Veröffentlicht inTests

Uncharted: Drakes Schicksal (Action-Adventure) – Uncharted: Drakes Schicksal

Sir Francis Drake starb im Jahr 1596. Aber noch heute lässt sein Name jeden Engländer mit stolzer Brust seufzen. Gerade in diesen schweren Zeiten, mit der verpatzten EM-Qualifikation im Rücken, erinnert man sich gerne an die glorreichen Taten des Freibeuters: Kaperfahrten, Weltumseglung, Kampf gegen die Armada! Und jetzt will sein Nachfahre das Gold der Spanier suchen. El Dorado in Sicht? Konkurrenz für Lara Croft?

© Naughty Dog Software / Sony

Historisch oberflächlich

Natürlich ist das nur ein Action-Adventure, aber gerade die Kulturen Südamerikas hätten so leicht, so viele Ansatzpunkte

Der fiese Granatwerfer hat ausgeschossen: Manchmal hilft es, sich schnell aus der Deckung heraus auf Feinde zu stürzen.

bieten können, um das Ganze wenigstens etwas zu vertiefen oder noch bessere Rätsel einzubauen. Gerade die nur sporadisch auftauchenden Knobeleien hätten eine nachvollziehbare Einbindung in die Spielwelt gebrauchen können. Drake muss zwar keine Kisten verschieben wie anno dazumal Lara, aber dafür Hebel und Schalter bedienen. Auch das ist theoretisch eine willkommene Abwechslung, aber nur ganz selten kommt es mal zu einem Logikrätsel mit Symbolen – und dann ist es entweder stupide einfach oder so abstrus zu entziffern, dass man die Designer verfluchen will. Insgesamt sorgen diese ruhigen Passagen ja dennoch für Abwechslung vom Actionalltag. Doch so gut Naughty Dog in Sachen Kulisse, Kraxelei, Leveldesign und Kampfdynamik auch ist, so unterdurchschnittlich sind sie letztlich in Sachen Rätseldesign. Es gibt einige Kopfnüsse, man freut sich darüber, aber das geht weitaus besser!

Und warum hat man die Reaktionsspielchen so selten genutzt? Wenn schon Quick-Time-Reactions, dann bitte anspruchsvoller! Resident Evil 4 hat gezeigt, wie man es machen muss. Ab und zu gibt es eine Szene, in der man schnell

Drake erkundet verschachtelte Katakomben, in denen diverse Tür- und Druckmechanismen warten. Diese Rätselelemente sorgen für angenehme Abwechslung.

eine Taste drücken muss, um z.B. einem herunter fallenden Gegenstand auszuweichen – es gibt kurz Herzklopfen, dazu eine Cutscene, sehr schön. Aber erstens kommt das viel zu selten vor, wird dazu nicht über weitere Tastenkombinationen vertieft und zweitens wird das auch für so langweilige Aktionen wie das schnelle Betätigen eines Rades benutzt, damit sich irgendwo eine Tür öffnet. Dafür hätte man sich die Reaktionsspielchen auch sparen können. Erst im finalen Kampf nutzt man diese Herzklopf-Mechanik gezielter, dann aber leider in nervender Trial&Error-Manier…

Versöhnende Joker

Aber Naughty Dog kann diese Schwächen im Adventure-Bereich des Spiels im letzten Drittel ausgleichen. Da wird endlich mal die komplette Umgebung in eine Art Rätselspielplatz verwandelt: Drake muss Zahlenplatten folgen und nacheinander bestimmte Mechanismen in Gang bringen, um vom Startpunkt zum Ziel zu gelangen. Das Leveldesign ist hervorragend, der Schwierigkeitsgrad ist angenehm und man fühlt sich angesichts all der Apparaturen und Räderwerke fast an Myst erinnert. Außerdem durchbricht man hier endlich den Wechsel von Ballerei und Rätselei, den man bis dahin fast immer vorausahnen konnte, indem man Drake schon während des Knobelns attackiert – sehr gut!

Im letzten Drittel wird es nochmal richtig düster: Aus dem hellen karibischen Flair wird langsam eine schattige Dunkelheit. Lauert dort noch etwas anderes als Banditen? Dieser Hauch von Horror tut dem Spiel richtig gut…

Auch die Dramaturgie kann letztlich noch einen versöhnenden Joker zücken: Es gibt etwa nach der Hälfte der Spielzeit endlich eine kleine atmosphärische Überraschung, die das andeutet, als Drake & Co einen aufgespießten Banditen finden. Aus der karibischen Helligkeit wird dann langsam eine leicht gruselige Dunkelheit. Das liegt an den immer düsteren Katakomben und Grüften und dem Hauch von Horror, den man plötzlich zu spüren glaubt: Wer hat diesen Mann auf bestialische Art und Weise getötet? Was sind das für seltsame Fußspuren? Und ist noch etwas anderes in diesem Dschungel unterwegs als Schatzjäger? Mit diesen Fragen sorgt Naughty Dog für eine angenehme Wendung, die die Hoffnung auf Survival-Horror aufkeimen lässt – und die wird nicht enttäuscht. Ohne zu viel verraten zu wollen: Die Monotonie der Gegner wird in den letzten Kapiteln ebenso aufgebrochen wie die scheinbar durchschaute Story.

Vielleicht hat Naughty Dog diese wohltuende Wendung etwas zu spät und etwas zu plötzlich in das Finale des Abenteuers eingeflochten. Vielleicht hätte man schon vorher ein paar mysteriöse Spuren auslegen sollen, die misstrauisch und neugierig machen. Und hier kommen wieder all die Schätze ins Spiel, die man so findet: Gerade über diese Kostbarkeiten oder alte Notizen oder seltsame Geräusche hätte man wunderbar erste Indizien auf das Unheil streuen können, das euch im Finale übermannt. Wie dem auch sei: Unterm Strich sichert sich Uncharted gerade aufgrund dieses angenehm bösen Stimmungswechsels letztlich den verdienten Gold-Award.