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Too Human (Rollenspiel) – Too Human

Tolkien hatte Massenschlachten inszeniert, als das Kino noch in den Kinderschuhen steckte. Denn wer sich in den Zeilen eines packenden Romans verliert, kennt das Gefühl: Ein gut geschriebenes Buch braucht nur wenige Zeilen, und im Handumdrehen blühen unscheinbare Buchstaben zu einer fantasiereichen Welt auf. Während unsere Sinne bloßen Text aufnehmen, entstehen wie von selbst steinerne Burgen, gewaltige Kriege und faszinierende Charaktere. Ja, Too Human könnte wie ein gutes Buch sein…

© Silicon Knights / Microsoft

Die gute Reife

Ein gutes Buch? Genauso gut könnte man das Bild vom guten Wein bemühen und mit einem großen Fragezeichen versehen. Immerhin hatten die Eternal Darkness <a class="DYNLINK" onmouseover="DynToolTipp_Show('Klicken für Gameinfos‚)“ onmouseout=“DynToolTipp_Hide(); “ href=“javascript:DynCont_Display(‚Gamefinder‘,’runmod.php?sid=%7BSID%7D&LAYOUT=dyncont_gf&spielid=1917′)“>

-Entwickler ihr jüngstes Werk ganze zehn Jahre in der Mache. In der Zwischenzeit heimsten sie nicht nur mit jenem Survival-Horror etliche Lorbeeren ein, sondern untermauerten ihren guten Ruf außerdem mit einem Metal Gear Solid-Remake für Nintendos GameCube. Vielleicht liegt es ja daran, dass die Kanadier das Gerüst für Too Human schon vor diesen großen Hits gezimmert hatten: Bis auf die ungewöhnliche Steuerung wirkt das mit 360-Klarlack polierte Action-Rollenspiel zwar ambitioniert – aber

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Zehn Jahre Entwicklungszeit: Waren es diese Szenen wert?

letztlich auch sehr bieder. Nein, einem guten Wein kann Too Human nicht das Wasser reichen. Einen Fünf-Euro-Trunk ist es allerdings wert…

Der falsche Tonfall

Und um den zu rechtfertigen: Zurück zum Buch und seiner großen Geschichte von Göttern, Intrigen, Verrätern und einem apokalyptischen Krieg namens Ragnarök. Wer in der nordischen Mythologie bewandert ist, kennt die Handlung bereits in groben Zügen, denn Silicon Knights hält sich erstaunlich dicht an die Vorlage. Erstaunlich? Unbedingt: immerhin entführt euch das Spiel trotz Kobolden, Trollen und teils malerischer Kulisse nicht in ein Fantasyreich, sondern in eine  finstere Zukunft. In dieser sind die genannten Götter keine himmlischen Überwesen, sondern kybernetisch verbesserte Menschen, die in ihrer himmelhohen Festung über das Schicksal der Menschheit walten. Einer Menschheit, die offenbar dem Untergang geweiht ist – und zwar nicht nur deshalb, weil die Anfänge von Ragnarök, dem großen Krieg, offenbar längst begonnen haben….

Im Grunde verknüpft Too Human die beiden erzählerischen Hintergründe fast perfekt. Die Verbindung zur Götterwelt verleiht der sonst eher bodenständigen Kybernetik z.B. eine mythische überhöhte Dimension. Im besten Fall könnte man dem Werk der Autoren sogar einen intellektuellen Anstrich zusprechen: Wo sich Menschen mit den entsprechenden Mitteln zu Göttern erheben, weil sie ihre Körper stärker und widerstandsfähiger machen, liegt Gesellschaftskritik in der Luft. Doch die Hoffnung auf echte erzählerische Tiefe löst sich schnell auf – und Schuld daran tragen nicht einmal die Autoren selbst. Sie tragen zwar eine Mitschuld, weil sie um grundlegende Zusammenhänge ein Geheimnis machen, anstatt erst ihr Szenario vorzustellen und anschließend das dazu gehörige Drama anzuschieben. Vor allem liegt es aber an der plumpen, mitunter erschreckend laienhaften Inszenierung der Filme, dass die Geschichte platt, die Figuren gewöhnlich und der Plot vorhersehbar wirkt. Auf Musik – also das stärkste filmische

Bilder geben den tatsächlichen Eindrück kaum wider: Einige Kulissen sind geradezu überwältigend.

Mittel,

um Emotionen anzusprechen – wird in Zwischensequenzen z.B. meist ebenso verzichtet wie auf gut abgemischten Ton. In Sachen Kamerarbeit beschränkt sich Too Human ebenfalls aufs Nötigste, so dass ein Umfahren der Akteure das Höchste der Gefühle scheint.

Wachsfigurenkabinett

Warum auch mehr tun, wenn die Charaktere ohnehin vergleichsweise steif und ausdruckslos agieren – was stellenweise richtig absurd wirkt. Z.B. dann, wenn der Protagonist seiner Wut deutlich hörbar freien Lauf lässt, als er endlich die Wahrheit über seinen Gedächntnisverlust kennt – Mimik und Gestik seinen Zorn aber nicht wiedergeben. Dabei sehen einige Gesichtszüge gerade bei jenem Baldur sehr überzeugend aus. Schon seine Haut sowie der fast kahl geschorene Hinterkopf scheinen in Nahaufnahme zum Angreifen echt. Andere Gesichter, besonders Freyas eigentlich bildschönes Antlitz, wirken so künstlich und unbeweglich wie Wachsfiguren. Ein gutes Beispiel für schlechte Inszenierung ist die Szene, in der Baldur und Thor – noch im Spiel – stumm einen Aufzug empor fahren. Oben angekommen holt die Kamera plötzlich Thor ins Bild, der ohne Baldur anzusehen oder auch nur ein Wort zu sagen seinen Hammer gen Decke schleudert. Weder das Werfen noch der Zusammenfall des antiken Mauerwerks werden akustisch untermalt. Man fragt sich, was das soll,  die Sequenz verpufft wirkungslos und bleibt wie die meisten Szenen bestenfalls als „Wie man Zwischensequenzen heute definitiv nicht mehr umsetzt!“ im Gedächtnis. Die unauffällige Inszenierung deutet das Epos nur an – man braucht zu viel Fantasie, um sich hineinzudenken.