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World in Conflict (Taktik & Strategie) – World in Conflict

Hilfe, die Russen kommen! Das haben sich die Schweden von Massive Entertainment scheinbar ganz groß auf die Entwicklerfahnen geschrieben, als sie über der Idee zu einem Nachfolger von Ground Control 2 brüteten. Aber ob sie ahnten, dass Putin passend zum Start auch gleich Super-Bombe und Super-U-Boot enthüllt? Egal. Das Echtzeit-Strategiespiel entführt euch in die späte Phase des Kalten Krieges, als im Jahr 1989 plötzlich alles eskaliert…

© Massive Entertainment / Vivendi Games / Ubisoft

Der Iwan in Seattle

Die rote Flut: 1989 hat Russland nicht nur Europa, sondern auch Amerika auf eigenem Boden angegriffen. Könnt ihr den Feind aufhalten? In einer epischen Kampagne könnt ihr euch beweisen.

Die Story macht zunächst neugierig. Es geht darum, dass die Russen im Jahr 1989 plötzlich den Dritten Weltkrieg auslösen und nicht nur Europa, sondern auch die USA angreifen – angenehm ungewohnt: selbst auf eigenem Boden werden die Amerikaner vom Pazifik aus zurückgedrängt – kein D-Day in der Normandie, sondern in Santa Monica! Ihr schlüpft in die Rolle des frisch gebackenen West Point-Offiziers Parker und dürft die Heimat retten. Dass die Feindbilder dabei klar zu Ungunsten der Russen verteilt sind, ist noch verständlich. Dass ein europäischer Entwickler aber dermaßen plump auf die Propagandatube drückt, ist ungewöhnlich – das Team könnte auch FOX Entertainment heißen oder

Rumsfeld als Berater in den Credits erwähnen. Um das Ganze „erzählerisch aufzuwerten“, hat man bekanntlich den US-Autoren Larry Bond für die Story engagiert. ABer wo ist die eigentlich? Hey, Schweden hat doch so viele gute Schriftsteller – warum habt ihr euch niemanden gesucht, der einen geopolitischen Plot stricken kann? 

Um das klar zu stellen: Die Ideologie spielt zwar keine Rolle für die Bewertung, denn auch ein antirussisches, antibritisches oder antidemokratisches Spiel kann ja Spaß machen – schließlich geht es um eine fiktive Welt. Aber auch wenn die Ideologie darin theoretisch egal ist, müssen Dramaturgie und innere Logik immer noch überzeugen. Leider stempelt die Kampagne die Russen von Anfang an als „hinterlistige“ Feinde ab, als den schrecklichen „Iwan“, den Kinderschreck und natürlich als Kriegsverbrecher,

Leider sorgen einige gemalte Zwischenbilder für einen Stilbruch in der ansonsten sehr guten Präsentation. Auch das russische Feindbild wird etwas zu plump aufgebaut.
der keine Gefangenen macht. Sätze wie „Legen sie diese roten Mistkerle um!“ oder „Wir haben eine Verabredung mit eurem Onkel Stalin!“ hören sich eher nach 1953 als nach 1989 an. Okay, es ist Krieg, da wimmelt es vor Hurensöhnen und Drecksäcken, da wird schon mal eine Schublade tiefer gepöbelt.

Aber hätte man das Feindbild nicht subtiler aufbauen können? Nicht mit Wattebäuschen der Zurückhaltung, aber vielleicht mit etwas mehr Überraschung und Entsetzen als Polemik auf der amerikanischen Seite? Hätte man die Motivation der Russen nicht über einen Frontwechsel erklären können? An keiner Stelle wird wirklich klar, warum die Sowjets überhaupt in Seattle stehen. Da ist überall nur Angst vor irgendeinem Iwan. Und wenn man schon einen Weltkrieg thematisiert: Warum kommen die anderen Mächte nicht mal vor? Warum wird die geopolitische Lage nicht besser dargestellt? Warum geht es nicht wenigstens um Gas, Erdöl, Uran oder Ähnliches? Da war mehr drin!

Die Handlung wird mit etwas zu viel Pathos und dem Versuch gewürzt, eine Weltuntergangsstimmung à la Independence Day zu verbreiten. Manchmal kommt tatsächlich ein Gefühl davon auf, als etwa die Amerikaner den ersten taktischen Atomschlag auf ihrem Gebiet einsetzen, die Russen plötzlich New York attackieren oder man aus Europa in die verstrahlte Heimat zurückkehrt, aber irgendwie gelingt es der Regie

Richtig gelungen sind die Zwischensequenzen in der Grafikengine: Hier spielt World in Conflict seine Stärken aus und macht den derben Schlachtfeldjargon lebendig.
nicht, das Entsetzen besser als auf B-Movie-Niveau abzubilden.

Statik & Dynamik

Vielleicht liegt es daran, dass die reinen Bildeinblendungen von Kindern, Frauen, Unschuldigen oder Schwiegervätern mit ihren kleinen Telefonaten und Storyhäppchen viel zu aufgesetzt wirken und den Stil der Zwischensequenzen unnötig durchbrechen. Spätestens als der gemalte US-Präsident im Pyjama auftritt, wirkt diese Art der Präsentation antiquiert – hier fehlen einfach bessere Zwischensequenzen. Von kinoreifer Story kann zwar keine Rede sein, aber nichtsdestotrotz behandelt WiC wenigstens eine unverbrauchte geopolitische Thematik. Wird sie gut und differenziert behandelt? Nein. Muss das in einem Echtzeitstrategiespiel gemacht werden? Nein. Aber es hätte auch nicht geschadet. Es ist auch nicht alles schlecht: In der Kampagne trieft es vor Soldatenslang, und das passt hervorragend, es gibt den Good und den Bad Guy, was das Klischee verlangt. Und die Regie schafft es, den besten Prügelknaben der Videospielgeschichte aufzubauen: Es geht doch nichts über Panzeroffizier Bannon, der von der ersten Minute an auf den Deckel kriegt. Und zwar so derbe und regelmäßig, dass man fast schon vorher lachen muss. In diesen Situationen macht die Kampagne jedenfalls weitaus mehr Spaß, als während des patriotischen Heimatfrontgesülzes mit Tränendrüsendressing.