Schlauer als die Polizei erlaubt
Insbesondere deshalb, weil es The Case of the Golden Idol immer wieder schafft, dass ich mich wie Sherlock Holmes, Hercule Poirot und Miss Marple gleichzeitig fühle. Nur wenige Detektivspiele sorgen für derart erhebende Aha-Momente, weil ihre Rätselstruktur oft zu linear, die Hinweise zu eindeutig oder die Auswahl der Verdächtigen zu klein ist. Statt meine Ermittlungen einzuengen und mir meine nächsten Schritte vorzukauen, gewährt mir The Case of the Golden Idol nach den ersten Fällen eine schwindelerregende Freiheit, wie Genre-Fans sie vermutlich nur von Return of the Obra Dinn kennen.
Wer suchet, der findet, und selbstverständlich sind bei jedem Fall alle relevanten Informationen platziert, damit ihr nach gründlicher Spurensuche nicht im Dunkeln tappt. Nichtsdestotrotz müsst ihr die Puzzlestücke selbst zusammensetzen und bekommt dabei wirklich nur die allernötigsten Indizien auf dem Silbertablett serviert. Natürlich sind die Fälle darauf ausgelegt, gelöst zu werden – die Entwickler haben sich aber alle Mühe gegeben, dies so gut wie möglich zu verschleiern und mir das Gefühl zu geben, nur die penible Zusammenarbeit meiner grauen Zellen konnte diese Denksportaufgabe bewältigen. Hinzu kommt eine extrem angenehme Schwierigkeitskurve: Jeder Fall ist komplexer als der vorherige, weshalb sich das Spiel Stück für Stück steigert, ohne je zu große Sprünge zu machen.
The Case of the Golden Idol schafft deshalb den detektivischen Drahtseilakt: Auf der einen Seite bietet es schaffbare Herausforderungen, an deren Lösungen ich nie verzweifelt bin oder frustriert das Internet befragen wollte, weil mir die Hinweise und Puzzleteile des Spiels nie kryptisch oder unzureichend vorkamen. Auf der anderen Seite war aufgrund der spielerischen Freiheit und der Abwesenheit von zu linearem Puzzle-Design trotzdem so viel Gehirnschmalz gefragt, dass sich die Lösung eines jeden Falles wie ein echter Triumph angefühlt hat. So müssen Detektivspiele sein!
Ganz ohne Genre-Krankheiten
Weil ihr Wörter und keine Gegenstände einsammelt, spart sich The Case of the Golden Idol die Kombiniermechanik, die für mich zu den größten Schwächen des Point-and-Click-Genres gehört. Abseits von Ausnahmen verlangen Vertreter desselbigen nämlich gerne mal absolut absurde Methoden auf dem Weg zur Rätsellösung: Ein Huhn mit einem Baseballschläger zu einem Flammenwerfer oder ein Toastbrot mit einer Antenne zu einem Funkgerät zu kombinieren sind fiktive, aber nicht unbedingt weit hergeholte Beispiele, auf die wohl nur MacGyver kommen würde.
Auch die Konzentration auf einen oder einige wenige Räume kommt The Case of the Golden Idol zugute: Weil euch kein ganzes Spiel mit schier unendlichen Straßen, Häusern oder Hinterhöfen zur Verfügung steht, sondern maximal eine Handvoll Standbildschirme pro Fall, verschwendet ihr keine Zeit mit ewigem Herumgelatsche und müsst auch nicht zig Tatorte im Kopf haben. Der Komplexität der Rätsel tut das keinen Abbruch, sondern sorgt lediglich für eine elegantere und angenehmere Spielerfahrung.
Zuckerbrot und Peitsche
Wer bei den Ermittlungen wirklich mal in einer Sackgasse stecken bleibt, kann sich bei dem Hinweissystem einen Tipp abholen. Dafür müsst ihr allerdings eine sinnlose kleine Aufgabe erledigen, indem ihr einer Reihe an Gegenständen ihre Namen zuordnet, die wohl auch lesefähige Grundschüler auf die Reihe kriegen würden. Dass sich das Ganze wie Beschäftigungstherapie anfühlt, hat aber einen Grund: Die Entwickler weisen euch schon beim Aufrufen des Tippmenüs darauf hin, dass ihr vorher noch einmal gründlich über die gesammelten Wörter und den Fall nachdenken sollt, bevor ihr euch einen Tipp abholt.
Sowohl die Warnung als auch das damit verbundene Minispiel sollen euch also davon abhalten, zu leichtfertig die Flinte ins Korn zu werfen und euch so den Spaß am Rätseln kaputt zu machen. Noch einmal alle Orte anschauen, die Wörter durchgehen und Informationen abgleichen, dann braucht ihr den Hinweis vielleicht gar nicht, so die Hoffnung der Entwickler. Dass der Weg zum vielleicht nötigen Tipp also nicht anspruchsvoll, sondern lediglich ein bisschen nervig ist, sei angesichts der guten Intention dahinter schnell verziehen.
Wie vor 30 Jahren hahahah
Schön, dass der Test bzw. das Spiel hier durchaus auf ein bisschen Anklang stößt, ist ja letztes Jahr doch ziemlich untergegangen.
Unbedingt!Wie schön, dass die Optik eines Spiels eine rein subjektive Sache ist.