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Great Battles of Rome (Taktik & Strategie) – Great Battles of Rome

Fehlen euch noch Notizen auf dem Spickzettel für die Geschichtsklausur? Dann schaut bei den Great Battles of Rome rein. Denn die Videos aus den Archiven des History Channels gehen stichpunktartig Aufstieg und Fall des römischen Reiches durch. Slitherine versucht sich ähnlich wie The Creative Assembly in Rome: Total War an der Aufarbeitung packender historischer Ereignisse. Steht euch also der Sinn nach forderndem Taktieren? Dann lauft um euer Spieleleben!

© Slitherine / Koch Media

Nebenrollen: Unbekannt

Boier, Ligonen, Saluvier: Die Namen der Völker, welche Rom die Stirn boten kennt ihr aus dem Effeff? Nein, mir sagen sie ebenso wenig. Das sollten sie aber; schließlich habe ich etliche Stunden gegen sie gekämpft. Trotzdem blieben sie nur als Zeichenfolgen in meinem Notizheft hängen, denn aus den zahlreichen Ausschnitten der Dokumentation des History Channels weiß ich zwar, dass sie in der Historie eine Rolle spielen, aber ins Detail geht die Erzählung nie. Die lieblos aufs Bild gedruckten Texte vor einer Schlacht erklären mir nur, dass ich zu kämpfen habe. Wie es dazu kam? Keine Ahnung! Und es interessiert mich auch nicht mehr. Ich bin einfach nur froh, dass ich meine Laufwerke nach dem Schreiben des Artikels nicht länger mit diesem verunglückten Machwerk vergewaltigen muss.

Auch wenn die von Slitherine entwickelte Geschichtslektion (nach erfolgreicher Kampagne dürfen auch die Kelten in die Vergangenheit abtauchen) ein Rome: Total War Light sein möchte: 

Elefanten sind auch hier eine ärgerliche Pest – sowohl grafisch als auch deshalb, weil man sie nur mit Hilfe der Pausetaste anklicken kann.
Das Runterwürgen von einer vorgekauten Mission nach der nächsten reicht dem geübten Strategen und Taktiker nicht einmal als Appetithappen. Dabei hätten es viele Feldherren sicher verkraftet, dass sie ihr Reich nicht auf einer Weltkarte aufbauen und über den Fortgang der Geschichte selbst bestimmen. Dass der taktische Anspruch in den Gefechten praktisch nicht vorhanden ist, dürfte ihnen allerdings den Magen umdrehen. PC-Generäle freuen sich wenigstens über das unkomplizierte Aufstellen ihrer Truppen per Ziehen&Ablegen – PSP- und PS2-Besitzer vermissen eine sinnvoll an den Controller angepasste Steuerung und langweiligen sich beim zähen Verschieben der Einheiten.

Feldherren als Zuschauer

Immerhin dürfen sie ihrer Armee schon vor Schlachtbeginn wichtige Anweisungen geben: Sie legen fest, ob sich die einzelnen Truppen aggressiv oder defensiv verhalten, in welcher Formation sie marschieren und ob sie direkt angreifen, sich zurückhalten oder über die Flanke attackieren. Dabei sind diese Entscheidungen auf PSP und PS2 ungemein wichtiger als für Maus-Taktiker; schließlich können Letztere ihren Männern auch mitten im Kampf Anweisungen erteilen. Klar: So funktionieren Strategiespiele. Gerade deshalb ist allerdings völlig unklar, weshalb Konsoleros und Handhelder keine (noch einmal auf Deutsch: KEINE) Möglichkeit haben, im Kampf zu taktieren. Sie dürfen nur zusehen, ob ihr Plan funktioniert. Immerhin dürfen sie einmal pro Schlacht den Befehl zum allgemeinen Sturm geben und die letzten Kräfte ihrer Truppen mobilisieren. Es ist zwar möglich, jede Einheit manuell zu steuern, aber während sich ein Infanterie-Block so langsam in Richtung Gegner schleppt, schauen Kavallerie, Elefanten und Speerträger tatenlos zu. Man kann auch die komplette Armee gleichzeitig verschieben – eine extrem sinnvolle Idee, wenn sich die Truppen meist an unterschiedlichen Ecken des Schlachtfelds befinden… Entschuldigung, aber: Kein Kommentar!

Auf dem PC bleibt immerhin die Illusion, ein Feldherr zu sein, denn ähnlich wie in der Total War-Serie gibt man seinen Männern Befehle und ändert die defensive oder aggressive Einstellung. Man darf

Noch nicht von Roms Qualitäten überzeugt? Der Trailer versucht’s mit einem Zusammenschnitt aus Doku-Bildern und Schlachtaufnahmen.
aber weder Formationen wechseln noch zum schnellen Angriff blasen – die Einheiten schleichen stets im gleichen Tempo. Doch nicht nur die Anzahl, auch die Häufigkeit der Befehlsvergabe ist beschränkt, denn der General verfügt nur über eine begrenzte Anzahl an Punkten. Sind sie erschöpft, muss sich die Leiste erst neu aufladen. Ich stelle mir das so vor: Mr. Feldherr hat eine Erkältung und kann nach fünf aufeinander folgenden Anweisungen einfach nicht mehr reden. Das Hustenmittel braucht nun mal eine Weile, bis es seine Wirkung zeigt…

Bei Kaffee und Bagel

Das Punktesystem lässt sich am PC zwar ausschalten (auf PSP und PS2 fällt es wegen der nicht vorhanden Befehlsvergabe ohnehin weg), aber umso präsenter steht die Frage im Raum, weshalb es überhaupt existiert. Schließlich beschwört es hirnrissige Situationen herauf, in denen etliche Einheiten am falschen Ende der übrigens furchtbar hässlichen und immer gleich aussehenden Karten picknicken anstatt zu kämpfen. Vielleicht versuchen sie so, dem unübersichtlichen Wust aus sich überlappenden,

Riesige Armeen fallen übereinander her – und gehen bald darauf im Polygonwust klanglos unter.
holprig animierten Polygonen in den Scharmützeln zu entgehen. Da war ich fast froh, als ich in vielen Schlachten nur die einleitende Planung absolvieren, den Befehl zum allgemeinen Angriff geben und bei Kaffee und Bagel auf den sicheren Sieg warten konnte. Taktischer Anspruch? In Rome: Total War war schon das Tutorial anspruchsvoller…

Dagegen hilft auch nicht, dass General, Infanterie, Kavallerie und Co. zwischen den Missionen an Fortbildung denken und erkämpfte Erfahrungspunkte in neue Fähigkeiten (höhere Angriffs- oder Verteidigungswerte sowie Vorteile gegen bestimmte Einheitentypen) investieren. Gegen Bares erhalten sie außerdem bessere Ausrüstung und Verstärkung. Aber wen interessiert’s: So lange Geld und Punkte ausgegeben werden, spielt das Wofür praktisch keine Rolle. Schließlich erledigen sich die Aufträge meist buchstäblich von selbst – und ob Roms Armee eine bestimmte Anzahl Feinde töten, einige Minuten durchhalten oder den Sieg innerhalb eines Zeitlimits erreichen muss, macht spielerisch keinen Unterschied. Zu guter Letzt wirkt auch das schlecht aus Total War abgeschaute Moralsystem unglaubwürdig (sind X Prozent der Einheit gefallen, nimmt der Rest reißaus), Formationen bringen keine spürbaren Vor- oder Nachteile und PSP-Feldherren ärgern sich über stockende Schlachtaufnahmen.

Bevor ich die Datenträger in den Brennofen befördere: Einen dicken Pluspunkt sammelt Great Battles of Rome dann doch noch. Die Einheiten melden sich nämlich auf Latein bei ihrem General. Na, immerhin. „Wollen Sie wirklich die ausgewählte Anwendung und alle dazugehörigen Features entfernen?“ „Hau wech die Scheiße!“