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Splinter Cell: Double Agent (Action-Adventure) – Splinter Cell: Double Agent

Er ist zurück! Sam Fisher muss einmal mehr dem Terrorismus den Garaus machen – doch diesmal ist alles anders. Denn in Splinter Cell: Double Agent infiltriert ihr den Gegner nicht von außen, sondern seid als Maulwurf unter den Verbrechern unterwegs. Was ändert sich für den Geheimagenten? Schleicht es sich bei Tageslicht anders als in den Schatten der Nacht? Und wie gelingt der futuristischen Stealth-Action ihr erster Next-Gen-Auftritt?

© Ubisoft Montréal (Xbox, PS2 & GC) / Ubisoft Shanghai (360 & PC) / Ubisoft

Doch zurück zum Vertrauen, der größten und wichtigsten Neuerung. Um es kurz zu machen: Verliert ihr das Vertrauen eurer Auftraggeber, heißt es „Game Over“. Lasst die Anzeige deshalb auf keinen Fall auf Null fallen. Aber wie erreicht ihr das? Indem ihr die euch aufgetragenen Ziele erledigt. Das klingt zwar einfach, doch häufig sinkt euer Ansehen schon, wenn ihr entdeckt werdet – und zwar jedes einzelne Mal. Dadurch fördert Double Agent das vorsichtige Vorantasten nicht nur, sondern erzwingt es erstmals aktiv. Obwohl ich mich ohnehin stets als stilles Mäuschen durch Splinter Cell, Hitman oder Thief schleiche, tut es gut, dass sich umsichtiges Vorgehen nicht nur auf Atmosphäre und Statistik auswirkt.

Was tun?

Und was wäre ein Doppelagent ohne moralisches Dilemma? Aufträge für die Gegenseite zu erledigen ist die eine Seite – seinen Job als

Klappt auch im Online-Spiel: Ihr entledigt euch eines Upsilon-Agenten.

Agent der Regierung zu machen, die andere. Damit ihr Sams Misere zu spüren bekommt, müsst ihr daher zusätzlich den Forderungen der NSA nachkommen. Da kann es schon mal passieren, dass die Terroristen Tote sehen wollen, während ihr genau das im Namen der NSA verhindern sollt. Oder ihr müsst eine Bombe platzieren und anschließend das Gebiet räumen. Wollt ihr für euren Chef Lambert aber noch das Entschärfen des Sprengkörpers  vorbereiten, könnte die JBA Verdacht schöpfen. Was macht ihr?

Genau diese Frage soll wie Schatten über all euren Handlungen liegen, denn ihr müsst stets beide Seiten zufrieden stellen. Aber ausgerechnet im Kern der Idee schwächelt Double Agent: Die Entwickler zwingen euch zu selten in Situationen, in denen ihr z.B. Unschuldige töten müsst, um Sams Tarnung zu wahren. Es gibt sogar nur eine Hand voll Stellen, in denen solche Augenblicke überhaupt entstehen können. Aber selbst in diesen wenigen filmischen Momenten verschenkt Ubisoft viel Potential.

Die Idee ist eigentlich klasse: Emile, der die Terroristen mit eiserner Hand führt, fordert euch mehrmals dazu auf, bestimmte Personen hinzurichten – frei nach dem Motto „Beweise mir, dass du zu uns gehörst!“ Dann könnt ihr die armen Schlucker einfach erschießen oder auf der Seite des Rechts bleiben. Dabei büßt ihr viel Vertrauen bei der Partei ein, gegen die ihr euch entscheidet. Ihr wollt die Unschuldigen leben lassen? Das funktioniert nur, wenn ihr ein hohes Ansehen bei den Leuten der JBA genießt, ansonsten verlieren sie ihr Vertrauen in euch und das Spiel ist zu Ende. So endete mein erster Anlauf der Szene in

der Vorschau-Version: Ich hatte mich 

nicht um meinen Status gekümmert und musste entgegen meiner Gewissensbisse den Abzug betätigen. Das Tolle daran: Mein vorheriges Vorgehen hat mich in diese Lage gebracht. Ich wusste genau, dass der Gefangene wegen meines Versagens durch Sams Hand sterben musste. Das Gefühl war großartig. Noch nie zuvor habe ich als Spieler eine so intensive Sequenz erlebt!

Emotionelle Funkstille

Aber nicht nur Sams Auftrag, auch die Medaille hat zwei Seiten. Beim zweiten Anlauf habe ich sorgfältig alle Vorgaben beider Parteien erfüllt – und mir mühelos so viel Vertrauen bei Emile erschlichen, dass ich

Wenn die Scheiben dieses Aquariums zerspringen, reicht den Putzfrauen kein einfacher Schrubber…

die Hinrichtung bedenkenlos in die Hände der Verbrecher legen konnte. Das moralische Dilemma verschwand, das Drama war verpufft und tatsächlich gilt: So lange ihr Double Agent so angeht, wie es die Entwickler fordern (erfüllt die Aufgaben von NSA und JBA), erwarten euch keine dieser starken Momente. Lapidar formuliert müsste man sich bewusst blöd anstellen, um bei den gerade mal fünf oder sechs Entscheidungs-Szenen keine Wahl zu haben. Doch wer wäre dann noch emotionell daran beteiligt? Kenner haben es besonders schwer, denn die werden auf keinem der drei Schwierigkeitsgrade ernsthaft gefordert.

Immerhin bestimmen drei eurer Entscheidungen darüber, welches Ende ihr erlebt. Ihr erhaltet allerdings nie einen Hinweis darauf, welche Wahl zu welchem Abspann führt. Und wenn er dann über den Bildschirm flimmert, seht ihr keine logische Fortführung eurer Entscheidungen; es werden einfach unterschiedliche Ereignisse ausgelöst, die mit eurem Tun nichts zu tun haben. Es wäre zudem schön gewesen, wenn ein Vertrauensverlust auf einer der beiden Seiten wenigstens euren Stand bei NSA oder JBA erschwert hätte. Und führen echte Entscheidungen eigentlich nicht zu verschiedenen Entwicklungen? Auch hier gilt: Fehlanzeige.

Die erzählerische Stärke nimmt nach der imposanten Einführung ohnehin ab, denn auch wenn viele kurze Einspielungen beeindruckend inszeniert wurden, entwickelt sich der Protagonist nach dem anfänglichen Einbruch nicht weiter. Selbst die Geschichte um das Attentat bleibt blass und hat mich nur an einer Stelle noch mal gepackt. Zwar ist Sams grimmige Attitüde wegen des Tods seiner Tochter sowie seinem düsteren Auftrag endlich nachvollziehbar und passt zu ihm wie die Faust aufs Auge, doch nachdem sein Hintergrund geklärt wurde, begnügen sich die Schreiber mit dem Status Quo. Wieso stirbt sein Kollege schon nach einem kurzen Auftritt in der ersten Mission? Mich hat er zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht interessiert. Und wie kann man den Tod einer Tochter in drei Sekunden abhandeln, um das Thema danach fallen zu lassen? Das ist, als würde in Der Soldat James Ryan der Abspann über die Leinwand flimmern, bevor sich die Klappen der Landungsboote öffnen.