura Karpmans Crescendi zur Weißglut treiben. Es reicht einfach nicht, die Lautstärke anzuheben, wenn die Instrumente wie auf einer gesprungenen Schallplatte festhängen! Doch dann unterstreicht der Chor auf einmal die Melancholie des ins Chaos gestürzten Landes. Dann hallt eine Orgel durch die hohen Gänge eines uralten Stollens. Und Dark Kingdom erzeugt eine emotionelle Tiefe, die unter der gewaltigen, aber seelenlosen Action sonst verloren scheint.