Ich bin doch (k)eine Maschine…
Weil auch eine Marionette zwischendurch mal müde vom Schnetzeln wird, erwartet euch inmitten der Schneise der Zerstörung mit dem Hotel Krat glücklicherweise ein sicherer Rettungshafen. Das einst glorreiche Etablissement dient als HUB und versammelt die wichtigsten Gestalten, die euch auf eurem Abenteuer im düsteren Krat so erwarten. Neben der Hotelbesitzerin Antonia, die euch von den goldenen Zeiten ihrer Unterkunft berichtet, findet ihr hier unter anderem die Schmiedin Eugénie, die eure Waffen verbessert und Sophia, die wie die Puppe aus Bloodborne oder die Feuerhüterin in Dark Souls 3 für eure Stufenaufstiege verantwortlich ist. Denn, und hier hat man sich leider an den Fehlern der Vorbilder orientiert: Auch in Lies of P könnt ihr nur im HUB euer Level erhöhen. Das ist vor allem deshalb eine unverständliche Entscheidung, weil euch das Spiel ganz zu Beginn diese Möglichkeit zunächst an Checkpoints gibt und dann einfach wieder wegnimmt.
Während eurer Erkundung von Krat trefft ihr nach und nach auch auf neue Gestalten, die das Hotel aufsuchen und dort mit Aufträgen oder Geschichten auf euch warten. Für besonderen Komfort sorgt das Schnellreisemenü, in dem euch stets angezeigt wird, wer gerade wo ein Anliegen hat. So gestalten sich die sonst so kryptischen Nebenquests ein bisschen weniger rätselhaft. Apropos Schnellreise: Sobald ihr Hotel Krat erreicht habt, könnt ihr euch ab sofort jederzeit zwischen den Speicherpunkten hin und her teleportieren.
Die heißen in Lies of P übrigens nicht Leuchtfeuer, sondern Stargazer, füllen aber wie gewohnt eure Lebenspunkte sowie Heiltränke wieder auf und lassen besiegte Feinde, mit Ausnahme der Endgegner und einiger Minibosse, von den Toten zurückkehren – typisch Soulslike eben. An den blau schimmernden Checkpoints könnt ihr darüber hinaus noch eure Waffen anpassen, eure ausgerüstete Armprothese wechseln und auf euer Lager zugreifen. Alles superpraktische Funktionen, die den nur im Hotel verfügbaren Stufenaufstieg noch seltsamer erscheinen lassen.
Lupenreines Level-Design
Darüber hinaus verdient auch die Verteilung der Stargazer ein dickes Lob. Statt alle hundert Meter einen neuen Checkpoint zu setzen, schaltet ihr durch heruntergelassene Leitern, betätigte Fahrstühle und geöffnete Türen immer wieder neue Abkürzungen frei. Das ist natürlich keine weltbewegende Innovation, aber viele Genre-Vertreter tun sich mit dieser Praxis ziemlich schwer, weshalb eine clevere Anwendung mich jedes Mal positiv überrascht. So werden viele Stargazer für längere Abschnitte genutzt, während der lineare Levelverlauf sich mit einigen Abzweigungen immer wieder zurückschlängelt und zwischenzeitliche Atempausen erlaubt. Echte Überraschungsmomente sind zwar selten und nicht mit dem Feuerband-Schrein aus Dark Souls vergleichbar, weil man die verschlossenen Türen oder aktivierbaren Leitern meist bereits lange vor dem Freischalten sieht. Trotzdem fühlen sich viele Abkürzungen angenehm organisch an und sind natürlich in die Spielstruktur eingebunden.
Das gelungene Level-Design spiegelt sich derweil auch bei der Platzierung der Gegner wider, der oft leider nicht die angemessene Beachtung geschenkt wird. Statt wahllos in der Gegend herumzustehen, warten Feinde hinter Mauern auf die Gelegenheit für einen Hinterhalt, um mich kalt zu erwischen; machen Nah- und Fernkämpfer gemeinsame Sache, um mich in die Zange zu nehmen; werden dünne Balken von dicken Robotern bewacht, um mich in den Abgrund zu stürzen. Die Umgebung im Auge zu behalten, macht sich also bezahlt und kann einige frustrierende Bildschirmtode verhindern. Außerdem erspäht ihr so vielleicht auch Elektrofallen oder Explosionsfässer, die ihr zu eurem eigenen Vorteil nutzen könnt – auch wenn die nur spärlich vorkommen.
Gothic-Grusel für Augen und Ohren
Obwohl man sich spielerisch aus einem Potpourri des From Software-Portfolios bedient, erinnert der Look von Lies of P eindeutig an Bloodborne. Die fiktive Metropole Krat mit ihren dunklen Gassen und hohen Kirchen sieht aus wie eine Mischung aus Yharnam und Paris, und der Pilgerweg mit seinen verlassenen Holzhütten und im Wind wiegenden Weiden ist dem Verbotenen Wald wie aus dem hölzernen Gesicht geschnitten. Gewürzt mit einer ordentlichen Portion Industrialisierung bekommt das südkoreanische Soulslike aber auch seinen eigenen Geschmack: Verwinkelte Fabriken oder pompöse Ausstellungen fügen sich nahtlos in das schaurige Setting ein und sorgen nicht zuletzt dank des sich stetig verändernden Wetters für optische Abwechslung.
Doch egal ob Regen oder Nebel, ob Kathedrale oder Konzertsaal, Lies of P ist vor allem eins: Unheimlich atmosphärisch. Zuckende Puppen werfen im Laternenschein lange Schatten an die Häuserwände, schleichen durch die sonst verlassenen Straßen und lauern hinter jeder Ecke. Herumliegende Leichen und fluchtartig verlassene Kutschen verstärken das Gefühl der Isolation, das mir den Rücken hochkriecht, wenn ich in leerstehende Wohnungen eindringe oder Kirchenkeller untersuche. Weil das noch dazu alles in zeitgemäßer, wenn auch nicht State of the Art-gleicher Grafik daherkommt, ist der einzige Wehrmutstropfen, dass die Texturen häufig nachladen müssen.
Während der Soundtrack besonders während der Bosskämpfe orchestral richtig schön aufdreht, in Sachen Frequenz aber eher die zweite Geige spielt, ist mir das Audio-Design umso stärker in den Ohren geblieben und neben der ausgearbeiteten Kulisse der größte Grund für die scheibendicke Atmosphäre. Ab und ein vereinzelter, markerschütternder Schrei; eine wütende Puppe, die monoton auf einen längst zu Hackfleisch verarbeiteten Einwohner Krats einschlägt; meine Schritte auf dem Asphalt: Die durch Abwesenheit glänzende Musik bereitet den vielen kleinen Geräuschen eine Bühne, was für wohlige Schauer sorgt. Und wenn dann das Maschinenöl spritzt und Metallarme durch die Gegend fliegen, unterstreicht das wuchtige Sounddesign auch noch das ohnehin schon befriedigende Treffer-Feedback.
Btw das Spiel ist gerade im Neowiz Sale auf Steam
Das ist ein guter Punkt. Hatte lange "Angst" vor den Soulslikes und bin erst durch Elden Ring ans Genre gekommen. Jetzt habe ich das Meiste von FS nachgeholt und muss im Rückblick sagen, dass stark übertrieben wird, was die Schwierigkeit angeht. Nämlich unter anderem deshalb: Das schöne an den Spielen ist, dass man sich den Schwierigkeitsgrad quasi selbst aussuchen kann. Bei keinem Titel stimmt das so sehr wie bei Elden Ring, wo man vielen Challenges ja sogar räumlich aus dem Weg gehen kann. Aber ob man quasi "overleveld" oder Summons beschwört, ändert den Schwierigkeitsgrad gewaltig. Ich hab zwar nie gegrinded nur um aufzuleveln, aber ich nehme schon gerne alles mit, was mit das Spiel an Hilfe anbietet (und kein Glitch ist). Und da gibt es bei Sekiro deutlich weniger bis quasi gar nichts.
Berechtigte Kritik Amin einem angemessenen Ton vorgetragen, da sind wir uns sicherlich einig, ist immer willkommen. Dieser Tage ist es aber allgemein so, dass besonders negatives Feedback, meist alles andere als angemessen vorgetragen, sehr viel Raum einnimmt. Und für jedes schlechte Feedback braucht es 5 x positives, zum Ausgleich. Dieser allgemeine Trend ist auch an 4P nicht vorbei gegangen. Wo es viel berechtigte Kritik gab und gibt aber auch viel, übermäßig viel, der anderen Seite. Daher nehme ich mir lieber die Zeit für positives Feedback. Das kommt in meiner Wahrnehmung nämlich häufig zu kurz, kann, wenn es authentisch ist, einiges bewegen und für mein persönliches Wohlbefinden ist es auch besser wenn ich Zeit und Energie in Dinge stecke, die ich positiv finde als die, die mich aufregen.
Genau deshalb frag ich mich ja auch seit Jahren, ob ich mich an Sekiro trauen soll (yea, Kreis geschlossen!)