Der Wind pfeift mir um die Ohren, während ich in zwei, drei Metern Höhe über saftig grüne Hügel fliege – eine endlose Landschaft mit schroffen Felsfingern unter mir, dunkle Bergketten am Horizont weit vor mir. Man sitzt auf seiner kleinen Couch in seiner grauen Stadt, doch schon nach wenigen Augenblicken schmeckt man dieses angenehme Gefühl von Weite und unberührter Natur. Hört sich kitschig an? Ist es auch. Aber diese idyllische Kulisse ist zauberhaft. Und eine Flugstunde später sagt ein Mann mit Max-Payne-Shirt: Hey, das ist einfach wunderschön!
Doch gleichzeitig verkrampft man als Spielefresser alter Schule, denn all das Schöne könnte ja (mal wieder) purer Selbstzweck sein: Mann, das ist bloß eine blöde Grafikdemo! Das ist anspruchslose L’Art pour l’art! Das ist nicht mehr als Landschaftsonanie für Käschuälgayma! Oh, wie polemisch diese professionelle Skepsis sein kann. Und sie behält ja so oft so gnadenlos ihr Recht, wenn sie die Urteile aus Archiven holt – wehret den Anfängen: Hat das kreative Team von thatgamecompany mit flOw nicht bloß einen interaktiven Bildschirmschoner entwickelt? Na?
Der Vorhang geht auf
Ja. Stimmt. Aber irgendwie will mich dieses fliegende Erlebnis nicht loslassen. Und irgendwie steckt hier mehr drin als in flOw. Aber was genau? Schauen wir mal auf die Sixaxis-Steuerung: Als ich den Controller nach vorne neige, geht das kleine weiße Blatt zusammen mit all seinen blauen, gelben und cremefarbenen Nachzüglern in den Sturzflug. Kurze Zeit später küsst mein kunterbunter Schweif diese riesige Wiese, die sich wie ein Vorhang teilt – wow! Eine dermaßen glaubwürdig animierte Landschaft habe ich noch nicht gesehen.
Ich drücke X und rase wie ein ICE durch das hohe Gras, während sich links und rechts hunderte Halme ehrfurchtsvoll verneigen. Hinzu kommt das akustische Feedback: Bei jedem Kontakt mit einer Blüte begleiten mich sanfte Klavieranschläge, die eine fortlaufende Melodie ergeben, wenn ich den Kurs halte – ja, zu Beginn wird man vor allem technisch beeindruckt. Es gibt eine lebendige Flora mit hunderttausenden gleichzeitigen Animationen von einzelnen (!) Stengeln, Blättern und Blüten.
Die drei Ebenen
Es gab mal eine Zeit lang einen Wasserfetisch in der Spielebranche, der viele Redakteure über Jahre zum Staunen-über-das-spiegelnde-Nass versklavte. Ich bin scheinbar dem Gras- und Blumenfetisch verfallen. Ich geb’s ja zu. Also doch alles nur Grafikgeilheit? Nein, denn da verbergen sich eine interessante spielmechanische und sogar eine erzählerische Ebene unter dieser herrlich offensichtlichen ersten. Letztere würde für sich alleine aus Flower einen interaktiven Bildschirmschoner machen, aber zusammen mit den beiden anderen Ebenen entsteht ein faszinierendes Spiel mit angenehmer Tiefe.
Was verbirgt sich also unter der Kulisse? Zum einen eine entspannte, aber dennoch fordernde Spielmechanik: Man kann zwar einfach so umher fliegen, ohne sich Gedanken zu machen; auch das macht Spaß. Aber Ziel ist es, Farbe und Leben in Landschaften zu bringen, indem man z.B. über bisher nicht erblühte Blumen fliegt und diese quasi aufgehen lässt – danach lassen sie ein Blatt fallen, das den Schwarm begleitet. Lässt man zwanzig Blumen über diesen Kontakt blühen, wird man also auch zwanzig weitere Blätter als Anhängsel begrüßen. Mit der Zeit kann man so einen Schweif aus tausenden Blättern entstehen lassen, den man ohne Grenzen durch die Landschaft fliegt.
Zauber der Verwandlung
Durch Neigungen und Drehungen des Controllers kann man seine Blätterschar frei in die Höhe oder zur Seite navigieren – so lassen sich selbst scharfe Kurven oder steile Manöver fliegen. Drückt man jetzt einen Knopf, egal welchen, beschleunigt sich das Ganze und man rast wie ein Derwisch durch die Wiesen, kann in die Höhe steigen und bei fallender Geschwindigkeit Manöver wie ein Segelflugzeug einleiten. Dabei konzentriert sich die Kamera immer auf das allererste Blatt, das wie ein Fadenkreuz für alle Bewegungen zuständig ist und auch den Kontakt mit einzelnen Blüten oder Blumenboni herstellen muss.
Sammelt man an bestimmten Stellen alle Blumen, kann man ähnlich wie in Okami Teile der Landschaft heilen, die dann in einer beeindruckenden Explosion aus Farbe und Funken zum Leben erweckt werden. Mal rast das frische Grün dann wie ein Fluss durch enge Canyons, mal breitet es sich in imposanten Druckwellen nach allen Seiten aus. Es gibt je nach Abschnitt brach liegende Wiesen, dunkle Flecken, inaktive Apparaturen oder einfach graue Betonpfeiler, die man nicht nur farblich, sondern auch architektonisch beleben kann.
Ich habs gestern nochmal angeschmissen und ich muss wirklich sagen das man hier leider eine Chance vergeben hat um das Spiel auf NextGen zu heben um es eventuell noch emotionaler zu machen.
Wie im Verhältnis ein Flower dann aber 90% bekommen kann, verstehe ich nunmal nicht. Einfach im Verhältnis dieser beiden Wertung (unabhängig von der Skalierung der Skala). Wenn die Innovation belohnt werden soll, kann ich das nur klar unterstützen. Hierfür mag (und lese) ich 4p.
Als Portierung ohne Fortschritt machts für mich keinen Sinn - bzw. machts für mich schwierig solche Tests als Entscheidungsgrundlage zu verwenden, ob ich ein Spiel kaufe.
Ist aber ausgetauscht und ok so. Ich kann das gut so stehen lassen.
Warum gibts hier ne Bewertung für Flower auf der PS4? Das Ding ist genauso wie die God of War-Spiele der GoW-Collection in der jeweils letzten "Gen" auf den Markt gekommen und hätte daher nach eurer Philosophie höchstens ein Special verdient. Absolut inkonsequent. Es sei denn Flower ist überhaupt kein Spiel mehr sondern nur noch ein Stück Kunst, das man aufsaugt. Dann ergeben Wertungen nur erst recht wieder keinen Sinn.
Es ist "müßig" jetzt darüber zu diskutieren aber da 4Players keine einheitliche Bewertung im Punkto Grafik hat und diese nach außen hin mal so und mal so anwendet ohne dies dann im Spezialfall genauer zu erläutern. Deshalb ist die Kritik an der Kritik von einigen Lesern meiner Meinung nach schon gerechtfertigt.