Man hat im Rahmen der überschaubaren Dialoge sogar in manchen Situationen Auswahlmöglichkeiten, die sich durchaus auswirken können. So kommt man z.B. bei Dealern, die für einen arbeiten und die aufgegriffen werden, immer wieder leicht in Gewissenskonflikte. Sagt man, dass sie im Auftrag arbeiten? Gibt man vor, sie nicht zu kennen und geht das Risiko ein, dass sie eingebuchtet werden? Zahlt man in diesem Fall vielleicht sogar eine Kaution, damit sie wieder auf freien Fuß kommen und versucht sie, durch eine Gehaltserhöhung wieder gnädig zu stimmen? Doch dann müsste man wieder an den Preisen schrauben. Und bis die anderen „Angestellten“ ebenfalls mehr Kohle wollen, dauert es dann auch nicht lange. Auch hier gilt: Die Zusammenhänge sowie Auswirkungen sind durchdacht und erstaunlich gut eingebunden. Aber dadurch, dass ich als angehender Drogenbaron auch zu langjährigen Angestellten eigentlich keinerlei persönliche Beziehung aufbaue, sind mir die Entscheidungen irgendwann egal und ich experimentiere dann nur noch aus Neugier als aus dem Bedürfnis heraus, die Figur näher kennenzulernen. Denn genau hier kommt der eingangs erwähnte Humor und die Charakterzeichung ins Spiel.
Respektlos vs. Karikatur?
Nicht nur, dass die Gespräche mit längerer Spieldauer zunehmend gleichförmig verlaufen und damit bereits mittelfristig das Überraschungsmoment fehlt. Die durchaus ansprechende Comic-Kulisse mit ihrer bunten Farbgebung stellt sich bei ihren überzeichneten Figuren selbst ein Bein. Wenn hier wenigstens schonungslos karikiert würde, könnte ich mich ja an die Charaktere gewöhnen. Doch in den besten Fällen ist man zumindest noch etwas peinlich berührt, wenn ein Klischee-Krebspatient sein Leid klagt. Viel häufiger kommt es vor, dass man das Interesse an den Kunden verliert, weil man das Gefühl
hat, dass sie nur Mittel zum Spottzweck sind. Schlimmer noch: ich habe irgendwann Gesprächen mit den Mitarbeitern ignoriert, soweit es ging und nur den Dialog gesucht, wenn wirklich nichts anderes mehr möglich war. Mit dieser Ebene der persönlichen Beziehung beraubt sich Weedcraft Inc. der Atmosphäre.
Denn so werden die Mitarbeiter, neben denen man sich im Zweifelsfall postiert, um im „Garten“ die Pflanzen zu betreuen, extrem austauschbar und beliebig – im Gegensatz zu zahlreichen anderen inhaltlichen oder mechanischen Elementen dieser „etwas anderen“ Wirtschafts-Simulation. Es stellt sich zwar auch hier schließlich eine gewisse Routine bei Klickwegen und Optimierungsvorgängen ein. Dennoch gerät man angesichts der umfangreichen Verknüpfungen schnell in einen ordentlichen Motivationsstrudel, der sich auch von den gelegentlich unintuitiven Menüstrukturen nicht aus dem Rhythmus bringen lässt. Schade ist allerdings, dass man herzlich wenig tut, um die Initiative auf die Diskussion rund um das Thema Marihuana zu lenken, dass mit seinen medizinischen Wirkungen mittlerweile auf dem Weg ins Zentrum der Gesellschaft ist, hier aber nur als Transportmittel für platte Gags verpulvert wird.
Nicht vergessen: Nächste Woche ist der GMM! Wer kann, mitmachen. Schadet keinem.
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