Stundenlang habe ich mich durch die Zone von Stalker 2 für den Test gekämpft: Mutanten besiegt, Fraktionen gegen- und untereinander ausgespielt, unzählige Ruinen und unterirdische Anlagen erkundet und bin hunderten von Anomalien ausgewichen. Die größte Gefahr des Endzeit-Shooters ist allerdings der miese technische Zustand.
Dutzende Bugs und zunehmende Performance-Probleme sorgen vor allem im letzten Drittel dafür, dass Stalker 2 mehr Frust als Spaß ist. Hinzu kommen merkwürdige KI-Aussetzer, die sich zu Beginn schon andeuten und einen gegen Ende dazu bringen, in die Tastatur zu beißen – und das alles trotz riesigem Day 1-Patch.
Stalker 2 punktet im Test mit Story-Inszenierung
Bevor ich allerdings noch einmal intensiv auf die Probleme eingehe, komme ich erst einmal auf die Story zu sprechen. Denn ausgerechnet dort überrascht Stalker 2 mit ein paar echt spannenden Ansätzen und gut inszenierten Zwischensequenzen. Vor allem Letzteres kann man nicht oft genug betonen, denn hier merkt man einen riesigen Sprung im Vergleich zu den Vorgängern.
Die Regie ist in einigen Momenten dynamischer und abwechslungsreicher: Man steht nicht nur von Angesicht zu Angesicht, auch wenn das oft in Dialog-Menüs noch der Fall ist. Doch es gibt auch Szenen, in denen mein Charakter auf einem Kran von Sprosse zu Sprosse springt, während mein Gesprächspartner mir mehr über die Zone verrät. An anderer Stelle unterhalte ich mich mit zwei Charakteren gleichzeitig und immer wieder schwenkt die Kamera von einem zum anderen, wenige Sekunden später packt mir jemand an die Schulter und zieht mich unsanft beiseite – es kommt zu einem unschönen Tumult. Die Animationen sehen dabei wirklich gut aus und kaschieren viel von dem Gebrabbel, welches vor allem in der Mitte der Story zu einem kleinen Problem wird.
Denn nach circa 30 bis 35 Stunden vergisst Stalker 2 urplötzlich, dass es einen eigentlich sanft in die Welt eingeführt hat. Stattdessen werden auf einmal Namen (Strelok) und Begriffe ausgetauscht, die Spieler*innen des Vorgängers sofort etwas sagen. Wer aber neu in der Zone ist, darf sich fortan verwundert die Augen reiben und im Zweifel eine Suchmaschine bemühen, um mehr Informationen zu erhalten.
Entscheidungen mit Auswirkungen
Die Geschichte als Ganzes bewegt sich übrigens auf einem soliden, sehr unterhaltsam erzählten Niveau. Das Pacing lässt sich die meiste Zeit als gelungen bezeichnen, vor allem, weil meine Sicht auf die einzelnen Fraktionen stets wechselt und ich ehrlich gesagt einfach niemanden trauen mag. Das wiederum sorgt dafür, dass ich bei manchen Entscheidungen doch länger überlegen muss.
Diese haben nämlich größere und kleinere Auswirkungen: Mal verliere ich nur den Zugang zu den Händlern einer Fraktion, ein andermal kommt es zu einer heftigen Schießerei, die ich vielleicht hätte verhindern können. Einmal habe ich mir sogar einen ganzen Ort inklusive noch nicht beendeten Nebenaufträgen versperrt, da ich doch lieber anderen Personen meine Hilfe angeboten habe – als Verräter werde ich sofort unter Beschuss genommen.
Dadurch vermittelt Stalker 2 mir oft das Gefühl, mit meinen Aktionen die Welt zu beeinflussen. Zudem längst nicht alle Entscheidungen endgültig sind, denn unter Umständen kann sich das Blatt doch noch einmal wenden. Was mir jedoch fehlt? Eine Anzeige, wie die einzelnen Fraktionen zu mir stehen. Das ist leider fast nie so wirklich erkennbar, wenn es einem die Story nicht ins Gesicht drückt.
Wenn die KI alles kaputt macht
In meinem ersten Eindruck, den ihr im Test ab der zweiten Seite lesen könnt, habe ich es schon erwähnt: Stalker 2 leidet abseits seiner Geschichte unter etlichen Fehlern. Manchmal sind es nur ein paar Glitches oder flackernde Schatten, die zwar störend, aber für ein Open World-Spiel kaum der Rede wert sind. Es bleibt allerdings nicht bei diesen kleineren Aussetzern: Je näher ich dem Ende gekommen bin, desto mehr habe ich das Gefühl bekommen, dass bald alles zusammenbricht.
Die KI und der vermeintliche Simulationsaspekt A-Life zum Beispiel: Beide leisten sich schon in den ersten Stunden einige Fehltritte, aber je mehr Spielstunden folgen, desto nerviger und frustrierender wird es. Manchmal sogar richtig zum Haare raufen: Als ich in einem Lager für ein wenig Chaos sorge und gerade die Überhand gewinne, spawnt das Spiel in meinem Rücken mutierte Wildschweine – die waren da vorher noch nicht!
An anderer Stelle verliert die KI komplett das Interesse an mir: Mitten im Gefecht schießen sie auf einmal nicht mehr, sondern lassen sich einer nach dem anderen ohne Gegenwehr erledigen. Der Anspruch geht völlig verloren, obwohl es theoretisch viel besser sein könnte. Ein paar Stunden später laufe ich bei Dunkelheit und Totenstille durch den Sumpf, als sich nur wenige Meter vor mir einige feindliche Stalker materalisieren, die auf etwas Unsichtbares schießen – ein Problem, das immmer mal wieder vorkommt und einen jäh aus der wundervollen Atmosphäre reißt.
Und manchmal gibt es auch Design-Entscheidungen, die ich nicht verstehe: Im besagten Sumpf soll ich irgendwann zu einem bestimmten Ort aufbrechen. Unterwegs bin ich jedoch durch das Wasser verlangsamt, bekomme es mit einer Chimäre zu tun, die mehrere Dutzend Schüsse wegsteckt und muss mich außerdem noch beeilen, als eine gescriptete Emission beginnt. Solche Sequenzen sind die Ausnahme, zehren aber neben den vielen Bugs weiter am Nervenkostüm, da sie schlicht unfair wirken.
Performance-Desaster
Die KI, manche Quests und A-Life sind derweil nicht die einzigen Baustellen: Bis zum Ende hin tauchen immer wieder Soundfehler auf, bei denen manchmal die Audioabmischung zwischen laut und leise schwankt, hin und wieder auch komplett verschwindet. Mehr als nur einmal höre ich meinen Questgeber so klar und deutlich, als würde er direkt neben mir stehen, obwohl wir eigentlich gerade über Funk kommunizieren. Bei einer anderen Nebenquest sehe ich dann, wie mein Gegenüber spricht, kann ihn aber nicht hören – ohne Untertitel wäre ich aufgeschmissen.
Und dann ist da noch die Performance: Ja, Stalker 2 sieht auch in den späteren Zonen noch immer hübsch aus. Dafür aber schießen die FPS ins Bodenlose: Erhält man in den ersten paar Stunden noch ein halbwegs okayes Ergebnis, darf man sich zu Ende hin freuen, wenn bei den Bildern pro Sekunde eine 30 angezeigt wird. Ein paar Mal bin ich quasi gezwungen, Stalker 2 komplett neuzustarten, um den Hardware-Hunger temporär zu beruhigen.
Neben fehlerhafter KI und grausamer Performance hat Stalker 2 darüber hinaus mit frustrierenden Bugs zu kämpfen. Nebenquests lassen sich nicht fortsetzen, Waffen fallen durch den Boden, Gegenstände sind nicht aufsammelbar, NPCs verschwinden und tauchen nicht mehr auf, Kisten fliegen durch die Luft oder Wettereffekte drehen völlig am Rad. Die Liste ist gefühlt endlos und wird auch nicht kürzer, je länger man spielt.
Anders gesagt: Stalker 2 hätte in dem Zustand nicht erscheinen dürfen. Zumindest nicht als Vollversion. Auch wenn ich trotz allem viele Stunden Spaß hatte, gab es genauso viele Stunden, die purer Frust waren. In der aktuellen Situation lässt sich daher nur schwer eine Kaufempfehlung aussprechen – erst wenn GSC Game World die Probleme in den Griff bekommt, kann Stalker 2 vielleicht seine ambitionierten Versprechen erfüllen. Nur wer weiß, wann das der Fall sein wird.