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Hotel Dusk: Room 215 (Adventure) – Hotel Dusk: Room 215

Ihr gehört zu den erzählerisch Verwahrlosten? Ihr sehnt euch nach guten Geschichten, markanten Charakteren und einem psychologisch interessanten Abenteuer? Dann bucht das Ticket in den amerikanischen Westen und checkt als Ex-Cop im Hotel Dusk ein. Wenn ihr den Staub alter Adventures abgeklopft habt, solltet ihr euren Koffer öffnen und das erste Rätsel auf einer mysteriösen Reise lösen. Hinter jedem Zimmer lauert ein Schicksal.

© Cing / Nintendo

Düsteres Abenteuer

Das Spiel lebt von seinen mysteriösen Andeutungen: Jedes Zimmer hat z.B. eine Nummer und einen Namen. Warum soll gerade euer Zimmer 215 Wünsche erfüllen? Ist das Blödsinn oder steckt was dahinter? Und warum heißt das Zimmer des Schriftstellers gerade Stolz? Man spielt zwischen Depression und Melancholie, zwischen Pessimismus und Hoffnung und wird von kleinen unbeantworteten Fragen geködert. Die Kulisse ist von der ersten Sekunde an besonders, wird

Das erste Rätsel: Der Kofferschlüssel zerbricht. Wie kommt man jetzt an den Inhalt?

beherrscht vom Gegensatz zwischen Schwarzweiß und Farbe. Hotel Dusk mixt 2D und 3D, grau und bunt, zeigt die Spielwelt links komplett dreidimensional in farbigen Polygonen mit nahezu frei drehbarer Kamera, rechts auf dem Touchscreen als zweidimensionale Karte aus der übersichtlichen Vogelperspektive. Auch akustisch gibt es einen Gegensatz zwischen der Freundlichkeit der dahin plätschernden Musik und den plötzlichen Molltönen, wenn man in den Dialogen etwas erfährt.

Während ihr in Egosicht über die Flure wandert und Details wie Bilder, Pflanzen, Telefone seht, bewegt sich gleichzeitig rechts euer Figurensymbol in der Draufsicht. Kleine Suchspiele laden dazu ein, die Umgebung zu erkunden und auch mal hinter Schränke oder Kisten zu schauen: Findet man alle versteckten Sternsymbole ergibt sich z.B. ein Code, der am Getränkeautomaten für eine kleine Überraschung sorgt – auch wieder so ein Köder. Es kann passieren, dass sich auf eurem Weg plötzlich eine Tür öffnet: Dann wird einer der zwölf Charaktere statisch wie ein Scherenschnitt in der 3D-Welt gezeigt und lädt zum Gespräch ein. Hotel Dusk ist natürlich linear angelegt, was diese Schlüsselszenen angeht.

Ihr könnt an jede Tür klopfen oder gleich zum Knauf greifen, an bestimmten Stellen interagieren, näher an Malereien oder Schreibtische heranzoomen oder Schubladen öffnen – das Schöne: Darin kann man noch mit dem Stylus wühlen, also einen Umschlag oder Schlips zur Seite schieben, um vielleicht etwas darunter zu entdecken. Ihr habt jederzeit die Übersicht, könnt auch auf eine Karte zugreifen, die euch alle Etagen und Winkel des Hotels zeigt. Man arbeitet sich langsam voran, kann nicht alle Räume sofort betreten. Und obwohl sich aus logischer Sicht Personen hier und da in den Zimmern befinden müssten, öffnen sie nur dann die Türe, wenn es das Spiel vorsieht. Mal muss man den richtigen Zeitpunkt abpassen, einen Schlüssel ergattern oder über Dialoge mit dem Hotelpersonal Wege frei machen.

Zimmerschicksale

Wer suchet, der findet: Auf dem linken Schirm die 3D-Welt, auf dem rechten die 2D-Karte.

Hinter jedem Zimmer versteckt sich ein anderes Schicksal: Da ist der Schriftsteller, dessen Post mit der euren verwechselt wird. Da ist die alte Frau mit der Augenklappe, die Gesellschaft sucht. Gönnt ihr der Dame den Drink in der Bar oder weist ihr sie ab? Da ist das kleine Mädchen, das mit seinem herrischen Vater kämpft. Unterstützt ihr sie oder spielt ihr den autoritären Erwachsenen? Ihr entscheidet in den Dialogen, ob ihr schroff oder verständnisvoll antworten wollt – auf diese Weise könnt ihr Kyles Charakter in eine gewisse Richtung bringen und hier ist Hotel Dusk nicht nur angenehm offen, sondern auch psychologisch tiefer als viele andere Spiele. Im Zentrum stehen keine NPCs, keine Bots, keine Schema F-Typen, sondern interessante Menschen, ihre Geschichten und vor allem ihre Emotionen.

Ihr könnt den Leuten über den Mund fahren, sie sogar ignorieren oder ihnen vor den Kopf stoßen; das hat allerdings Konsequenzen, die visualisiert werden: Wenn sie wütend sind, laufen die schwarzweißen Figuren kurz rot an. Und jeder hat seine eigenen Grenzen, seine eigenen Macken: Der kleine Hotelhelfer flippt aus, wenn ihr ihm nicht traut. Die schöne Fremde verlässt euch aufbrausend, wenn sie sich verfolgt fühlt und schließt ihre Türe. Was hätte sie wohl gesagt, wenn ihr weniger direkt gefragt hättet? Wieder so ein Köder. Der Hotelchef hasst es, wenn man in seinen Räumen schnüffelt. Und Vorsicht: Wer es sich hier mit Schlüsselpersonen verscherzt oder bei illegalen Aktionen erwischt wird, wird das Game Over sehen.