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Overclocked (Adventure) – Overclocked

Manch ein Psychiater braucht wohl eher selbst einen Seelenklempner. Das ist nicht nur eine landläufige Meinung, es trifft auch auf den Held von Overclocked zu. Er versucht nicht nur, seinen traumatisierten Patienten zu helfen, sondern macht auch noch eine Reise in seine eigenen Abgründe. Wir haben dem Psycho-Adventure in die Seele geschaut.

© House of Tales / dtp

Was erzählst du da?

Obwohl alles schön düster ist, kommt die Story leider recht zaghaft in Schwung. Bis ihr mal ein wenig mehr erfahrt, ist beinahe schon die Hälfte der insgesamt über die Zehn-Stunden-Marke springende Spielzeit vergangen. Zudem kommen die fünf Insassen zwar individuell aber auch wenig ausgefeilt rüber, so dass ihr Handeln 

Der New Yorker Polizist ist eine der ganz Wenigen, der zu McNamara hält. Doch wie lange kann er ihn noch decken?

nicht immer nachvollziehbar wird. Wieso will die blonde Frau die Brünette unbedingt umbringen? Warum prangt ein riesiger Blutfleck auf dem Boden des Wohntraktes? Weshalb wurden beide Mädchen eingesperrt? Leider werden diese und ähnliche Fragen auch nach Durchspielen, Endsequenz und Auflösung nicht restlos geklärt.

So ist es letztlich mehr die wendungsreiche Hintergrundgeschichte des Psychiaters selbst, die neugierig auf mehr macht und euch bis zuletzt durchhalten lässt. Zwar engagiert bei seinen Patienten, entpuppt er sich eher als aufbrausender Antiheld, der glücklos durch die Kneipen des stets verregneten Big Apple pilgert. Warum hat er diese Albträume? Warum ist sein Anwalt und Freund immer so kurz angebunden? Kommt die Sache mit seiner Frau wieder ins Lot? Gelingt es dem Chaoten letztlich doch noch, seine Finanzen zu ordnen? Weiterspielen lohnt sich jedenfalls auch hier, da McNamara selbst einige Leichen im Keller hat.

Nur in eine Richtung

Leider entpuppt sich das Abenteuer als ziemlich linear, da ihr immer nur sklavisch einen Schritt nach dem anderen tun dürft. Wenn ihr nicht mit der einen bestimmten Person gesprochen habt, geht es partout nicht weiter, was für ein Spiel mit dieser ungewöhnlichen Erzählstruktur einfach zu starr ist. Zwar sieht alles aus, als dürftet ihr frei durch die Stadt streifen, das ist aber ein Trugschluss. Da bleibt es nicht aus, dass ihr öfters an die Handvoll Schauplätze zurückkehrt, an denen alles spielt -sei es das Hotel, die Bar oder das Hospital- um erneut nachzusehen. Hier fehlen Innovationen wie mehrere Lösungswege und keinen solch strikten Spielablauf.

Eines ist House of Tales freilich dieses Mal eindeutig besser gelungen als noch bei Moment of Silence: die Handhabung. An dem modernen Bedienelement, das sich immer zeigt, wenn es was zu tun gibt, gibt es wenig auszusetzen. Es funktioniert wie es soll und verhindert, dass ihr Bilder Pixel für Pixel absuchen müsst. Langwierige Reisen verhindert die Schnellreisefunktion. Die vielen Gespräche sind zwar nicht Multiple Choice, ihr dürft aber zumindest das Thema auswählen. Hier stimmen aber öfters die Symbole nicht: Ihr wollt euch mit Dr. Young unterhalten. Statt des tatsächlichen Themas ist aber nur der Kopf von Dr. Young abgebildet. Das legt den Schluss nahe, dass ihr euch mit Dr. Young über ihn selbst unterhaltet wollt. Stattdessen sprecht ihr aber über einen Patienten. Ihr könnt die Dialoge aber abbrechen.

Beklemmende Stimmung

Das Manhattan, das House of Tales zeichnet, ist finster, stürmisch und einsam. Es gibt sogar Originalschauplätze wie die Bar, die Edward Hopper einst malte, oder den Central Park. Solche Anspielungen wie etwa eine Werbung von Overclocked sind

Die Hotelrezeption ist zwar nicht original aus New York, dennoch müsst ihr euch dort öfters rechtfertigen, als dem Helden lieb ist.    

aber leider viel zu selten. Die 3D-Grafik liefert ein atmosphärisches Abbild des Geschehens, das in mancher Einstellung sogar an den Klassiker Blade Runner erinnert. Leider sind viele der Animationen der Personen ziemlich missraten, etwa wenn der Held etwas einsteckt. Anatomische Grausamkeiten finden sich auch bei den Gesichtern, die zu maskenhaft aussehen. Im Gegenzug bekommt ihr diverse hochwertige Renderfilme serviert, die dem Ganzen einen cineastischen Touch verleihen.

Beklemmung löst auch der Sound aus, der von einem ständigen Brummton im Hintergrund geprägt ist. Auch die Musik lässt das Gefühl aufkommen, das hier etwas nicht stimmt. Die deutschen Sprecher sind bis auf ein paar einzelne Ausrutscher professionell und vielfach aus Filmen bekannt. Allen voran ist da die Stimme von McNamara selbst, die dank Stephan Schwarz angenehm klingt. Den Gegenpol dazu bildet der Typ in der Bar, der unangenehm kehlig spricht. Leider gibt es ein Problem, da die Stimmen in manchen Passagen zu leise sind, so dass ihr schon mächtig aufdrehen müsst, um was zu hören.
        

  1. Meine Kritikpunkte sind die Erinnerungen wie man sie beim Jungen in Zelle 1 oder in Zelle 3 auslöst hätte durchaus öfter passieren können.
    Das Stupide rauskramen des PDA und dann Ton aufzeichungen vorspielen hätte man gerne öfters verändern können wie halt bei den Beispielen bei den Jungen aus Zelle 1 und 3 bei denen man als erstes anders die Erinnerungen auslöst.
    Und man hätte alles noch ein wenig besser verpacken können z.B. Erklärungen liefern können warum man nix über die Identitäten der Gruppe herausgefunden hat nach so vielen Tagen wird die Polizei sicherlich Daten und Namen zur Person haben.
    Man hätte durchaus die Regierung ins Spiel bringen können wie sie Daten über diese Leute hat verschwinden lassen schließlich haben sie ja die Mittel siehe Kredit Karte von David D:

  2. langhaariger bombenleger hat geschrieben:Sry das kann ich mir nun einfach nicht verkneifen: Wer sind denn die Bösen in der Realität??
    Hi langhaariger bombenlger,
    die üblichen Verdächtigen bei so ner Verschwörung halt: Bush-Regierung, US-Armee, Dr. Frankenstein-mäßige Wissenschaftler oder skrupellose Konzerne. Na komm, hast du noch nie einen US-Thriller gesehen?;-) In echt bekommen die allerdings immer ihren Willen.
    Gruß,
    4P|Bodo

  3. Future's End hat geschrieben:Also ich finde, dass das Spiel etwas zu schlecht wegkommt! Natürlich gibt es einige Schwachpunkte, wie zum Beispiel die etwas zu leichten Rätsel, obwohl ich auch da anmerken muss, dass Overclocked dem von der Atmosphäre vergleichbaren Fahrenheit haushoch überlegen ist. Wenn man die für ein Spiel typische Einführungsphase der Charaktere & Locations hinter sich hat, kommt die Story doch relativ schnell in Fahrt, auch wenn sie sich anfangs viele Aspekte wie z.B. McNamaras persöhnliche Probleme eher subtil zeigen sowie die natürlich anfangs zusammenhangslosen Erinnerungen erst mal so weit rekonstruiert werden müssen, dass man sich ein Gesamtbild machen kann.
    VORSICHT!!! SPOILER!!!
    Zudem kommen die fünf Insassen zwar individuell aber auch wenig ausgefeilt rüber, so dass ihr Handeln
    nicht immer nachvollziehbar wird. Wieso will die blonde Frau die Brünette unbedingt umbringen? Warum prangt ein riesiger Blutfleck auf dem Boden des Wohntraktes? Weshalb wurden beide Mädchen eingesperrt? Leider werden diese und ähnliche Fragen auch nach Durchspielen, Endsequenz und Auflösung nicht restlos geklärt.
    Ich denke doch, dass Overclocked bei der Ausarbeitung der Charaktere in der oberen Liga der Adventures mitspielt. Gerade die Sprecher tragen viel dazu bei, dass man sich ein Bild der Charaktere machen kann.
    Ich finde es sogar sehr geschickt, eine Extrem- / Gefahrensituation für die Erinnerungen zu wählen, da gerade das dem Storywriter die Möglichkeit gibt, seine Figuren stark zu charakterisieren ohne sie übertrieben argieren zu lassen.
    Des Weiteren geht es bei Overclocked um Manipulation bezüglich Gewaltbereitschaft, die zu einer steigenden Aggressivität bei den Jugendlichen führt (weshalb sie auch gegen Ende ihres Aufenthalt im Camp mehr gegeneinander arbeiten als zu kooperieren. Darauf lassen sich auch Rückschlüsse über eventuelle Mordvorstellungen ziehen.
    Zugegeben, es wird nicht explizit erwähnt, aber ein guter Thriller ist halt nicht offensichtlich.<br...

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