Von Henry ist nach seinem Selbstmord nicht viel übrig geblieben. In seinem Abschiedsbrief vermacht er seinem besten Freund (Name und Geschlecht der Spielfigur sind frei wählbar) die eigene Wohnung und den Job als Warenhändler. Der Protagonist soll sich gut um Henrys Mutter und Frau kümmern und den dunklen Geheimnissen seines Wohnorts auf den Grund gehen. Dann würde er schon verstehen, wieso Henry keine andere Wahl blieb.
Das sind ja nicht gerade die besten Aussichten für einen Umzug! Vielleicht sind ja zumindest die Nachbarn nett… Visuell sind sie es schon mal, denn das Artdesign von A Place for the Unwilling ist fabelhaft und einer der Hauptgründe, wieso ich auf das Spiel aufmerksam wurden. Durch den verspielten Zeichenstil kommt umgehend Stimmung auf, wenn man durch die viktorianischen Gassen spaziert oder dem knollnasigen Buchhändler bei seinen Vorträgen lauscht.
Wie in Majora’s Mask bleibt dem Spieler nur wenig Zeit. In 21 Tagen sollen Stadt und Bewohner, die zum Großteil nur noch als graue Schatten erkennbar sind, für immer verschwinden. Jeden Morgen wacht man in Henrys ehemaliger Wohnung auf und kann frei entscheiden, welchen Aufträgen der Stadtbewohner man nachgehen möchte. Dabei kann man die Stadt frei zu Fuß erkunden oder gegen ein Entgelt mit der Kutsche fahren, um ein bestimmtes Ziel direkt anzusteuern. Dabei gibt es keinerlei Wegweiser, man muss die Aufträge gut durchlesen und sich die wichtigen Orte der Stadt einprägen. Teilweise hatte ich sogar Probleme, mich zu erinnern, wo jetzt nochmal das Krankenhaus oder der Zeitungshändler war, denn Straßennamen werden meist nur beim ersten Besuch eines Ortes genannt.
Im Verlauf der Woche lernt man immer mehr Stadtbewohner kennen, die alle recht unterschiedliche Anfragen haben: Während ein schmieriger Verkäufer aus dem Armenviertel Hilfe braucht, um die Schulden seiner Kunden
einzutreiben, verlangt ein kleiner rauchender Zeitungsjunge, dass ich die Rebellion unterstütze. Aber auch im Reichenviertel gibt es zahlreiche Anfragen: Während der Buchhändler einen immer wieder mit zahlreichen Zitaten und Autoren der Hochliteratur vollquatscht und danach auf Botengänge schickt, baut man eine freundschaftliche Beziehung zur liebevollen französischen Händlerin auf, die darum bittet, Essen an die Armen zu verteilen. Nett ist, dass viele der täglich aufpoppenden Anfragen nur an diesem Tag erledigt werden können. Als ich einen Tag später die exklusive Einladung des Gentleman-Clubs wahrnehmen wollte, erhielt ich keinen Zutritt mehr.