Stärkung und Störung
Um den ansteigenden Herausforderungen gewachsen zu bleiben, muss Titelheld Pinocchio natürlich seine Stahlmuskeln aufpeppen. Das geschieht vor allem über ein klassisches Levelsystem, bei dem ihr von besiegten Gegnern Erfahrungspunkte – das erwähnte Ergo – erhaltet, die ihr dann in den Stufenaufstieg investieren könnt. Zur Auswahl stehen dabei wie immer eine Handvoll kryptische Begriffe, hinter denen sich letztendlich bekannte Kategorien wie Lebenspunkte, Ausdauer, verschiedene physische Angriffswerte oder Lastkapazität verbergen. Wer jeden Gegner einmal besiegt, darf sich über ein regelmäßiges Progressionsgefühl freuen, muss aber auch abwägen: Ergo dient nämlich gleichzeitig als Währung, mit der sich hilfreiche Gegenstände wie neue Waffen oder Wurfgeschosse erstehen lassen.
Untypisch für das Genre ist derweil der Talentbaum, bei dem ihr mit einer raren Ressource namens Quarz Stück für Stück neue Boni und Fähigkeiten freischaltet. Jeder eingesetzte Edelstein gewährt Pinocchio einen Vorteil, mit dem ihr, abhängig von eurer Wahl, beispielsweise die Anzahl der Pulszellen erhöht, eine weitere Ausweichrolle ausführt oder die Stagger-Leiste des Gegners schneller füllt. Da Quarz in Krat eine wahre Seltenheit ist, fühlt sich jedes Upgrade auch wirklich bedeutungsvoll an, obwohl die im Talentbaum zu findenden Boni eindeutig unausgeglichen sind. Die verstärkte Heilung der Pulszellen ist nun einmal viel nützlicher als die Möglichkeit, einen Feuerkanister mehr zu schmeißen. So musste ich nur selten abwägen, wie ich das Quarz investiere.
Damit ihr den Talentbaum möglichst weit ausfüllen könnt, lohnt sich nicht nur das Erkunden, sondern auch das Besiegen von stattlichen Minibossen, die das Repertoire an Standardgegnern beträchtlich erweitern und angesichts der deftigen Spielzeit von 40 – 50 Stunden für eine recht angenehme Feindesvielfalt sorgen. Auch in den letzten Gebieten servierte mir Lies of P ab und an noch ein paar neue Kreaturen. Nichtsdestotrotz ist mir das Kanonenfutter, bestehend aus taumelnden Puppen und sprintenden Zombies, ein bisschen zu häufig vor die Linse gelaufen. Die durchaus gelungene Abwechslung an Monstern macht sich übrigens auch mit einer Reihe an fiesen Statuseffekten bemerkbar: Die Klassiker wie Überhitzung und Verderbnis, die euch verbrennen oder vergiften und so für kontinuierlichen Schaden sorgen, werden dabei durch ein paar eigene Ideen erweitert.
Leidet ihr unter Elektroschock, erhaltet ihr beispielsweise mehr physischen Schaden, während Verfall dafür sorgt, dass eure Waffenhaltbarkeit rasant abnimmt. Brechen hingegen verringert temporär eure Heilung und Schock verlangsamt eure Ausdauerregeneration. Einige Statuseffekte sind natürlich schlimmer als andere, aber alle haben irgendwo ihre Daseinsberechtigung, um Lies of P noch herausfordernder und vielfältiger zu gestalten – alle, bis auf eine. Seht ihr einen Balken mit dem Wort „Störung“ auf eurem Bildschirm, solltet ihr schleunigst die Holzbeine in die Hand nehmen, denn sobald der voll ist, segnet ihr augenblicklich das Zeitliche. Instakill-Mechaniken sind selten eine gute Idee, zumal es zu viele Gegner gibt, die diesen Statuseffekt auslösen können. Das hätte man sich wirklich sparen können.
Schlaraffenland für Waffen-Narren
Auch wenn Lies of P viele Konventionen seiner Genre-Geschwister übernimmt, macht man ab und an glücklicherweise sein eigenes Ding, zum Beispiel bei den Waffen. Statt einfachen Schwertern, Hämmern und Speeren findet ihr neue Kampfwerkzeuge jedes Mal im Doppelpack, bestehend aus Griff und Klinge. Nun könnt ihr versäumte Bastelstunden aus eurer Kindheit nachholen, denn die Einzelteile lassen sich nach Lust und Laune kombinieren und beeinflussen natürlich das Endergebnis. Der Griff wirkt sich auf das Moveset aus, und mit welchen Werten eure Waffe wie stark skaliert. Die Klinge hingegen ist für die Reichweite zuständig und hat verschiedene Spezialangriffe im Gepäck. Beide Teile lassen sich derweil individuell und mit unterschiedlichen Ressourcen verbessern, wobei ihr beim Griff nur an der Skalierung schraubt.
Das Selbstzusammenbasteln der Waffe ist eine grandiose Idee, bringt frischen Wind ins Genre und sorgt dank großer Varianz für schier unendliche Möglichkeiten. Jede Kreation fühlt sich angenehm unterschiedlich an, bietet eigene Effekte und Movesets, und macht auch optisch einiges her: Mit einem Hammer, der aus Puppenarmen besteht, einem überdimensionalen Uhrzeiger oder einer Rohrzange lassen sich nicht nur bizarre, sondern auch wirklich spaßige Mordinstrumente zusammenschrauben. An die Trick-Weapons von Bloodborne mit ihren ausgefallenen Angriffsmustern kommt Lies of P zwar nicht ran, bringt aber trotzdem deutlich mehr als der Großteil der Konkurrenz auf den Tisch.
Btw das Spiel ist gerade im Neowiz Sale auf Steam
Das ist ein guter Punkt. Hatte lange "Angst" vor den Soulslikes und bin erst durch Elden Ring ans Genre gekommen. Jetzt habe ich das Meiste von FS nachgeholt und muss im Rückblick sagen, dass stark übertrieben wird, was die Schwierigkeit angeht. Nämlich unter anderem deshalb: Das schöne an den Spielen ist, dass man sich den Schwierigkeitsgrad quasi selbst aussuchen kann. Bei keinem Titel stimmt das so sehr wie bei Elden Ring, wo man vielen Challenges ja sogar räumlich aus dem Weg gehen kann. Aber ob man quasi "overleveld" oder Summons beschwört, ändert den Schwierigkeitsgrad gewaltig. Ich hab zwar nie gegrinded nur um aufzuleveln, aber ich nehme schon gerne alles mit, was mit das Spiel an Hilfe anbietet (und kein Glitch ist). Und da gibt es bei Sekiro deutlich weniger bis quasi gar nichts.
Berechtigte Kritik Amin einem angemessenen Ton vorgetragen, da sind wir uns sicherlich einig, ist immer willkommen. Dieser Tage ist es aber allgemein so, dass besonders negatives Feedback, meist alles andere als angemessen vorgetragen, sehr viel Raum einnimmt. Und für jedes schlechte Feedback braucht es 5 x positives, zum Ausgleich. Dieser allgemeine Trend ist auch an 4P nicht vorbei gegangen. Wo es viel berechtigte Kritik gab und gibt aber auch viel, übermäßig viel, der anderen Seite. Daher nehme ich mir lieber die Zeit für positives Feedback. Das kommt in meiner Wahrnehmung nämlich häufig zu kurz, kann, wenn es authentisch ist, einiges bewegen und für mein persönliches Wohlbefinden ist es auch besser wenn ich Zeit und Energie in Dinge stecke, die ich positiv finde als die, die mich aufregen.
Genau deshalb frag ich mich ja auch seit Jahren, ob ich mich an Sekiro trauen soll (yea, Kreis geschlossen!)