Das Zauberschloss präsentiert sich als seitlich scrollender 2D-Hüpfspaß klassischer Bauart – mit teilweise fies platzierten Gegner und schmerzhaften Spitzen, großzügigen Geschicklichkeitstests und viel Erkundung. Jedenfalls, sofern man das möchte. Wenn man es eilig hat, dauert es kaum vier Stunden, bis Mizrabel besiegt ist. Seinen eigentlichen Reiz erfährt ME aber dadurch, dass man nicht direkt zum Levelende sprintet, sondern die Mausaugen nach verborgenen Plattformen offen hält, die nicht nur zu Boni, sondern auch weiteren Disney-Figuren führen. U.a. quatscht man mit Aladdin, Rapunzel, Simba, Arielle, Onkel Dagobert, Donald Duck, Mulan, Schneewittchen oder der wunderlichen Alice. Nach getaner „Befreiung“ werden sie automatisch in die „Festung“ gebeamt, wo sie dann in kargen Räumen auf den Besuch der Maus warten. Kaum ist Micky da, hagelt es auch schon Nebenmissionen: Finde mir dies, sprich für mich mit dem da, könntest du mir bitte das da besorgen, warum nutzt du nicht deinen Zauberpinsel, um mir jenes hier zu malen?
Man kann sehr viel Zeit mit diesen Miniaufträgen in der Festung verbringen, auch wenn man schon nach kurzer Zeit das Gefühl nicht loswerden dürfte, für all die Figuren der großohrige Wasserträger zu sein – hey, wenn du etwas Wolle haben willst, warum gehst du dann nicht nach nebenan und fragst selbst?
Aufwändiger sind da schon die Aufträge, für die man bereits gemeisterte Levels neu besuchen muss – wenn z.B. Aladdin-Gegner Jaffar seinen großmauligen Papagei Iago vermisst. Die grundsätzliche Idee, einen Level nochmal zu erkunden und dabei mehr Aufmerksamkeit walten zu lassen, ist sehr begrüßenswert. Aber auch hier haben es die Designer für meinen Geschmack deutlich übertrieben: Wieder und wieder wird man in die immer gleichen Levels gebeten (es gibt nur elf), wieder und wieder muss man sie in ihrer Komplettheit meistern, selbst wenn das Objekt der Begierde kurz nach dem Eingang herumsteht. Und wofür das Ganze? Zum einen werden durch erledigte Missionen nach und nach die Räume der Auftraggeber schöner, was dem Film- und Comicfan entgegen kommt. Zum anderen erhält man vor lauter Dankbarkeit Upgrades (wie mehr Lebensenergieherzen oder effizienteren Einsatz von Farbe und Verdünner), Geld oder „Skizzen“. Das sind entweder hilfreiche Objekte (wie frei platzierbare Plattformen) oder Figuren, die einem im Level tatkräftig unter die Arme greifen – Duck-Tales-Fans dürfen sich auf einen tollen Auftritt von Onkel Dagobert freuen. Wie auch immer: Wer die Idee hatte, das Geld „E-Tickets“ zu nennen, sollte geohrfeigt werden. Ich bin letzte Woche mit einem E-Ticket nach England geflogen, in einem Fantasieschloss hat dieser so technische Begriff meines Empfindens nach nichts verloren.
Hach, wie schön…
Die Levels sind in drei Flügel des Zauberschlosses unterteilt, die sich an Disney-Filmen wie Peter Pan, Aladdin oder Arielle die Meerjungfrau orientieren. Und bis zum dritten Flügel kaum eine Herausforderung darstellen. Erst zum Schluss wird plötzlich an der Anspruchs-Kurbel gedreht, wodurch gerade die Unterwasser-Abschnitte zum Teil erheblich nerven. Das liegt dann aber nicht nur an der garstigen Platzierung der Feinde und dem deutlich stärkeren Aufkommen von Spitzen, die Micky erheblich wehtun. Sondern vor allem auch an dem unnachgiebigen Checkpunkt-System: Es gibt nämlich keines. Jeder Level ist zweigeteilt, unabhängig davon, wo man draufgeht, wird man immer zum Anfang des Teiles zurückgesetzt. Okay, das kann man als Oldschool-Herausforderung durchgehen lassen, aber richtig nervend ist, dass dadurch auch alle bis dahin erwischte Boni, freigeschaltete Figuren und gemalte Objekte wieder futsch sind – alles muss neu gepinselt und aufgegabelt werden, inkl. aller nicht überspringbarer Dialoge. Nerv! Kein Wunder, dass mein Stylus mittlerweile abgekaut wie ein Hundeknochen ist.
Wenden wir uns schöneren Dingen zu: Die Präsentation ist ein Traum! Dass Dreamrift Meister ihres Faches sind, wenn es um 2D-Animation geht, haben sie bereits im (hierzulande leider nicht offiziell erhältlichen) DS-Abenteuer „Monster Tale“ bewiesen. Und von Disney-Power beflügelt heben die Grafiker richtig ab: Die Figuren sind niedlich und toll animiert, die Hintergründe ein Fest für Fans von Pixelkunst, das weiche Parallax-Scrolling erzeugt angenehme Raumtiefe, die im 3D-Modus super zur Geltung kommt. Und der Soundtrack? Er weckt nicht nur die bereits erwähnten angenehmen Erinnerungen an Castle of Illusion, sondern punktet auch ganz ohne Nostalgie.
Wie ich hasse wenn irgendwelche Anzugsfuzzis, die noch nie ein Spiel gezockt haben, darüber entscheiden was das Produkt alles bieten soll. Jeder Zocker hätte gewusst, dass ein besseres Spiel dabei rauskommt wenn man die Pinselei weglässt und einfach ein umfangreiches, abwechslungsreiches 2D Jump'n'Run im Stil der alten Mega Drive Spiele entwickeln würde.
okay, ich sehe ein, dass der Punkt missverständlich rüberkommt. Er ist nicht wertungsrelevant, sieht aber so aus, als wäre er es - ich habe ihn deswegen rausgenommen.
Und nein, dein Kommentar war weder nassforsch noch arrogant. Mit vernünftiger Kritik können wir arbeiten.
Cheers
Paul
Ich habe jetzt den östlichen Schlossflügel durchgespielt, was in etwa einem Drittel des Gesamtumfangs entsprechen dürfte. Bisher würde ich das Spiel noch im "guten" Bereich einstufen, aber für mehr reicht es dann einfach nicht. Die Grafik ist wirklich wunderschön, aus den Lautsprechern dringen bezaubernde Melodien und auch die Steuerung funktioniert soweit einwandfrei. Aber das ständige Zeichnen und Löschen von Gegenständen sorgt leider dafür, dass kein richtiger Spielfluss zustande kommt. Ständig greift man zum Stylus um, benutzt den Pinsel, packt den Stylus wieder weg usw. usf. Habe ihn mir genau wie Paul zwischenzeitlich auch einfach zwischen die Zähne geklemmt, denn so oft wie man ihn braucht lohnt es sich einfach nicht ihn wegzulegen. Das Pinseln ist für mich auch die größte Schwachstelle des Spiels, daher kann ich mir gut vorstellen, dass das mit zunehmender Spieldauer nur noch nerviger wird. Immerhin habe ich mich inzwischen an die quietschigen Laute gewöhnt, die Micky bei jedem Sprung macht. Das ging mir zu Beginn des Spiels noch mächtig auf den Zeiger, inzwischen... nicht mehr ganz so arg.
Ich kann mir gut vorstellen, dass ihr dieses wankelmütig erscheinende Feature-Hin-und-her-Geschubse in einer Review eurer Testpolitik negativ in die Endnote einfließen lassen würdet.
Ich bitte um Verzeihung, wenn ich mit diesem Statement einen allzu nassforsch-arroganten Eindruck hinterlassen sollte - ich mag euer Magazin trotz allem sehr. Aber ich kann mir vorstellen, dass in der von mir angesprochenen Thematik viele eurer Leser ratlos sind.