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Harveys Neue Augen (Adventure) – Bunter schwarzer Humor

Geschlagene acht Jahre hat sich Daedalic Zeit gelassen, um die Fortsetzung seines hochgradig wahnsinnigen Überraschungshits Edna bricht aus für die Konsolen umzusetzen. In unserem Adventure des Jahres 2011 gibt es ungeklärte Todesfälle, Zensur-Gnome,
transzendentale Ausflüge ins Unterbewusstsein – und eine brave
Klosterschülerin, die mehr mit dem Chaos zu tun hat, als ihr lieb ist.

© Daedalic / Rondomedia

Neue Neurosen

Zu Beginn gleich eine  Entwarnung an Edna-Fans: Auch die schizophrene Heldin des Vorgängers taucht häufig im Spiel auf, doch die Hauptrolle spielt diesmal die schüchterne Klosterschülerin Lilli. Das adrett gekleidete Mädchen bemüht sich stets, alle Aufgaben der strengen Oberin Ignatz zu erfüllen – egal wie ungerecht sie sind. Trotzdem bringt ihr das nur Ärger ein: Ihre Mitschüler halten sie für eine langweilige Streberin und die Chefin des Klosters hält ihr eine Standpauke nach der anderen, weil Lilli dank ihrer Tollpatschigkeit ständig etwas falsch macht.

Wie es sich für ein braves Mädchen gehört, schluckt sie allen Ärger herunter und vergräbt kindliche Gefühlsausbrüche tief im Inneren – wie lange das wohl gut geht? Lillis Freundin Edna ist der einzige Lichtblick in ihrem trüben Klosteralltag: Nach ihrem Ausbruch aus der Geschlossenen ist sie ebenfalls in der Klosterschule untergekommen, wo sie natürlich nur Unsinn anstellt. So hat sie z.B. Termiten im Schaukelbaum angesiedelt, dessen Reifensitz zufälligerweise direkt über einem gähnenden Abgrund hängt. Lilli hat wieder einmal den schwarzen Peter gezogen. Sie soll den Baum im Auftrag der Oberin von der Schädlingsplage befreien.

Weniger Experimente

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Der bewusst trashige, übersichtliche Zeichenstil passt bestens zum kleinen Switch-Screen. Kollege Cramer wird freuen, dass sich Texte, Inventar und Symbole für Gesprächsthemen hier meist noch annehmbar erkennen lassen. © 4P/Screenshot
Also laufe ich mit Lilli in die Nähe des Abgrundes. Neuerdings geht das direkt mit dem linken Stick vonstatten, was recht ordentlich funktioniert; man fühlt sich in den schmalen begehbaren Bereichen aber mitunter ein wenig „eingeengter“ als einst mit Maus und Tastatur. Der Schaukelbaum ist einer der Hotspots, welche ich auch mit einem Klick auf den rechten Stick anzeigen könnte. Die Bedienung mit den Feuerknöpfen fühlt sich zunächst ein wenig friemelig an, man gewöhnt sich aber daran. Nehme ich etwas unter die Lupe, ertönt eine kurze Beschreibung des Erzählers. Die Aktionstaste löst je nach Kontext „Benutzen“, „Nehmen“ oder „Essen/trinken“ aus. Schade, dass sich Daedalic auf der Switch schon wieder eine Touchscreen-Steuerung spart – also wie in Deponia. Allgemein wurde bei der Umsetzung geschlampt. Manchmal zuckt das Inventar grundlos ins Bild und auf allen Testsystemen (PS4 Pro, der alten Xbox One und Switch) kam es gelegentlich zu kleinen Sound-Knacksern am Anfang von Sätzen. Unsere Switch-Fassung hängte sich sogar mehrmals auf. Einige damalige spielerische Bugs des PC-Originals sind uns bislang allerdings nicht untergekommen.

Eine der wichtigsten Änderungen zum Vorgänger ist, dass Lilli – anders als Edna – nicht wild alles mit allem kombinieren oder sich gar mit Gegenständen unterhalten kann. Inhaltlich wird die einschneidende Kursänderung folgendermaßen erklärt: Lilli ist psychisch zwar mindestens genau so gestört wie Edna, besitzt allerdings keine gespaltene Persönlichkeit, welche Ednas spezielle Fähigkeiten ermöglichen. Lilli ist zwar pflichtbewusst, aber nicht lebensmüde. Also lässt sie sich auch nach mehrfachem Klicken nicht zum Baum am Abgrund bewegen. Nicht einmal der Vertrauen erweckende Erzähler aus dem Off kann sie umstimmen. Auch als er mehrmals mit Nachdruck wiederholt, dass Lilli sich der „völlig ungefährlichen Reifenschaukel über dem Abgrund näherte“, schüttelt Lilli nur den Kopf und gibt mit besorgter Stimme nur ein verneinendes „Mm-mm“ von sich. Wenn sie ab und zu also doch ihren Willen durchsetzt, muss ich mir eine Alternative ausdenken. Die Termiten im Baum z.B. stehen nicht nur auf Holz, sondern lassen sich auch mit klebrigem Süßkram an andere Orte locken, an denen ihre Dienste benötigt werden.
  1. Todesglubsch hat geschrieben: 16.08.2019 12:57 Meh, kein "alles mit allem benutzbar"? Das fand ich an Edna, trotz der wirklich hundsmiserablen Präsentation, doch gerade so genial. Dann passe ich halt :(
    Das würde ich mir überlegen. Unter'm Strich fand ich HNA, so sehr ich das auch vermisst habe, Ewigkeiten die DIaloge zu allen möglichen Item-Kombinationen anzuhören, dann doch besser.

  2. Todesglubsch hat geschrieben: 16.08.2019 12:57 Meh, kein "alles mit allem benutzbar"? Das fand ich an Edna, trotz der wirklich hundsmiserablen Präsentation, doch gerade so genial. Dann passe ich halt :(
    Ja, das war so wohl leider nicht mehr vom Aufwand her finanzierbar. Edna 1 war ja auch ein Studienprojekt und Erstlingswerk.
    Genau das macht den ersten Teil ja immer noch besonders. Fand HNA aber auch gut, nur das mit dem kombinieren ist so nicht drin.

  3. Ich finde das Spiel immer noch genial vom Humor her.Hab es unzählige Male am PC Durchgespielt. Hab es mit damals als CD-Version gekauft mit der ollen Code Wheel die dabei lag als Kopierschutz.
    Das hat so richtig an alte Zeiten Erinnert.

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