The First Descendant: Öde Missionsvielfalt
Aber gut, Story beiseite, die ist ja generell nicht unbedingt das Steckenpferd des Genres. Stattdessen leben Loot-Shooter bekanntermaßen von ihrem Gameplay und ihrer Struktur, ständig das Gleiche noch einmal zu tun, aber dabei Spaß zu haben. The First Descendant orientiert sich dafür so sehr an seinen zwei Vorbildern, Destiny und Warframe, dass man offenbar zwischenzeitlich ganz vergessen hat, ein paar eigene Ideen einzuwerfen.
Von Bungies Shooter, der gerade erst mit The Final Shape seine vorerst letzte große Erweiterung erhalten hat, schnappte man sich aber kurioserweise keine so richtig guten Ideen. Klar, es gibt auch in The First Descendant einen futuristischen Städte-Hub, in der unzählige Charaktere mit mir sprechen wollen, ich mein Inventar manage, Waffen verbessere, meinen Rang steigern kann und so weiter. Die größte Ähnlichkeit zum großen Genre-Kollegen ergibt sich aber in den einzelnen Regionen, die im Grunde nichts anderes als die Patrouillen-Regionen von Destiny 2 sind, nur, dass sie hier den Löwenanteil ausmachen.
Insgesamt gibt es derzeit acht Regionen in The First Descendant, die jeweils ein eigenes Gebiet darstellen: Mal kämpfe ich zwischen Wäldern und postapokalyptischen Ruinen, ein anderes Mal in einem dichten Sumpf oder über tiefen Schluchten und sogar eine Wüste ist vertreten. Nichts davon haut einem optisch vom Hocker, aber es bietet zumindest auf dem Blatt Papier deutlich mehr Abwechslung als die Missionstypen.
Die Hauptkampagne von The First Descendant verläuft nämlich nach dem immer gleichen Schema: Gehe in Region x, dort in Gebiet y, erledige drei bis vier Missionen. Diese umfassen stets, dass man einen bestimmten Punkt verteidigt, einen Energiereaktor hochjagt, eine gewisse Zeit lang unzählige Gegner erledigt oder goldene Gegenstände einsammelt, als wäre man auf einmal ein berühmter blauer Igel. Wirklich spannend inszenierte Missionen sucht man vergeblich, da hatte selbst das völlig am Markt vorbei entwickelte Suicide Squad: Kill the Justice League mehr zu bieten. Die Aufträge in The First Descendant sind hingegen so generisch, dass sie auch aus dem Datensatz einer KI stammen könnten.
Kann das trotzdem Spaß machen?
In den ersten zwei bis drei Stunden ist das aber gar nicht so schlimm, da das Tempo hoch ist: Man ballert sich mit Sturmgewehr, Schrotflinte, Pistolen, Scharfschützengewehren, Lasern und den Spezialfähigkeiten flott durch die Gegner. Das Gunplay ist dabei solide. Nicht wirklich gut, aber auch nicht so schlecht, dass man weglaufen möchte. Ganz anders das Treffer-Feedback, welches kaum als gelungen bezeichnet werden kann. Insbesondere der eigene Charakter macht so gut wie keine Anstalten, wenn er getroffen wird – wodurch man oft erst mitbekommt, dass man unter starken Beschuss steht, wenn die Schildenergie bricht und sich der Bildschirm rötlich färbt.
Abgesehen davon stellt sich aber schon sehr bald ein ermüdender Gedanke ein. Abwechslung sollen die Dungeons bringen, die sich mit den Strikes aus Destiny zumindest theoretisch vergleichen lassen. Instanzierte, sehr schlauchlastige Missionen, die man mit bis zu drei weiteren Spieler*innen absolviert und an deren Ende jeweils ein dicker Boss wartet. Auf dem Blatt Papier klingt das auch ganz nett, die Realität ist aber wieder mal eine andere.
Denn natürlich warten auch in den Dungeons wieder die gleichen Systeme, die man schon in den offenen Gebieten Dutzende Male erlebt hat. Mal gilt es etwas zu verteidigen, ein anderes Mal alle Feinde zu töten, ehe man ein bestimmtes Objekt beschädigen kann. Die Endgegner nutzen fast immer zwischendrin einen unbezwingbaren Schild, welchen man nur löst, wenn man entweder eine bestimmte Anzahl von Kugeln zerstört oder sämtliche Gegnergruppen. Hat man übrigens nicht die richtige Ausrüstung dabei, verwandeln sich die Bosse auf höheren Schwierigkeitsgraden in elendige Bulletsponges, auf die man minutenlang rumballert, ohne, dass sie selbst zur größeren Gefahr werden. Da kann es schon mal passieren, dass einem langsam die Augen vor dem Monitor zufallen.
Zum Glück gibt es noch die Kolosse. Riesige Feinde, die zwischen den Dimensionen gefangen sind und mich vor eine wirkliche Herausforderung stellen sollen. Im Gegensatz zu den anderen Gegnern von The First Descendant bieten sie völlig überraschend einzigartige Fähigkeiten, bei denen man als Einsatztrupp schon zusammenspielen sollte. Darüber hinaus kommt hier ein Enterhaken kämpferisch zum Einsatz, indem man bestimmte Teile der riesigen Widersacher erst beschädigt, um sie dann abzurupfen. Insgesamt sind diese Gefechte die Highlights von The First Descendant, wären da nicht die völlig grauen, leblosen Umgebungen, in denen man kämpft.
Warframe langweilig kopiert
Aber wozu kämpft man sich überhaupt durch eine generische Sci-Fi-Geschichte mitsamt einfallslosen Missionsdesign? Na klar: Für besseren Loot, für neue Descendants und für das Endgame. Wobei Letzteres relativ zu sehen ist, denn aktuell fällt das recht dürftig aus: Im Kern ist es der gleiche Inhalt, nur schwerer und ohne Matchmaking (soll per Patch nachgeliefert werden). Raids, wie man sie aus Destiny kennt, gibt es bislang nicht.
Aber zurück zum Wesentlichen, der Beute. Davon sammelt man wirklich Unmengen in The First Descendant ein. Nach fast jedem Scharmützel ist das Inventar voll mit neuen Waffen, Modulen, Reaktorkernen und anderen Kram, der das begrenzte Inventar ordentlich vollstopft. Damit nichts verloren geht, darf man sich also alle paar Missionen erst einmal minutenlang durch das Inventar kämpfen: Waffen vergleichen, zerlegen, neue Module einsetzen und so weiter. Das erinnert an Warframe, weil es fast eins zu eins kopiert ist.
Sämtliche Waffen und den eigenen Charakter kann man mithilfe von Modul-Karten verfeinern. So erhöht man etwa die kritische Trefferchance, die eigenen Lebenspunkte, Verteidigungswerte oder gewähren uns ein bisschen Elementarschaden. Die Modplätze sind begrenzt, können aber mit neuen Meisterschaftsstufen erhöht werden. Gleichzeitig darf und sollte man liebgewonnene Mods gegen Ressourcen aufwerten, wodurch sie stärker werden, aber auch mehr Platz benötigen. Theoretisch ergibt sich hier viel Raum für Theorycrafting, wenn man sich wirklich intensiv mit den Mechaniken befassen möchte.