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WipEout Pulse (Rennspiel) – WipEout Pulse

Die Ernüchterung: Das auf vielen Strecken vorherrschende Blau-Grau erinnert ebenso an den letzten Teil wie die Flugphysik der pfeilschnell gleitenden Luftkissenboliden. Ist die Formel 1 der Zukunft nach ihrer Wiederauferstehung vor zwei Jahren schon wieder am Ende ihrer Kräfte? Hat WipEout seinen Zenit etwa überschritten, nachdem es das Genre „SciFi-Rennspiel“ einst populär gemacht hat? Dabei stecken in Pulse doch die besten Zutaten aus den vergangenen zwölf Jahren…

© Sony Liverpool / Sony

Mehr Altes, noch mehr Neues!

Alt-Neueinsteiger Nummer zwei: Der in Wip3out, dem letzten Vertreter auf der Ur-PlayStation, eingeführte Eliminator-Modus. Wer hier als Erster die Ziellinie überfährt – erhält keinen Blumentopf. Schnelle Rundenzeiten zählen schon gar nicht. Den Pott gewinnt nur, wer zuerst eine vorgegebene Anzahl gegnerischer Schiffe vernichtet. So weit, so bekannt. Doch wo man im dritten Teil endgültig das Zeitliche segnen konnte, bekommt diesmal jeder Pilot eine zweite Chance. Und

Platzierung und Rundenzeiten sind in Eliminator egal – es kommt nur auf die Anzahl der Abschüsse an.

eine dritte, eine vierte usw. – bis der Erste die Vorgabe erreicht hat. Im Gegenzug lässt sich verlorene Schildenergie nicht wiederherstellen, denn wo das Absorbieren einer aufgelesenen Waffe sonst die Energie speist, wird in diesem Modus ein Schutzschild aufgebaut. So entstehen herrlich befriedigende Momente, wenn der weibliche Schiffscomputer vor einer anfliegenden Rakete warnt, man aber im letzten Moment ein Extra sammelt, absorbiert und unbehelligt weiter rast, während drei, vier Gegner in der Bande zerbröseln! Und damit das Verschrotten nicht zur Geduldsprobe wird (so häufig in gewöhnlichen Rennen ein Treffer gelingt, so selten zerlegt es die Kontrahenten endgültig), richten die Waffen deutlich mehr Schaden an. Zudem gibt es nur in dieser Rennvariante zwei zusätzliche Waffen: Das Shuriken zischt ein paar Sekunden lang im Zickzack über den Kurs, während die Repulsor-Schockwelle jedem Schiff in der Umgebung Schaden zufügt. Damit unterscheiden sich die Neuzugänge nicht allzu sehr von einer Missile, die ihr Ziel noch nicht erfasst hat und dem Erdbeben, das ebenfalls alles vor ihm liegende aus dem Weg räumt. Im martialischen Zweikampf sind die beiden dennoch eine willkommene Abwechslung.

Alt-Neueinsteiger Nummer drei: Etliche Möglichkeiten, die in mindestens einem der Vorgänger bereits vorgestellt wurden. Die meisten davon griff bereits Pure wieder auf oder führte sie erstmalig ein – u.a. die Zone-Rennen, das Maschinengewehr, das Absorbieren der Waffen zum Aufladen der Schildenergie, die Drehung um die eigene Achse oder der „Schritt zur Seite“ für besonders enge Kurven. Was Pulse daraus macht, muss der Blick aufs Detail klären. Nach fünf Stunden dämmerte mir allerdings, dass hier mehr drin steckt als „Pure 2“. Im schlechtesten Fall wäre die Fortsetzung das Äquivalent zu einer randvollen „Best Of Queen“-Doppel-CD…

Kraftwerk steuern mit Aero Dynamik eins der besten Stücke zum großartigen Soundtrack bei.

Doch was ist wirklich neu? Wie will der zweite PSP-Auftritt einen Vorgänger überholen, der fast alles richtig machte? Immerhin sahnte dieser zu Recht Spitzenwertungen ein. Dafür sorgten die blitzschnell vorbei rasenden Kulissen, die vielen Rennvarianten und nicht zuletzt das großartige Fluggefühl.

Aero Dynamik

Und genau das wird eben nicht nur recycelt, wie es zunächst den Anschein hat, und ist damit Alt-Neueinsteiger Nummer vier. Denn die Boliden schweben nach einer Rampe nicht mehr scheinbar federleicht durch die Luft – die Erdanziehung holt sie mit einem ächzenden Krachen zurück auf die Strecke. Es entsteht erstmals der Eindruck, tatsächlich in einem schweren metallenen Vehikel zu sitzen, was vom mechanischen Quietschen beim Anziehen der Luftbremsen nur bestätigt wird. Der Turbo klingt hingegen nicht länger wie ein träge beschleunigendes Raumschiff. Stattdessen gibt es einen satten Rumms, wenn die Maschine plötzlich die gefühlt zehnfache Menge Treibstoff zündet, um einerseits schneller als in Pure, anderseits dafür nicht so lange zu beschleunigen. In Verbindung mit der allgemein größeren Beschleunigung sowie der schneller auf Eingaben reagierenden Lenkung wird das Spiel dadurch direkter, packender und nicht zuletzt leichter zugänglich. Schließlich lässt sich jetzt auch die Drehung um die eigene Achse, um nach der Landung mit einem Turbo davonzuziehen, leichter ausführen, so dass das Wettmachen

wichtiger Sekundenbruchteile nicht den Experten vorbehalten bleibt. Auch wenn es der hypothetischen Bodenständigkeit der Serie nach wie vor ein Stück ihrer Glaubwürdigkeit entzieht, dass die Gleiter nach einem so 

Gelingt eine Drehung um die Längsachse, bevor der Flieger am Boden ankommt, entwischt er seinen Verfolgern mit einem Turboschub.

absurden Stunt boosten können: Ich will den unmittelbaren Kick, den die direkte Steuerung injiziert, nicht mehr missen. So muss sich WipEout heute fliegen; Pulse trifft den Nagel auf den Kopf! Wobei die Physik noch so ausgefeilt sein könnte, wenn man sie auf der Piste nicht ausreizen könnte…

Zwölf Kurse gibt es. Jeder wird in beide Richtungen beflogen. Und jeder bietet eine grandiose Herausforderung! Nicht, weil die Strecken ausgesprochen knifflig wären – aber weil sie schwer zu meistern sind und weil das Erlebnis beim Durchpreschen einer engen Doppelschikanen so adrenalinschwanger eingefangen wird. Natürlich geht es wie in Pulse letztlich nur darum, eine Sammlung weiter und enger Kurven zu verinnerlichen, doch es gibt etliche kurze Knicks, Erhebungen oder abfallende Fahrbahnstücke, durch die im Idealfall eine fast gerade Linie führt. Kennt man erst einmal den Pfad, rauscht man so mit Vollgas und nur minimalen Korrekturen durch die Kombinationen. Da ist er, dieser einzigartige Eindruck, ein mehrere hundert PS starkes Geschoss im Grenzbereich zu bewegen! Hohe Geschwindigkeiten boten stets auch ähnliche SciFi-Racer, allen voran F-Zero, Extreme-G oder das schnellste seiner Art, Ballistics – aber nur WipEout stellt die fahrerische Finesse und das belohnende Gefühl, dass sich diese auch auszahlt, so in den Vordergrund. Und genau das perfektioniert Pulse. Zumal dieser Fluss jetzt seltener unterbrochen wird, weil der neue ECS-Käfig die Boliden nicht von der Strecke fallen lässt. Nur an speziellen offenen Abschnitten können die Flieger über den Rand kippen. Im Normalfall hält sie aber die unsichtbare elektrische Wand davon ab, auf die meist durchgehende Begrenzungsmauer zu springen und von da ins Abseits zu rutschen. Empfehlenswert ist das Schlittern auf der Mauer jedoch nicht, denn kratzt das Schiff am ECS-Käfig, verliert es sowohl Geschwindigkeit als auch Energie. Das wirkt im versucht glaubwürdigen WipEout-Universum zwar aufgesetzt, unterstützt dafür das wichtige Kredo: Wer schnell sein will, muss auf der Piste bleiben – und das ist gut so. Fünfzehn Stunden nach dem Einschalten: Die direkte Steuerung und die fordernden Strecken erzeugen ein Fluggefühl, welches sogar das brillante 2097 übertrifft!