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Cloud Chamber (Adventure) – Erzählerisches Experiment

Der Kopenhagener Entwickler Investigate North will die Grenzen zwischen Mystery-Thriller und vernetzter Kommunikation verwischen: In Cloud Chamber soll die ganze Welt das Rätsel um einen Todesfall sowie geheimnisvoll leuchtende Experimente entschlüsseln. Steckt hinter dem Titel ein zukunftsweisendes Konzept?

© Investigate North / Investigate North

Rätseln durch Diskussionen

Mir fiel z.B. bei der Aufnahme auf einem Dach sofort auf, dass etwas faul ist: Während Max und Thomas nach einem Experiment aus der Bewusstlosigkeit aufwachen, sind mir links zwei seltsame Schemen aufgefallen. „Wer sind die beiden dunklen Gestalten am linken Bildrand?“ fragte ich und erntete dafür eine ganze Reihe positiver Bewertungen. Zwei Tage später erhielt ich sogar die Auszeichnung als bester Diskussionsteilnehmer zum Dokument. „Einer der beiden gibt offenbar ein Handzeichen“, antwortete ein Nutzer, „ein Anzeichen dafür, dass er das Kommando zum Aufstehen gibt und das Video gefälscht wurde!“

Die Entwickler spielen immer wieder gekonnt mit solchen Meta-Ebenen ihrer Erzählform. Zu Beginn störten mich z.B. die zahlreichen Kamera-Perspektiven: Wo waren denn bitte bei der angeblich amateurhaften Doku die ganzen Kameramänner, die für solch ein professionelles Endergebnis nötig gewesen wären? Und warum hat die Postproduktion die Aufnahmen mit derart unterschiedlichen Filtern und Bildfehlern versehen? Mal erinnern die weißen Punkte an radioaktive Strahlung auf analogem Film (wie aus Tschernobyl), anderswo gibt es eckige Kompressionsfehler (wie bei digitalem Material) zu sehen. Zu Beginn wirkte das alles reichlich unglaubwürdig – doch je tiefer ich in die Geschichte eintauchte, desto mehr schlüssige Theorien entwickelten sich dazu in meinem Kopf. Auch die zu professionelle Aufmachung störte mich irgendwann kaum noch: Als Fragmente einer Dokumentation wirken die Schnipsel tatsächlich zu poliert. Wenn man Cloud Chamber als interaktives Gegenstück zu einer Mystery-Serie begreift, bleibt es aber meist glaubwürdig. Um mich bei Akte X auf die Handlung einlassen zu können, stelle ich schließlich auch nicht jede Einstellung und jedes handwerkliche Detail in Frage.

Game of Casino Royal

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Die Reise durch die Datenbank gleicht einer Achterbahnfahrt durch eine technoid designte Traumwelt. © 4P/Screenshot

Unter den Darstellern befinden sich bekannte Gesichter: Gethin Anthony (Game of Thrones), Jesper Christensen (Casino Royal) und ihre weniger bekannten Kollegen liefern zwar keine Hollywood-Leistung ab, trotzdem überzeugt ihr Schauspiel. Auch die Inszenierung liegt meilenweit über dem Standard alter Full-Motion-Spiele aus dem LaserDisc-Zeitalter. Vor allem Kathleens Beziehung zu ihren beiden Mitstreitern macht die Geschichte interessant. Die emotionale Verfassung der drei ist offenbar stark mit ihrer Forschung verknüpft: Mal wirkt Kathleen in ihren Video-Logs gefasst oder euphorisch, später total aufgewühlt und traurig, als sie wieder eine Entdeckung gemacht hat, welche sich nur schwer in Worte fassen lässt. Auch bei der Beziehung zu ihrem stoischen Vater liegt offenbar einiges im Argen.

Die „Reise“ durch die Datenbank erinnert an eine Achterbahnfahrt durch eine futuristisch glühende Drahtgitterwelt. Zu Beginn war mir die Navigation etwas zu umständlich, weil man manche Dinge erst sieht, nachdem man die Kamera mit der rechten Maustaste gedreht hat. Später habe ich es aber genossen, durch die bunte Parallelwelt zu düsen, deren Design gut zum Thema passt. Verfügbare Dokumente lassen sich mit einfachen Mausbefehlen öffnen, zoomen und bewegen. Der Aufbau der Kommentar-Sektion hat mir weniger gefallen: Das Scrollen der Texte z.B. geht etwas hakelig vonstatten. Außerdem mangelt es an Metadaten: Ich kann z.B. nicht einmal das Datum oder die Uhrzeit sehen, an dem ein Kommentar oder eine Nachricht verfasst wurde. Gerade in einem derart kommunikativen Spiel ist das ein herber Dämpfer.

Technologie und Techno

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Ein Blick auf eines der zoombaren Dokumente. Im kleinen Fenster rechts wird kommentiert und diskutiert. © 4P/Screenshot

Auch die dumpf wummernde Hintergrundmusik ist mir beim Inspizieren von Dokumenten schnell auf den Wecker gegangen. Im Rest des Spiels passen die elektronischen Klänge aber gut zur Geschichte: Das Repertoire reicht von entspanntem Electro mit Gesangspassagen über Max‘ futuristisch fiepsenden Dubstep bis hin zu chaotischem Lärm, welcher die anschwellende Dramatik in den letzten „Levels“ symbolisiert. Allzu lang dauert die Rätselreise übrigens nicht: Nach wenigen Stunden war ich in der letzten Sektion der Datenbank angelangt. Danach wurden aber immer wieder geheime Dokumente in den früheren Levels freigeschaltet, die ich mir nach und nach durch meine positiv bewerteten Kommentare verdient hatte.

 

  1. otothegoglu hat geschrieben:
    4players-Test hat geschrieben:Online-Zwang Nein
    Da stimmt doch was nicht?
    Wenn das Spiel darauf ausgelegt ist mit anderen gemeinsam Rätsel zu lösen (so wie ich es verstanden habe kann man sie nicht selber/alleine lösen?), dann herrscht doch automatisch Online-Zwang - wie möchte man sonst weiterkommen?
    Stimmt natürlich, da wurde ein Häkchen falsch gesetzt. Ohne Anmeldung läuft nichts.

  2. Silbendrechsler hat geschrieben:Gab es so etwas in der Art vor x Jahren nicht schon mal? "In Memoriam", meine ich, heißen die Spiele. Da musste man auch über das Internet und per Email Rätsel lösen. War ein bisschen zu speziell für meinen Geschmack und schweinemäßig schwer.
    Jepp, vor allem Teil 2 hat das sehr exzessiv zelebriert. Hab ich noch daheim rumliegen! Das waren aber eher "gefakte" Mails! ;-) Also dort bekam man dann Hinweise per Mails von Protagonisten des Spiels. Dem Multiplayerprinzip musste man nicht zwingend folgen. Diese Fakemails waren dann so ein kleiner Kniff, mit dem Du als Soloplayer dennoch den Fall lösen konntest. Man musste sich da aber auch durch Tonnen von Hinweisen wühlen: Videos , elektronische Akten, Zeitungen ... mein war das auch nicht!

  3. 4players-Test hat geschrieben:Online-Zwang Nein
    Da stimmt doch was nicht?
    Wenn das Spiel darauf ausgelegt ist mit anderen gemeinsam Rätsel zu lösen (so wie ich es verstanden habe kann man sie nicht selber/alleine lösen?), dann herrscht doch automatisch Online-Zwang - wie möchte man sonst weiterkommen?

  4. Gab es so etwas in der Art vor x Jahren nicht schon mal? "In Memoriam", meine ich, heißen die Spiele. Da musste man auch über das Internet und per Email Rätsel lösen. War ein bisschen zu speziell für meinen Geschmack und schweinemäßig schwer.

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