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NieR: Automata (Rollenspiel) – Die Suche nach Menschlichkeit

Angetrieben von Yoko Taros Erzählstil sowie einer düsteren, mitunter beklemmend-skurrilen Atmosphäre hat das 2010 veröffentlichte Nier mittlerweile Kultstatus erreicht. Jetzt steht die Fortsetzung Nier Automata in den Startlöchern, bei der Platinum Games mit seiner technischen sowie spielmechanischen Expertise die markante Regie ergänzen will. Ob die Kämpfe mit der Androidin 2B überzeugen, verraten wir im Test.

© PlatinumGames / Square Enix

Es gibt Unmengen an Chips in Kategorien wie Angriff, Verteidigung, Unterstützung oder Hacken, die zudem noch kostenpflichtig verschmolzen werden können, um die Auswirkungen zu stärken. Verschiedene Stärken des jeweiligen Effekts oder Bonus muss man ebenso bedenken wie die Kosten für den Einbau. Der Speicherplatz ist knapp bemessen. Und auch wenn er ausgebaut werden kann, hat man nie genug offene Plätze, um diesen oder jenen Wunsch-Baustein einzusetzen. Dementsprechend muss man eine ökonomische Auswahl treffen, abwägen, welche Module man tatsächlich benutzt und kann sich sogar zusätzlichen Platz verschaffen, indem man Chips für Hud-Elemente entfernt. Die Anzeige, wann man außerhalb der auch als Teleportstationen verwendeten Automaten speichern darf, braucht man nicht? Dann weg damit, um Platz zu schaffen. Die Minikarte braucht man ebenfalls nicht? Wie sieht es denn mit der Anzeige der Lebensenergie der Gegner aus? Oder der eigenen? So kann man auch abseits der Grundschwierigkeitsstufen nicht nur die Anzeige, sondern auf subtilem Weg das Anforderungsprofil beeinflussen, das aber auch mit allem Standardoptionen einen angenehmen Spagat zwischen Spielfluss und knackigen Situationen schafft – und das ohne Grind. Und wer die besondere Herausforderung und damit auch einen erhöhten Nervenkitzel möchte, entscheidet sich für die höheren Schwierigkeitsgrade. Hier sind die Gegner nicht nur unnachgiebiger, sondern man muss auf „Schwer“ auch noch ohne Zielaufschaltung auskommen bzw. wird auf „Extrem“ zusätzlich noch nach einem einzigen Treffer aus dem Verkehr gezogen.Nach dem Ableben greift übrigens eine Mechanik, die man ähnlich auch aus der Souls-Serie kennt: Man muss zum Todesort zurück, um die Chips einzusammeln, die man verbaut hat. Lässt man sich zu viel Zeit oder stirbt auf dem Weg dorthin, sind sie verloren.  

Technik-Expertise

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Die stimmungsvolle Kulisse entführt einen auch in einen skurrilen Vergnügungspark. © 4P/Screenshot

Dass man sich für Platinum Games als Entwickler entschieden hat, wirkt sich auch auf die Kulisse aus. Bis auf verschwindend wenige, das Spielgefühl in keinem Fall beeinflussende Ausrutscher, bringt das Androiden-Abenteuer flüssige 60 Bilder pro Sekunde auf den Schirm. Dutzende Gegner, hunderte Projektile, schicke Animationen und dazu Explosionen: Die Gefechte werden innerhalb einer offenen Welt sauber inszeniert. Die Ausmaße der zu erforschenden Areale sind zwar deutlich kleiner als z.B. in Horizon Zero Dawn. Und die Unmengen an Aufgaben führen einen letztlich immer wieder durch die gleichen Gebiete. Doch aus der Gewöhnung, die man beim x-ten Besuch des von verrückten Robotern bevölkerten Vergnügungsparks empfindet, wird niemals Langeweile. Nicht nur, weil das Gefühl der Überraschung des ersten Abstechers in diesen oder jenen Bereich nachschwingt. Zudem finden sich überall genug Details und Geheimnisse, während die Areale sich mitunter bedingt durch Story-Erlebnisse teils drastisch verändern: Ich hatte nach 40 Stunden nur etwas über 50 Prozent der teilweise von der gesteuerten Figur bzw. dem Status innerhalb der Geschichte abhängigen Missionen gefunden und noch lange nicht alle Waffen entdeckt oder gar alle möglichen Fischsorten geangelt.

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Fähigkeiten werden über Speicherchips erweitert. Der Platz dafür ist trotz Erweiterungs-Optionen immer zu knapp. © 4P/Screenshot

Außerdem strahlt die Spielwelt mit ihrer beeindruckenden Wüstenlandschaft, den manchmal an ein braungraues Enslaved erinnernden Großstadtruinen, den Katakomben, Techzentren oder Maschinenfabriken eine Grundfaszination aus, an der ich mich nicht satt sehen kann. Es erreicht nicht die technische Brillianz und Komplexität eines Horizon Zero Dawn oder die Detailverliebtheit eines Uncharted 4. Aber es wirkt auch in düsteren Momenten ungemein stimmungsvoll und selbst mit seinen kargen Betonskeletten merkwürdig einladend. Daher kann ich auch über kleine Unstimmigkeiten wie Pop-Ups, immer wieder schwache Texturdetails in der Umgebung oder Diskrepanzen in der Zeichendistanz hinwegsehen. Denn wenn ich in den selten Momenten der Ruhe die Einsamkeit genieße, mit 2B oder 9S den Blick schweifen lasse und mich vermutlich ebenso wie die Androiden frage, ob die Menschen jemals wieder einen Fuß auf ihren Heimatplaneten setzen können, nimmt mich Nier: Automata auch ohne den letzten Grafikschliff gefangen – woran auch der sehr gelungene Soundtrack von Keiichi Okabe und Keigo Hoashi seinen Anteil hat. Dynamisch auf die Situation reagierend, mal getragen, mal choral, dann wieder hektisch oder pompös, finden die zwei immer wieder die richtigen Töne, um die entstehenden Emotionen auch akustisch einzufangen.

Test-Update vom 27.03.2017 (PC-Version):



Da es noch keinen offiziellen Patch von Square Enix gibt, der einige der visuellen Optimierungsprobleme löst, kann man vorerst auf eine User-Modifkation zurückgreifen: Mit FAR (Fix Automata Resolution) kann man nicht nur die Auflösung ändern, sondern auch an der Bildrate schrauben. © 4P/Screenshot

Während die PC-Version von Nier Automata inhaltlich identisch ist, sorgt die Technik ein ums andere Mal für leichte Sorgenfalten. So ist es z.B. ohne User-Modifikation nicht möglich, die Auflösung auf native 1080p einzustellen. Hier wird auf unserem Testsystem nativ maximal 1440*900 aufgeboten – was natürlich zum einen nicht für eine Optimierung spricht und zum anderen einen leicht verwaschenen Eindruck hinterlässt. Dementsprechend wird die Kulisse auch an einem Highend-PC nicht aufgewertet, es lassen sich z.B. immer noch Pop-Ups und eine in manchen Bereichen relativ niedrige „Draw-In“-Distanz feststellen. Dass man bei der Steuerung den Sprung von der Konsole auf den Rechner ebenfalls nicht zur uneingeschränkten Zufriedenheit vollführen konnte, spricht ebenfalls nicht für eine saubere Konvertierung.

Bei den Dual-Stick-Passagen z.B. wird geschossen, wohin man die Maus bewegt bzw. wohin man fliegt. Dass es zusätzlich in diesen Momenten kein Fadenkreuz gibt, welches die Schussrichtung markiert, ist ein weiterer Faux pas – selbst „alte“ Spiele wie Geometry Wars bieten diese am PC bei Maus-/Tastatur-Steuerung wichtige Hilfe. Dann wiederum scheint Nier ohnehin auf reine Tastatur-Kontrollen ausgelegt zu sein: Die im Kampf wichtige Ausweichrolle erreicht man durch Doppeltippen der Bewegungstasten. Wenn man die Maus links liegen lässt und stattdessen die Pfeiltasten nutzt, hat man sogar eine brauchbare, aber weiterhin nicht optimale Kontrolle in den angesprochenen Dual-Stick-Sequenzen. Besser geht es mit Pad, wobei man hier sogar die volle Kontrolle über die Tastenbelegung hat – hier hat man ausnahmsweise alles richtig gemacht.


  1. gott sei dank hab ich den test erst jetzt gelesen nachdem ich nier automata viel zu spät gespielt habe. wie kann man nur so krass spoilern ? nicht jeder kennt den vorgänger bzw drakengard und weiss was passiert. und genau das gehört zum erlebnis. und hier wird alles vorweg genommen ist das hart :D

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