Immerhin kann man in der ersten und einzigen Stadt am Meer noch viele kleine Geheimnisse lüften: Wer bestiehlt heimlich die Banditen? Wie kann man am effektivsten Schutzgeld eintreiben? Was ist das für ein Gefangener, der hinten am Kai bewacht wird? Gibt es tatsächlich einen versteckten Schatz in der Stadt? Wer besitzt die drei goldenen Schalen, hinter denen die Weißen her sind? Lebt der legendäre Pirat Gregorius Stahlbart? Existiert tatsächlich ein geheimer Weg aus der Stadt heraus? Schnell füllt sich das Tagebuch mit neuen Aufgaben, die teilweise kreativ ineinander verzahnt sind: Manches kann man erst lösen, wenn man zuvor etwas anderes erledigt hat. Und kaum hat man sich versehen, hat man auch schon wieder alle kostbaren Lernpunkte investiert und das Gold für neue Ausrüstung ausgegeben.
Piranha Bytes webt hier am Hafen sehr geschickt ein Netz aus Quests, in dem es um politische Intrigen, Erpressung, Raub und Bereicherung geht. Natürlich gibt es auch einige öde Hol-, Bring- und Sammeldienste. Man stromert dann von Lagerhallen zu Händlern, vom Leuchtturm zum Bordell, vom Armen- ins Reichenviertel und beobachtet, wie die Leute ihrem Tagewerk nachgehen – sie schleppen Kisten, sägen Holz, kochen Suppe oder schmieden Schwerter. Und sie gehen zu Bett, sobald es dunkel wird; dieser Alltag wird hier sehr gut abgebildet und es kommt Rollenspielstimmung mit Überraschungen auf – vor allem in den Gesprächen.
Die derben und angenehm natürlichen Dialoge können auf ganzer Linie überzeugen. Man begegnet schon bald echten Kerlen, die kein Blatt vor den Mund nehmen und man freut sich über den rauen Wind alter Gothic-Zeiten, wenn zwielichtige Gestalten Kommentare à la „Ich würde einiges darum geben, die dumme Fresse des Inquisitors zu sehen, wenn er das wüsste.“ oder „Aber ich bin ja kein Arschloch. Wenn du nicht genug hast, lass uns handeln.“ abgeben. Piranha Bytes hat in dieser Hinsicht nichts verlernt und kann sich damit positiv von pathetisch-epischer Fantasy abheben.
Allerdings gibt es auch im Alltag einige klobige Problemzonen: Man brutzelt leere Pfannen über dem Lagerfeuer; es sieht plump aus, wenn die Dirne aus der Wanne steigt und dabei durch sie hindurch geht; es sieht dämlich aus, wenn sich der Held mit seinen Klamotten reinsetzt; es ist nicht erotisch, wenn eine knapp bekleidete Gelenkpuppe vor einem Freier tanzt. Und wenn ich schon Gold für eine Nacht hinlege, warum gibt es dann nicht wenigstens die Andeutung einer feuchtfröhlichen Situation?
Die rätselhaften Freuden der Stadt
Weg vom unwichtigen Alltag hin zur motivierenden Arbeit: Kaum hilft man jemandem, lernt man auch schon die andere Seite der Medaille kennen. Obwohl das Dialogsystem sehr einfach gehalten ist und kaum verschachtelte Gespräche ermöglicht, sollte man seine Antworten wohl überlegen, denn es kann ab und zu direkte Konsequenzen wie ein abgebrochenes Gespräch oder ein Handgemenge geben – und wer zuhört, kann sich auch wertvolle Freunde machen, die einem später helfen. Oder umgekehrt: Wer den dealenden Schwertkämpfer verpfeift, wird später nicht mehr von ihm trainiert – sehr schön!
Das ist zwar alles nicht auf BioWare-Niveau, denn die eigenen Handlungen wirken sich kaum emotional auf Beteiligte aus, aber die Illusion einer lebendigen Stadt wird durchaus erzeugt. Man kann als Gehilfe zum Spielball der Machenschaften werden, aber man kann die Parteien auch so geschickt gegeneinander ausspielen, dass man sich quasi wie ein Doppelagent bei allen einen Vorteil plus Bezahlung verschafft. Allerdings fehlen mir hier manchmal die Konsequenzen, denn viel zu oft kommt man ungeschoren davon, obwohl man jemandem ans Bein gepinkelt hat – hier hätte man bestimmte Entscheidungen noch öfter mit spürbaren Nachteilen versehen müssen.
Taschendiebe & Schlossknacker
Wer sich der Diebeskunst widmet, Taschendiebstahl und Schlösser knacken lernt, kann sich auch auf seine Weise Informationen beschaffen. Allerdings wird beides denkbar simpel inszeniert: Wer jemanden beklauen will, bekommt während des Gesprächs die Möglichkeit angezeigt, sein Gegenüber mit einem Witz abzulenken, klickt dann bei ablaufender Zeitleiste auf den gewünschten Gegenstand und fertig – ich wurde nicht einmal erwischt, denn man hat viel zu viel Zeit und wenn die Situation zu brenzlig ist, wird das auch noch als Warnung angezeigt.
Regelrecht billig läuft das Schlösser knacken ab. Es gab schon einige Spiele, in denen man auf kreative Art und Weise versucht hat, den geschickten Einsatz des Dietrichs zu simulieren. Aber hier gibt es noch nicht mal ein mechanisches Minispiel, sondern einfach eine Leiste, die je nach Schwierigkeit aus einer mehr oder weniger großen Anzahl an Slots besteht: Ziel ist es, in der richtigen Reihenfolge entweder links oder rechts zu drücken, bis die passende Kombination eingegeben wurde. Patzt man, muss man von vorne beginnen. Das ist überaus langweilig, weil man quasi unendlich Zeit hat und während des Schlösser knackens nie gestört wird.
Man kann sich auch akrobatisch austoben und das wertet das Spiel für Diebe etwas auf, denn so kann man über die Dächer und offene Fenster an sein Ziel kommen – das ist eine wohltuende Bereicherung. Allerdings wird es erstens peinlich animiert, wenn der Held springt; man hat fast das Gefühl, er würde schwerelos sein. Und zweitens kann er nicht durch Luken kriechen, die eindeutig weit genug offen sind oder leicht zu öffnen wären.
...endlich habe ich es auch mal geschafft das Spiel zu beenden und bin voll auf meine Kosten gekommen. Ein etwas lahmes Ende und das gewohnt hakelige Kampfsystem waeren die einzigen Dinge, die ich als alter Gothik FB auszusetzen haette. Ich wurde sehr gut unterhalten. Die Wertung von 74 ist fuer mich nicht verstaendlich. Freue mich bereits auf den Nachfolger...gogogo Piranhas!
Sowas ist trotzdem ziemlich nervig. Gold-Edition oder ... Complete wäre genauso klingend und einfach passender
GOTY ist die gängige Bezeichnung für Spiele in ihrer kompletten Edition mit allen Add-ons (anno 2010: allem DLC) und gepatcht. Angefangen hat das eigentlich mit den Elder Scrolls, die sich immer als "Game of the Year" mit allen Erweiterungen verkauft haben.
Es ist ganz leicht AXO. Es ist eine Bezeichnung die jeder kennt und es gibt keinen Grund daran etwas zu ändern.
eine GOTY . . . muss man sich nicht dieses GOTY "verdienen", würde dann mal gerne wissen welche zeitschrift das spiel als GOTY ernannt hat