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Metal Gear Solid 4: Guns of the Patriots (Action-Adventure) – Metal Gear Solid 4: Guns of the Patriots

Alles hat irgendwann ein Ende. Traditionen verschwinden, Erinnerungen verblassen und Helden sterben. Der Tod gehört genau so zum Kreislauf des Lebens wie zur Welt der Spiele. Aber nur sehr selten werden die damit verbundenen Gefühle von Trauer, Abschied und Melancholie so in das Design eines virtuellen Abenteuers eingeflochten, dass man als aktiver Spieler emotional berührt wird. Wer kann so etwas leisten? Manche Filme. Manche Bücher. Und Hideo Kojima.

© Kojima Productions / Konami

Durch den Krieg schleichen

Ihr könnt dieses Abenteuer ohne große Feuergefechte in guter alter Stealthmanier erleben, indem ihr euch tarnt, versteckt und Wachen lautlos ausschaltet; entweder mit Betäubungspfeilen oder mit Knockout-Techniken im Nahkampf (Close-Quarters-Combat). Ich habe es im Gegensatz zu Metal Gear Solid 3 wieder genossen, in den großen Abschnitten endlich mehr Möglichkeiten zum Kriechen und Verstecken zu haben. Außerdem gibt es spannende Abschnitte, in denen die alten Instinkte gefordert werden: Mal müsst ihr wie ein Pfadfinder Spuren im Sand verfolgen, um zum Ziel zu gelangen – und das

Solid greift auf ein riesiges Arsenal an konventionellen Waffen zurück – schade nur, dass das Deckungssystem nicht an Rainbow 6 & Co anknüpfen kann.

in einem riesigen Abschnitt voller Weggabelungen! Mal müsst ihr in einer Stadt unbemerkt einem Rebellen folgen, um seinen Schlupfwinkel auszumachen – und das, indem ihr geschickt Wachen ablenkt und den Funk abhört! Das sind Momente, in denen dieses Spiel viel von seinen Tugenden zeigt.

Und selbst wenn man mal entdeckt wird und einen Alarm auslöst, findet man Bereiche, in die man sich zurückziehen kann – man wird also nicht durch räumliche Enge in die Action gezwungen. Und wenn alles nichts hilft, kann man sich unter einem Karton, in einem Fass oder einem Müllcontainer verstecken, dessen Abdeckung man über sanfte Sixaxisbewegungen sogar zum Herausspähen anheben kann.

Auch das Solid Eye hilft euch bei der Erkundung, denn neben der Nachtsicht bietet es euch einen kleinen Radar mit Bewegungs- und Gefühlsmeldung: Ihr erkennt also, wo sich Feinde befinden und wie sie drauf sind – das kann zwischen wütend, freundlich, ängstlich und trauernd schwanken. Es kann z.B. passieren, dass ihr Rebellen begegnet, die um ihre Gefallenen trauern oder einfach die Nerven verlieren. Und wenn ihr ihnen helft, indem ihr zu Panzerfaust oder Mörser greift, wirkt sich das aktiv auf das Kriegsgeschehen aus: Sie brechen durch die Feindstellungen und öffnen auch eurer Infiltration damit neue Wege – das ist eine angenehme Dynamik, in der der Wechsel vom passiven Schleichen zum aktiven Schießen spielerisch belohnt wird.

Tarnung, Roboter, Rückenrolle & Tod stellen

Außerdem werten vier kleine Neuerungen den Schleichaspekt gegenüber dem Vorgänger auf: Da ist einmal der Tarnanzug, der nach wenigen Sekunden die Konturen der Umgebung annimmt – egal ob Wand oder Boden, egal ob Kacheln oder Beton. Es macht einfach Spaß, sich wie ein Chamäleon nur wenige Zentimeter an einer Wache vorbei zu schleichen. Später bekommt man sogar eine Gesichtsmaske, die aus Alt und bartlos wieder Jung und bärtig macht.

Authentisch, beklemmed und spannend: Die Welt der zukünftigen Kriege. Hier seid ihr im Nahen Osten unterwegs.

Und spätestens, wenn man den kleinen Roboter MK II bekommt, kann man die Gegend auch noch wunderbar auskundschaften: Snake steuert das kleine Hightechwunder aus der Entfernung und kann so das Vorfeld inspizieren, den Roboter nahezu unsichtbar machen, Wachen gezielt mit einem Stromstoß betäuben oder sie über das geschickte Klopfen an Wänden in die falsche Richtung lotsen. Außerdem kann der Kleine nicht nur Fallen entschärfen, sondern auch an für Snake unzugänglichen Orten kleine Extras aufsammeln – selbst in den Briefings ist er steuerbar! Seine Animationen beim Treppen hoch flattern sind erstklassige Beispiele dafür, wie genial das Figurendesign der Japaner ist.

Ein weiterer Punkt, der den Schleichaspekt aufwertet, ist zum einen das elegante Rollen auf den Rücken: Wenn man sich auf den Boden legt, um sich zu tarnen, kann es passieren, dass eine Wache in die Nähe kommt. Auf einen Knopfdruck wälzt sich Solid mit gezückter Pistole auf den Rücken, um den potenziellen Gegner aus der Tarnung heraus anzuvisieren – so kann man sich selber klasse Herzklopfsituationen schaffen. Insbesondere dann, wenn man sich nicht nur einfach hinlegt, sondern Tod stellt! Diese Neuerung sorgt für viele spannende Szenen, denn die Wachen reagieren je nach Situation und Gebiet ganz unterschiedlich darauf: Mal fallen sie drauf rein und lassen euch wie ein weiteres Opfer liegen, mal riechen sie den Braten und treten euch mit Schmackes in den Hintern!

Deckungs- & Klettersystem

So sehr man diese Szenen loben muss, so sehr fallen einige Schwächen in der Spielmechanik ins Auge: Das Deckungssystem kann nicht mit aktuellen Titeln mithalten, denn es lässt mich nicht aus der Deckung heraus über hüfthohe Hindernisse schießen, seitlich kann ich mit der Pistole um eine Mauer herum zielen, aber nicht über sie hinweg – Michael ist bereits ausführlich in seinem Test darauf eingegangen. Hinzu kommt, dass diese kleinen Hindernisse nicht immer überwindbar sind – sprich: Ich kann nur an bestimmten Stellen über hüfthohe Mauern springen, ein paar Meter weiter nicht. Diese Willkür kontextsensitiver Sprünge ist genau so unverständlich wie die Tatsache, dass Snake sich nicht an Mauern hochziehen kann. Obwohl man erkennt, dass es dahinter weiter geht, kann er keinen einfach Klimmzug machen. Auch das Auftauchen von neuen Soldaten aus dem Nichts steht einem Metal Gear nicht gut zu Gesicht; wenn schon Respawnen, dann muss es besser kaschiert werden!