Luftig-lockere Lernkurve und atemberaubende Attraktionen
Während viele der Puzzle mich mit ihren brillanten Ideen begeistern konnten, hat das Knacken der Kopfnüsse nur selten eine wirkliche Herausforderung dargestellt. Die Bezeichnung „Style over Substance“ wäre Viewfinder gegenüber ungerecht, aber dass kreative Überraschungen und erfrischende Blickwinkel den Entwicklern wichtiger waren als wirklich anspruchsvolle Puzzle-Passagen, lässt sich nicht leugnen. Kaum eines der Rätsel hat mir wirklich Kopfzerbrechen bereitet oder mich mehr als wenige Minuten beschäftigt. Die Lösung liegt häufig auf der Hand, lässt sich dann aber glücklicherweise auch schnell in die Tat umsetzen – nichts ist schlimmer als Puzzle-Games, in denen ich in Sekundenschnelle weiß, was zu tun ist, und dann ewig an der Realisierung sitze.
Trotz der vergleichbaren Optik hat Viewfinder mit dem Anspruch von Jonathan Blows The Witness also wenig gemein und lässt sich eher bei Superliminal verorten, wo ebenfalls verblüffende Perspektivspielchen im Vordergrund stehen. Wer nicht gerne lange an vorliegenden Problemen knabbert, sondern lieber wie auf einer Kirmes von immer neuen Attraktionen überrascht wird, ist hier daher genau richtig: Viewfinder lädt zum Staunen und Entspannen ein, und überzeugt dabei auf ganzer Linie. Während des insgesamt ruhigen Spielflusses wird es nur dann etwas hektischer, wenn die Stromversorgung eines Teleporters durch eine Druckplatte ausgelöst wird, und dann nur wenige Sekunden für das Hindurchschlüpfen bleiben – und bei einem ganz bestimmten Level mit Zeitdruck, zu dem ich aus Spoiler-Gründen an dieser Stelle keine Details verraten möchte, das sich im restlichen Kontext aber zumindest spielerisch sehr deplatziert angefühlt hat.
Story-Snack statt Schwergewicht
Dass ich nach fast zehn Absätzen erst auf die Story zu sprechen komme, liegt daran, dass die in Viewfinder definitiv die zweite Geige spielt. Zwar gibt es ein narratives Framing, in das die Rätsel eingebunden worden sind, und das funktioniert vor allem zu Beginn erstaunlich gut: Schnell weiß ich, warum ich durch die ansehnliche, aber etwas künstlich wirkende Spielwelt wandere, und welchem Ziel ich mich Stück für Stück entgegen puzzle. Welches das ist, behalte ich an dieser Stelle für mich und lasse mich nur zu der Beschreibung „stimmig und unerwartet“ hinreißen. Im späteren Spielverlauf plätschert die Geschichte dann aber eher dahin, verstrickt sich oder verliert schlicht an Gewicht im Verhältnis zum Gameplay und reißt so letztendlich keine Bäume aus.
Wer mehr über die via Funkstimme vermittelte Rahmenhandlung erfahren möchte, sollte sich genau in der Spielwelt umschauen, wo zahlreiche Klebezettel, Notizen und Tonaufnahmen darauf warten, euch weitere Hintergrundinformationen zu kredenzen. Gedanken und Gespräche verraten mehr über die Charaktere und ihre Beteiligung an den Ereignissen der Geschichte. Einige sind interessant, andere belanglos, aber sie vermitteln zumindest glaubwürdig die Existenz der fiktiven Figuren und verankern sie innerhalb von Viewfinder, obwohl ihr keine von ihnen je zu Gesicht bekommt. Wer noch eine weitere Motivation für die Erkundung gebraucht hat: In jedem Kapitel gibt es ein paar gut versteckte Sammelgegenstände zu finden.
Pittoreske Polygone
Obwohl die grundsätzliche Optik von Viewfinder stark an andere First-Person-Puzzle-Titel erinnert und auf Vergleichsbildern wohl nicht hervorstechen würde, ändert das nichts daran, dass ich bis zum Schluss mit Genuss durch die weißen Betongebilde, gespickt mit Topfpflanzen, Teppichen und Teetassen, geschlendert bin. Jedes Kapitel hat einen eigenen kleinen Bereich, in dem es zu den verschiedenen Leveln geht, und von dem jeder, trotz einiger Feinheiten, wie aus einem Guss wirkt. Darüber hinaus ist die Umgebung mit viel Liebe zum Detail gestaltet und lädt zum Verweilen ein, was angesichts der vielen Sitzmöglichkeiten jederzeit auf Knopfdruck möglich ist, angesichts der spaßigen Rätsel aber sinnlos erscheint.
Ansonsten kann die Präsentation vor allem durch die erwähnten Spielereien mit verschiedenen Stilrichtungen punkten, bei denen die sonst harmonische Identität von Viewfinder für einen kurzen Moment aus den Angeln gehoben wird, um mit Kinderkritzeleien, einer Pixelburg oder einem Cartoon-Canyon optisch beeindruckendes Chaos zu stiften. Musikalisch setzt man hingegen wieder ganz auf die Zen-Atmosphäre: Vogelgezwitscher, ab und zu ein sanftes Saxophon und pointierte Pianoeinlagen sorgen für auditive Entspannung. Für 24,99 Euro ist der kostengünstige Kurzurlaub ab sofort auf dem PC via Steam und der PlayStation 5 erhältlich.
Schöner Test. Hat mir beim Anspielen auch viel Freude bereitet. Wird definitiv mal mitgenommen, wenn auch nicht sofort.
Auf der PS5 gibt es eine Demo.
Über die Dauer der Demo hat mich das Platzieren der Fotos und der damit verbundene Wow-Effekt noch unterhalten. Im letzen Demo-Level bekommt man die Kamera, mit der man selber Fotos erstellen und platzieren kann. Da kann einem von den Möglichkeiten, die man plötzlich hat, schon schwindelig werden.
Einmal hab ich halt ein Foto einer Batterie gemacht, das Foto auf den Kopf gedreht, dass die Batterie so direkt auf der Schaltfläche gelandet ist. Das erinnert da an das Gefühl, wenn man bei Portal an Portal direkt über einem Schalter und ein Portal direkt unter einem Würfel setzt.
Spielfortschritt ist aber, dass man von einer Teleporter-Platform zur nächsten geworfen wird. Das ist dann eher wie wenn man von einer Testkammer zu nächsten gescheucht wird.
Ich mag solche Puzzel-Spiele und werde mir Viewfinder sicher mal holen, aber es zeichnet sich schon ab, dass Portal 2 die Königin unter den Puzzlern bleit