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Sacred 2: Fallen Angel (Rollenspiel) – Sacred 2: Fallen Angel

Wieso gibt es eigentlich kaum noch klassische Action-Rollenspiele auf Konsolen? Die Zeiten, in denen man sich Stunden um Stunden in den Welten von Baldur’s Gate Dark Alliance oder Dungeons & Dragons Heroes verlieren konnte, scheinen unendlich weit zurück zu liegen. Überhaupt wurde der klassische Dungeoncrawler und Monstermetzler zu lange vernachlässigt. Insofern kommen die Konsolenableger des im Oktober 2008 auf PC erschienenen Sacred 2 – Fallen Angel gerade recht.

© Ascaron / Deep Silver

Der Spaßfaktor

Inhaltlich macht Sacred 2 nichts anders als der PC-Bruder, visuell gibt es sich Mühe, gleichzuziehen, scheitert dabei aber an Kleinigkeiten. Und dennoch: Unter dem Strich ist Ancaria auf Konsolen im direkten Vergleich das Ausflugsland meiner Wahl. Denn was man visuell nicht schafft, gelingt in nahezu jeder anderen Hinsicht: Die Optimierung auf Konsolen. Vor allem die Steuerung geht weit über das PC-typische Klick&Blöd-System hinaus. Das beginnt bei den übersichtlichen, wenngleich dadurch auch puristisch trocken aussehenden Inventarstrukturen, geht weiter bei der direkten Steuerung der Figur und hört

Jede der sechs Charakterklassen kann sich über ein spezielles Reittier freuen.

erst beim Kampfsystem auf, dessen Möglichkeiten und Nuancen sich auf den ersten Blick nicht großartig von denen der PC-Fassung unterscheiden, die aber deutlich einfacher zu erreichen sind. Durch diesen Komfort werden die im Mittelpunkt stehenden Kämpfe nicht nur variantenreicher, sondern immer mal wieder auch taktischer, als man es je mit der herkömmlichen Steuerungsvariante erreichen könnte.

Allerdings muss man am Anfang einen kleinen Schock über sich ergehen lassen. Denn war man es von z.B. Titeln wie Dungeons & Dragons Heroes oder der Baldurs Gate Dark Alliance-Serie gewohnt, jeden Schlag mit einem einzelnen Knopfdruck zu initiieren und ggf. durch andere Tasten Kombos zu beginnen sowie im besten Fall sogar aktiv zu blocken, muss man sich hier auf eine kleine Umgewöhnung einlassen.
Denn hat man eine Standardwaffe auf einen der vier zur Verfügung stehenden „Action-Slots“ gelegt, kann man den Knopf gedrückt halten, während man mit dem Stick die Angriffsrichtung festlegt und die eigene Figur spult ihre von der geführten Waffe abhängige Kombo ab. Im Falle der Fernkampf-Archetypen Dryade und Tempelwächter suchen sie sich sogar weitestgehend selbstständig das nächstliegende Ziel in Reichweite.  

Das kann in den ersten Momenten sehr irritierend und vor allem auch nicht sehr anspruchsvoll wirken. Ich dachte zuerst auch so etwas wie „Na toll. Jetzt hat Ascaron die Chance, sich auf einem kaum bedienten Markt breit zu machen und dann hält man ausgerechnet beim Kampfsystem an Klick&Blöd-Mechaniken fest!“

Erst später, mit mehr Waffen und deutlich mehr gelernten Zaubern im Gepäck, spielt die Kampfmechanik ihre Trümpfe aus. Denn auf den insgesamt zwölf Slots kann man frei entscheiden, ob man nun Waffen, Angriffszauber oder die so genannten Buffs (Verstärkungs- oder Modifikationmagie) legt. Und im Zusammenspiel mit den verschiedenen elementaren Anfälligkeiten sowie den „Abkühlzeiten“ der jeweiligen Zauber kommt schließlich die Spannung und Abwechslung, die man bis kurz nach der ersten Tutorialstunde schmerzlich vermisst.
Und schließlich wechselt man Zauber und Waffen, als ob man nie etwas anderes gemacht hat und dezimiert die teils zu Dutzenden auf euch zu stürmenden Gegner mit behänder Leichtigkeit. Und allerspätestens bei den fordernden Bossen ist kein Platz mehr für Klick&Blöd-Gedanken.

Umfangreiche Fantasy-Karriere

Wenig zu meckern gibt es auch beim Aufstiegssystem der Figuren: Die einzelnen Fähigkeiten werden über Runen gelernt und in ihrer Stufe gesteigert, die entweder zur Beute gehören bzw. von einem Runenhändler erstanden oder gegen andere, nicht nutzbare Runen eingetauscht werden können.

Spätestens, wenn man von Gegnern umzingelt ist, weiß man das zugängliche Kampfsystem zu schätzen. Dennoch wird das Potenzial der Pad-Steuerung nicht komplett ausgereizt.

Zusätzlich kann man bei einem Stufenaufstieg der Figur (das Levelcap liegt jenseits der 200) neben einem Eigenschaftspunkt für die klassischen Werte wie Stärke oder Geschicklichkeit auch Fähigkeitspunkte verteilen. Hat man genügend Spezialisierungen beisammen, kann man eine der Spezialfähigkeiten zusätzlich in insgesamt drei Stufen ausrüsten und auf die eigene Spielweise abstimmen. Soll der Feuerball z.B. mehr Schaden anrichten oder mehrere Gegner gleichzeitig angreifen? Durch solche Entscheidungen bekommen die Figuren eine persönliche Note – nicht spektakulär, aber gut.

Hinsichtlich der Balance geben sich die Figuren nicht viel. In der Anfangsphase scheint der Inquisitor mit seinen Zaubern, die Schaden bei Gegnern in einem ganzen Gebiet anrichten, etwas übermächtig, doch auch die Seraphim bekommt schnell einen Zauber, der eine große Feindesgruppe schnell ausradieren kann. Und bei keiner Figur hatte ich das Gefühl, dass sie großartige Nachteile hätte – weder in der Anfangsphase noch in späteren Abschnitten. 

Der Schattenkrieger ist am ehesten die konventionelle Nahkampfklasse, die Dryade ist vorzugsweise im Distanzkampf per Bogen oder Blasrohr einzusetzen und die Hochelfe ist eine klassische Magie-Nutzerin. Die grundsätzliche Ausrichtung lässt aber keine Rückschlüsse auf andere Fähigkeiten zu. Denn auch abseits von Hybridklassen wie dem Tempelwächter (futuristischer Nah-/Fernkampf-Roboter) können alle Charaktere auch im Nahkampf ihren Mann oder ihre Frau stehen.