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Escape from Paradise City (Rollenspiel) – Escape from Paradise City

In Paradise City ist die Hölle los, das wissen wir spätestens seit Gangland: Normalen Alltag kennt diese Stadt nicht, es regiert die Mafia. Nachdem ihr im inoffiziellen Vorgänger zu Escape from Paradise City zum Paten aufgestiegen seid, lenkt ihr heuer die Geschicke dreier Gesetzloser, welche den Mob infiltrieren und eine gefährliche Verschwörung aufdecken sollen. Gangland war ein Mix aus Action und Strategie mit wenig Handlungsfreiraum – welchen Anspruch verfolgt die Quasi-Fortsetzung?

© Sirius Games / Focus Home, Frogster Interactive

Nette Kriminelle

Geändert hat sich im Moloch der Verbrechersyndikate wenig: Noch immer ziehen rücksichtslose Gangs in Paradise City die Fäden. Sie teilen die Stadt in Viertel auf, die Polizei hat sich scheinbar zurückgezogen, Bleigewitter übertönt den Straßenlärm und irgendwo brütet ein gewiefter Schurke einen besonders hinterhältigen Plan aus. Jeffrey Kovac,

engagierter Agent der amerikanischen National

Angenehm: Nick Porter, Waffenexperte und moderner Robin Hood.
Security Agency (NSA), will der Verschwörung unbedingt auf den Zahn fühlen, doch seine Männer können in den Milieu-verseuchten und von übernatürlichen Vorgängen durchzogenen Straßen nicht ermitteln. Also greift Kovac zu unkonventionellen Mitteln und überlässt das Infiltrieren der Gangster-Szene drei Kriminellen – im Gegenzug für deren Freiheit. Allerdings haben entweder Entwickler oder Publisher bei der Prämisse kalte Füße bekommen und zeichnen ihre 

Protagonisten als im Herzen gute Menschen. So werden ein moderner Robin Hood (Waffen-Experte Nick Porter), ein in Notwehr mordendes Straßenkind (Nahkampf-Spezialistin Angel Vargas) sowie ein „unorthodoxer“ Polizist (der mit Verbrechern dealende Boris Chekov) zur Mitarbeit gezwungen – im Gegenzug für ihre Freiheit. Schade, der eine oder andere ungemütliche Grat hätte den Figuren mehr Profil verliehen.

Aber darum geht es den Machern ohnehin nicht. Denn auch Paradise City ist lediglich die Schablone eines Mafiaviertels mit kaum mehr Profil als die Übersichtskarte, auf der ihr eure Aktionen plant. Großes taktisches Geschick ist dabei nicht gefragt – Schusswechsel und das Aufwerten eures jeweils aktiven Charakters stehen im Vordergrund. Leider entscheidet ihr euch dabei nicht für einen der drei Akteure, sondern übernehmt in jedem Auftrag die Rolle des vorgegebenen Alter Ego. Eine Identifizierung mit der gesteuerten Figur fällt damit flach, was umso befremdlicher wirkt, wenn sich diese über 24 Eigenschaften und diverse Grundwerte wie in einem Rollenspiel

entwickelt. Nach dem Erledigen von verpflichtenden und optionalen Aufträgen kann sie so besser zuschlagen, präziser zielen, mehr Schaden einstecken, 

Die Sichtweite lässt leider etwas zu wünschen übrig.

sicherer ausweichen, Handlanger zur ständigen Begleitung anstellen usw. Mit jeder erhaltenen Eigenschaft darf sie zudem bis zu drei neue Fähigkeiten lernen – einen Besuch beim lokalen Ausbilder einschließlich Spesen vorausgesetzt.

Giftgas-Reinigung

Und was stellt ihr mit euren sich so entwickelnden Agenten an? Ihr erobert in jeder Mission ein Viertel nach dem anderen, bis ihr und eure angeheuerten Gangster den Boss des gesamten Stadtgebiets attackieren könnt. Auch Online oder im LAN zieht ihr gegen bis zu sieben Gegner ins Feld, wobei ihr hier entweder sämtliche Leben der Widersacher auslöschen oder alle Distrikte erobern müsst – falls ihr im dünn besiedelten Online-Moloch überhaupt einen Interessenten findet… Das Überfallen benachbarter Viertel ist in jeder Spielvariante so banal wie die Auftragsstellung: Klickt auf der Karte den anvisierten Bereich an und wählt „Sammeln“ – schon bewegen sich eure Leute selbstständig auf den Chefgangster zu, eliminieren ihn häufig sogar ohne euer Zutun. Auch wenn Paradise City als Synonym für „unkomplizierte Action“ stehen will, hätte ich mir einen Funken mehr Freiraum beim Kommandieren meiner „Untertanen“ gewünscht.