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Mass Effect (Rollenspiel) – Mass Effect

Kann BioWare ohne die Macht von Star Wars im Rücken futuristisch begeistern? Mit Jade Empire haben die Kanadier bewiesen, dass sie auch ohne Lizenz das Flair exotischer Kulturen einfangen können. Mass Effect ist allerdings ein ganz anderes Kaliber. Hier soll ein episches Rollenspiel in einem neuen Universum stattfinden – inklusive filmreifer Präsentation, lebendiger Dialoge und moralischer Konflikte. Jetzt auch auf PC.

© Bioware / Microsoft

Größe schluckt Entdeckerdrang

Landschaftliche Attraktionen gibt es nur in den großen Missionen: Hier kämpft ihr euch durch fast schon karibisch anmutende Canyons. (360)

Dabei sind die Ausmaße auf den ersten Blick wahrhaft gigantisch. Wer nach drei bis vier Stunden das erste Mal die Sternenkarte an Bord der Normandy öffnet, wird verblüfft staunen: Es gibt etwa siebzehn Galaxien! Da ist der Serpent-Nebel, der Pferdekopfnebel oder der Voyager-Cluster. Und wenn man in eine Galaxie wie Artemis Tau fliegt, dann öffnet sich eine Karte mit den vier darin verborgenen Sonnensystemen Sparta, Athens, Macedon und Knossos! Wenn man jetzt nach Athens reist, bekommt man nicht nur eine detaillierte Beschreibung der klimatischen Verhältnisse, die jeden Astronomen begeistern wird, man findet dort fünf Planeten inkl. Sonne und Asteroiden-Nebel!

Man kann zwar meist nur auf einem der Planeten innerhalb eines Sonnensystems wirklich landen und ihn mit dem Weltraumjeep Mako erkunden, aber man kann Rohstoffe sichern und so manche versteckte Station bzw. Piraten finden.

Auf dem PC läuft Mass Effect insgesamt etwas flotter und sauberer: Die Fahrstühle sind schneller am Ziel, die Texturen werden nicht erst Sekunden später auf die Figuren gepappt – eine gute Umsetzung! (PC)

Während seines Abenteuers besucht Commander Shepard aber lediglich eine große Stadt, die Hauptstadt der Galaxie, dazu ein, zwei größere Lager, viele Katakomben und Minen, bevor er am Ende endlich einmal durch pompöse Ruinen wandert. Aber wo sind die Städte anderer Völker? Wo sind die bizarren Orte der Außerirdischen? Der größte Vorwurf, den man diesem spannenden Abenteuer machen kann ist der, dass die Dramaturgie und Dialoge der Geschichte viel stärker sind als die Befriedigung des Entdeckerdrangs.

Die Hauptstadt des Universums ist die Citadel. Und die erkundet man gleich zu Beginn mit neugierigen Blicken: Immerhin gibt es mehrere Etagen, ganz unterschiedliche Bezirke und man kann sich in diesem Labyrinth aus Verwaltungs- und Vergnügungsvierteln fast verlaufen. Hier bekommt man wirklich ein Gefühl von Größe. Abseits davon gibt es aber nichts Vergleichbares. Und selbst in der Citadel hält sich die Lebendigkeit abseits der Hauptauftraggeber in Grenzen: Wieso kann ich in den beiden einzigen Bars mit fast niemandem sprechen? Wieso gibt es da nicht etwas mehr Leben in der Bude mit ihren Tanzgirls? Selbst die Wirtin reagiert nicht…hier verschenkt Mass Effect sehr viel atmosphärisches Potenzial, denn gerade in Tavernen konzentrieren sich eigentlich Gerüchte, Typen und Eindrücke.

Obwohl Mass Effect Shooterelemente enthält, lässt sich der Kampf jederzeit pausieren und taktisch angehen. Die Explosions- und Biotikeffekte können sich sehen lassen. (360)
Und so seltsam das klingt: Trotz der immensen Größe des Universums mit all seinen Planeten, trotz einer Spielzeit von etwa 25 Stunden, hat man am Ende das Gefühl, nur einen kleinen Teil der Oberfläche erforscht zu haben. Nicht, weil man keine Zeit mehr hatte, sondern weil man erst gar keine Möglichkeit dazu hatte. All das, was in Gesprächen und Lexikoneinträgen beschrieben wird, kann man nicht mit eigenen Augen sehen. Das alles wäre auch zu viel verlangt, aber ein paar kleine konkrete Häppchen fremder Kulturen, also die Landung in ihren Raumhäfen oder die Erkundung ihrer Siedlungen, hätten vielleicht schon ausgereicht. Aber auch, wenn der Entdecker in mir nicht so laut jubeln kann, wie er eigentlich möchte, der Spieler in mir tut es.